Stephan Urfer

Der singende Pfarrer begeistert

Stephan Urfer
Nach einer Lehre als Zoofachverkäufer absolvierte Stephan Urfer eine Ausbildung als Tenorsänger. Nun ist er reformierter Pfarrer durch verschiedene Aufenthalte im In- und Ausland, eine Bibelschule in Afrika sowie Studien in Freibourg.

Sein Lebensweg entspricht nicht dem klassischen Ausbildungsweg eines Pfarrers, sagt Stephan Urfer gegenüber dem «An­zeiger von Kerzers». «Noch immer zucke ich innerlich zusammen, wenn mich jemand mit 'Herr Pfarrer' anspricht. Niemals hätte ich es für möglich gehalten, dass ich eines Tages noch an der Uni Theologie studieren würde. Dieser Wunsch entstand in Ghana», sagt Stephan Urfer rückblickend. Zuerst absolvierte er eine Lehre als Zoofachverkäufer. Eigentlich beabsichtigte er, danach Zootierpfleger zu werden. In einer Affenzuchtstation hätte er sogar eine Stelle gehabt, doch dann kam der Gesang dazwischen.

Er wurde gefördert und aufgrund seines Talentes als Tenorsänger sogar für ein Musikstudium am Konservatorium in Zürich und Fribourg zugelassen: «Zuerst hatte ich über Opernmusik gelacht. Dann lachte ich auf der Bühne mit Opernmusik.» Sein grosses Vorbild war Luciano Pavarotti. «Ich habe eher ein romantisches Naturell», bekennt das in Thun geborene und aufgewachsene Multitalent. «Ich liebe Musik, in der die Emotionen mitgehen.»

Vorurteile abgebaut

Es waren dann Begegnungen mit Gott, die Stephan eine neue Richtung wiesen. In Ghana absolvierte er eine pfingstliche Bibelschule. Zurück in der Schweiz begann er auf Anraten einer Professorin, an der Uni Fribourg katholische Theologie zu studieren. «Zuerst war ich sehr zurückhaltend. Heute bin ich aber froh, den Schritt gewagt zu haben. Ich habe dadurch viele Vorurteile über den Katholizismus korrigieren können.» Seinen Unterhalt verdiente er in der Gastronomie oder als Betreuer von Asylsuchenden.

Nach einigen Semestern Evangelischer Theologie an der Uni Bern kam er letztlich auch in Berührung mit dem Mönchtum: In Irland lebte er acht Monate in einem Eremiten­-Kloster und hat über die geistlichen Schätze gestaunt, welche dort vergraben liegen. Nun wirkt er als Pfarrer in Kerzers an der Grenze zwischen den beiden Ausbildungsstätten Fribourg und Bern. «Einen Menschen, der Gott erfahren hat, erkennt man an einer Kraft in ihm», sagten bereits die Wüstenväter und davon ist auch Stephan überzeugt. «Dabei handelt es sich um ein Erfahren, das weit über den menschlichen Verstand hinausgeht.»

«Schönste Kirche im Seeland»

Auf den vier kunstvollen Fenstern der reformierten Kirche in Kerzers wird die Himmelsleiter dargestellt. Bei seiner Einstandspredigt legte er einen Heissluftballon in den Kirchenraum. «Der Kirche ist die Luft ausgegangen. Da muss wieder Leben rein», verkündete er in der Predigt. Es ist ihm ein tiefes Anliegen, das Geistliche in die Kirche zurückzuholen. Mit Bedauern beobachtet er, dass in Konzerten oder sogar im Kino oft mehr Spiritualität zu finden ist als in der Kirche. Oder er staunte, wie im Europapark äusserst zielgerichtet auf die Bedürfnisse der Kunden eingegangen wird. Kein Wunder, dass Stephan Urfer seine Gäste jeweils «in der schönsten Kirche im Seeland» begrüsst.

Er hat der Kirche neues Leben eingehaucht. Dazu beigetragen hat die jeden Freitag stattfindende Abendfeier mit Musik, Gebeten und Stille zum Wochenend-Einklang. Sie nimmt Stimmungen von Taizé auf und lebt vom gemeinsamen Musizieren und Singen des Pfarrers mit der Organistin. Die Textlesungen stimmen auf den Gottesdienst am Sonntag ein, in dem er auch regelmässig singt. Lanciert hat er auch das offene Pfarrhaus-Kaffee am Samstagmorgen sowie die zweiwöchentliche «Wunderstunde Bibel und Theologie» am Dienstagabend. Einmal in der Woche ist er am Morgen von 9:00 bis 11:00 Uhr in der Kirche präsent. Er spielt Klavier, liest Psalmen, betet für die Kirche und die Welt. Wer will, darf sich ihm anschliessen, darf ihn um ein Gebet oder ein kurzes Gespräch bitten – oder darf einfach still in der Kirche sitzen. Sein Motto: Die Kirche ist offen und der Pfarrer verfügbar.

Dieser Artikel erschien zuerst bei Dienstagsmail.ch

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Datum: 06.03.2023
Autor: Markus Baumgartner
Quelle: Dienstagsmail

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