Von Tagalisch bis zur Volxbibel

Bibelübersetzungen zwischen Slang und Heiligkeit

Es gibt mittlerweile eine Vielzahl verschieden übersetzten Bibeln.
Was ist die «richtige» Sprache für die Bibel und christliche Inhalte? Wie heilig oder vulgär darf die Wortwahl sein? Wie versuchen Christen heute, Menschen mit Gottes Wort zu erreichen?

Welche Bibelübersetzung ist die beste? Wie können Menschen Gott am besten hören und verstehen? In deutsch- oder englischsprachigen Regionen mit Hunderten von Bibelübersetzungen klingen solche Fragen oft nach abgehobener Diskussion im Elfenbeinturm. Doch diese Fragen stellen sich längst nicht nur im deutschsprachigen Umfeld. Angela Lu Fulton schreibt darüber ausführlich in einem Artikel in Christianity Today und beleuchtet die Thematik anhand der Bibelübersetzungen in Patois und Tagalisch und der deutschen Volxbibel.

Patois – die verständliche Übersetzung in Jamaika

«Ich musste nur lachen», sagt Karen Roach, als sie die Bibel zuerst in jamaikanischem Patois hörte, einer Mischung aus Englisch und dem westafrikanischen Taíno. «Es berührte mein Herz und erinnerte mich an zu Hause», erzählt die Wycliffe-Bibelübersetzerin aus London. Patois ist eigentlich keine Sprache, es ist nur ein Slang, Gassensprache. Und in der jamaikanischen Gesellschaft ist es nicht besonders angesehen, denn seit der Unabhängigkeit Jamaikas 1962 bemühten sich die Jamaikaner zu zeigen, dass sie «in der Lage waren, zurechtzukommen, und eine der Möglichkeiten, dies zu beweisen, war, Englisch zu sprechen». Das betont der anglikanische Pfarrer Bertram Gayle als Übersetzer des jamaikanischen Neuen Testaments. Englisch ist erstrebenswert und die offizielle Landessprache – gleichzeitig werden Millionen von Jamaikanern nicht warm damit und verstehen vieles nicht.

Als die Bibel auf Patois geplant wurde, bezeichneten viele die Übersetzung als «respektlos» und hielten die Arbeit daran für Zeitverschwendung. Ein Kritiker malte sich aus, dass «der Pastor und die Gemeinde nach dem Gottesdienst mit Bauchschmerzen vom Lachen nach Hause gehen würden, ohne dass sie geistlich etwas gewonnen hätten. Das ist nicht nur respektlos gegenüber Gott, sondern verspottet ihn.» Andere behaupteten, dass solch eine Übersetzung keine tiefen geistlichen Einsichten ermöglichen würde. «Wir haben sie eines Besseren belehrt», sagt Gayle. «Jede Sprache kann alles ausdrücken.» Inzwischen wurden 10'000 Exemplare verkauft und über 50'000 Hörversionen heruntergeladen – und auf Jamaika wächst ein neuer Stolz auf die eigene Identität und Sprache – als Nebeneffekt verstehen Menschen den Gott, der endlich redet wie sie.

Tagalisch – die Herzensübersetzung auf den Philippinen

Nach der Kolonialherrschaft der USA wurde Tagalog auf den Philippinen Ausdruck der Unabhängigkeit. Nach dem Zweiten Weltkrieg vermischte es sich mit der englischen Amtssprache zu «Tagalisch» oder «Engalog». Als durch SMS und Internet die Barriere zwischen gesprochener und geschriebener Sprache kleiner wurde, setzte sich die Mischform immer stärker durch, besonders in der 13-Millionen-Metropole Manila. Eine Bibelübersetzung in diesem Slang war länger in Planung, seit 2023 ist die komplette Bibel in der sogenannten «Pinoy-Version» erhältlich.

Auch hier gab es starke Diskussionen, ob Gottes Wort in dieser Form noch ernst genommen würde. Gegen diese Kritik unterstreicht der katholische Bischof Broderick Pabillo: «Wir können nicht sagen, dass die Pinoy-Version respektlos gegenüber dem Wort Gottes ist, so wie wir nicht sagen können, dass unser Tagalisch respektlos ist.» Für ihn ist es wichtig, dass junge Menschen sich für die Bibel interessieren und «spüren, dass sie zu ihnen spricht … in ihrer Alltagssprache». Die Verkaufszahlen scheinen ihm Recht zu geben: 100'000 Bibeln wurden im ersten Jahr verkauft und inzwischen mehr als eine halbe Million Neue Testamente. Lemuel Crizaldo, den Koordinator der theologischen Kommission der Weltweiten Evangelischen Allianz, freut das. «Junge Leute lieben sie», sagt er zur Pinoy-Version. «Sie spricht nicht nur den Verstand an, sondern versucht, die Kraft der Gefühle zu erfassen.»

Volxbibel – derb und deutlich

Der Vorwurf, sie wären zu derb in ihrer Form, stand auch bei den vorigen Übersetzungen schon im Raum. Es ginge ja schliesslich um «heilige Inhalte». Das wurde tatsächlich immer wieder diskutiert, denn nicht nur moderne Übersetzungen verwenden deftige Sprache, auch in den Grundtexten der Bibel ist von «Körperteilen, Exkrementen oder Sex» in einer Weise die Rede, wie sie kaum zu einer heiligen Schrift zu passen scheint, stellt Andy Warren-Rothlin, Übersetzungsberater bei den Vereinigten Bibelgesellschaften, heraus. Hier lassen sich allerdings dichterische Psalmen kaum mit derben Äusserungen bei den Propheten (z.B. Jesaja, Kapitel 36, Vers 12) vergleichen. Warren-Rothlin findet: «Unsere modernen evangelikalen Vorstellungen über den Sprachgebrauch sind viel verklemmter als der ursprüngliche biblische Text selbst.» Deshalb schätzt er auch die deutsche Volxbibel: «Sie macht wirklich verrückte Sachen, aber sie spricht die Leute an.»

2005 veröffentlichte Martin Dreyer, Pastor und Gründer der Jesus-Freaks, dieses Übersetzungsprojekt, bei dem sich viele über ein Wiki-Konzept beteiligen konnten. Die Sprache war zunächst sehr deftig, voller Kraftausdrücke und die kreative Übersetzung arbeitete mit anachronistischen Nacherzählungen (Jesus fährt auf einem Motorrad in Jerusalem ein und gibt Petrus den «PIN-Code» fürs Königreich). Nach eigenen Angaben wurde Dreyer für diese Übersetzung sogar in einem Gottesdienst öffentlich von Kritikern «dem Satan übergeben» – andere feierten die Bibel in «ihrer» Sprache. Dreyer findet bis heute: «Sind wir hier, um die Sprache zu retten oder um Menschen zu retten?» Die Volxbibel ist inzwischen in der 8. Auflage erhältlich, wurde über 350’000-mal verkauft und stand in Deutschland eine Weile auf Platz 19 der säkularen Bestsellerlisten. Viele anstössige Ausdrücke sind nicht mehr Teil der Übersetzung, doch die Direktheit und Orientierung an der Strassensprache sind geblieben.

Übersetzungsziele

Seit den ersten Anfängen der Bibelübersetzung des Alten Testaments ins Griechische oder der ganzen Bibel ins Lateinische bis heute geht es Christen darum, Gott zu Wort kommen zu lassen. Die Ansätze dabei sind so unterschiedlich wie die Menschen, die sich darum bemühen. Keine Übersetzung schafft es, Gott selbst und seinem Reden völlig gerecht zu werden – was in der Natur der Sache liegt, denn es ist immer ein «Verpacken» des Unendlichen in begrenzte Sprache hinein. So bleibt es beim Versuch, Gottes Wort in Menschenwort zu fassen. Am wichtigsten ist laut Fulton dabei, «ob Gottes Wort die Zuhörer so anspricht, dass es ihr Leben verändert».

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Datum: 03.04.2024
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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