Theologieprofessor N. T. Wright

Die Bedeutung des Evangeliums wieder entdecken

Viele Christen haben die Vision von einem umfassenden Evangelium verloren, das jeden Aspekt des Lebens einbezieht. Deshalb hat es den Anschein, als habe das Evangelium versagt. Nun gelte es, die Bedeutung des Evangeliums auf neuen Wegen zu entdecken, sagt der englische Theologieprofessor Nicholas Thomas Wright.
N. T. Wright

Der 65-jährige Anglikaner lehrt an der Universität von St. Andrews (Schottland) und war von 2003 bis 2010 Bischof von Durham. Nach seiner Ansicht ist die Vorstellung vom christlichen Glauben besonders in Europa, Kanada, Teilen der USA und Australien in vielen Kreisen auf eine private Frömmigkeit und die Hoffnung auf den Himmel verkürzt worden. Damit seien aber viele Aspekte des Lebens vernachlässigt worden, sodass Gott zu einem Lückenbüsser wurde. 

Die säkulare Welt habe diese Lücken gefüllt. Die Menschen suchten nach Lösungen für ihre Probleme bei allem anderen als beim Evangelium – etwa der liberalen Demokratie oder der elektronischen Technologie. Zum Gottesdienst gingen Mitglieder christlicher Gemeinden nur noch, wenn dies gut in ihren komplizierten Alltag passe.

Das Evangelium hat nicht versagt

Dieses Phänomen treffe jedoch nur auf die westliche Welt zu; in anderen Erdteilen wie Afrika, Lateinamerika, Südostasien – besonders in China – wachse das Christentum stark. Wright: «Insgesamt hat das Evangelium also nicht versagt; das Salz des christlichen Dreiklangs 'Glaube, Hoffnung und Liebe' hat seine Kraft nicht verloren.» 

Zwar gebe es auch im Westen viele blühende Kirchen, aber die traditionellen Abläufe und Formen kirchlichen Lebens kämen vielen Menschen fremd vor. Deshalb müsse man neue Wege finden. Man dürfe aber nicht nur «mit der Kultur Schritt halten». Vielmehr gelte es, neue Generationen zu befähigen, die Bedeutung des Evangeliums auf Wegen zu entdecken, die sie verstehen und «genussvoll feiern» könnten.

«Auferstehungsmenschen» bringen Neues in die Welt

Im Zentrum der christlichen Botschaft stünden Kreuz und Auferstehung. Mit diesen Ereignissen sei die Macht des Bösen überwunden und die neue Schöpfung eingeläutet worden. Jesus berufe «Auferstehungsmenschen», durch die neues Leben in die Welt kommen könne. Ein Großteil der westlichen Christenheit habe aber vergessen, was die frühen Christen wussten – «dass es unsere Aufgabe ist, Menschen des Reiches Gottes zu sein, die die rettende Liebe Gottes in alle Aspekte des Lebens hineintragen». 

In der Bergpredigt spreche Jesus von den Sanftmütigen, Friedensstiftern und Menschen, die nach Gerechtigkeit hungern. Diese nenne er «die Gesegneten» und meine damit, dass sie Menschen seien, durch die Gottes Segen in die Welt hineinkomme. Segensträger Gottes zu sein, sei aber nur möglich, wenn man in der persönlichen Begegnung mit Jesus die Liebe Gottes selber erlebe und aus der Kraft des Geistes Gottes lebe.

Sozialer Einsatz ist eine geistliche Aufgabe

Von Anfang an habe die Kirche so gehandelt, etwa in Bildung und Medizin, der Sorge für die Armen und dem Kampf für Gerechtigkeit, etwa dem Ende der Sklaverei. Christen hätten viele Aufgaben wahrgenommen, die man gegenwärtig im Westen als Pflichten des Staates begreife. Heute meinten viele Christen, dass es sich um «weltliche» Dinge handele, die geistlicher Aufmerksamkeit nicht wert seien. Doch in Wirklichkeit müsse die Kirche die liebende und rettende Kraft Gottes offenbaren und die weltliche Obrigkeit herausfordern, wenn sie diese Vision verzerre oder aufgebe. 

Wright spricht am 25. und 27. Januar 2014 bei Studientagen auf St. Chrischona (Bettingen bei Basel), die von der Arbeitsgemeinschaft für biblisch-erneuerte Theologie (AfbeT), dem Theologischen Seminar St. Chrischona und der Staatsunabhängigen Theologischen Hochschule Basel (STH) verantwortet werden. Am 26. Januar predigt er in Konstanz (Südbaden) in einem Gottesdienst der Evangelischen Allianz.

Datum: 21.01.2014
Quelle: Livenet / idea

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