Neue EVP-Nationalrätin

Maja Ingold: «Politik und Glaube gehören zusammen»

Mit ihrer Politik möchte sie mithelfen, das Reich Gottes auf Erden zu schaffen. Das erklärt die neue EVP-Nationalrätin Maja Ingold aus Winterthur. Letzte Woche wurde sie als Nachfolgerin von Ruedi Aeschbacher vereidigt.
Maja Ingold ist die erste EVP-Frau im Nationalrat

«Spektrum»: Was bedeutet Ihnen die Vereidigung als Nationalrätin?
Maja Ingold: Für mich nicht nur ein feierlicher, sondern auch denkwürdiger Augenblick! Nach der lokalen und der kantonalen Ebene darf ich nun in die nationale Politik einsteigen und mich mit Fragen beschäftigen, die das ganze Land betreffen, zu Beginn ja gleich mit dem CO2-Gesetz und den Klimazielen, die mir besonders am Herzen liegen.

Ihre Partei freut sich, dass sie erstmals eine Frau unter die Bundeskuppel schicken kann. Eine besondere Verpflichtung?
Eine besondere Ehre! Dafür haben wir in der EVP jahrzehntelang gearbeitet. Und es wird ja gar nicht lange dauern, bis eine zweite Frau kommt. Schon in der nächsten Session wird Marianne Streiff für Walter Donzé nachrücken. Dann sind wir die erste Partei, die in Bern zu 100 Prozent mit Frauen vertreten ist!

Was bedeutet Ihnen das «E» im Namen Ihrer Partei?
Ohne Verankerung im Evangelium könnte ich nicht politisieren. Das Menschenbild der Bibel ist meine Grundlage, um mit Menschen umzugehen und politische Lösungen zu finden.

Welche biblische Frau imponiert Ihnen?
Die zwei Seiten von Martha und Maria beschäftigen mich schon lange: Martha ist die Tätige und Maria die Andächtige. Die Kombination der beiden Frauen möchte ich mir zum Vorbild nehmen. Die beiden Lebensentwürfe gehören für mich zusammen.

Was haben Sie in den vielen Jahren Ihrer politischen Tätigkeit gelernt?
Wenn man mit unterschiedlichen Menschen sachbezogen zur Lösung eines Problems kommen will, dann ist es sehr wichtig, herauszufinden, wie jemand tickt. Sonst spricht man nicht die gleiche Sprache, und man muss viel mehr Überzeugungsarbeit leisten, bis man zu einer Lösung findet.

Was heisst Politik für Sie?
Politik ist meine Art, um einen Beitrag zu leisten für die Menschen und die Gemeinschaft in diesem Land. Letztlich geht es mir aber um das Reich Gottes. Ich möchte mithelfen, das Reich Gottes auf Erden zu schaffen.

Wie bringen Sie Politik und Glaube unter einen Hut?
Das ist für mich sowieso nur ein Hut. Mein Menschenbild, meine Haltung, mein Umgang mit andern Menschen: Für mich gibt es nicht zwei Seiten einer Medaille. Politik und Glaube gehören für mich zusammen. Das ist nicht immer einfach. Diese Erfahrung macht jeder Mensch, der Jesus Christus nachfolgen will. Doch jeder Christ soll sich bewusst sein, dass er mit seinem Leben auch Politik macht.

Momentan bildet die EVP in Bern eine Fraktion mit der CVP und den Grünliberalen. Wäre für Sie eine Fraktion mit der EDU denkbar?
Im Moment belegt die EDU in Bern praktisch nur SVP-Positionen. Das sind nicht meine Positionen. Von daher kann ich mir eine gemeinsame Fraktion kaum vorstellen. Auf lokaler Ebene und im Zürcher Verfassungsrat habe ich schon eine Fraktion zusammen mit der EDU präsidiert, und das ist durchaus gut gegangen.

Ihre Partei diskutiert einen Verfassungsartikel, der das Christentum als Leitreligion enthält. Wie stehen Sie dazu?
Eine ganz wichtige Frage, die ich seit Jahren mit mir herumtrage. Ich bin mir aber nicht sicher, ob es in der Bundesverfassung einen solchen Artikel braucht. Dieses Anliegen ist eigentlich bereits in der Präambel, der Klammer für die ganze Verfassung, aufgenommen. Die Präambel ruft Gott den Allmächtigen an und stützt sich auf das christliche Erbe. Auch dass sich die Stärke eines Volkes am Wohl der Schwachen misst, wie es in der Verfassung heisst, ist ein christliches Anliegen. Ein neuer Artikel könnte allenfalls in Richtung Zusammenleben der Religionen und vor allem Respektieren der Menschenrechte und des Rechtsstaates gehen.

In welcher Verfassung ist die Schweiz heute?
In einer labilen! Unser Land ist nicht mehr klar verwurzelt in seinem Erbe und darum in der globalen Welt stark verunsichert.

Und wie wollen Sie dem Land helfen?
Ich möchte mithelfen, sozial und ökologisch nachhaltige Lösungen zu finden, damit meine Kinder und Enkelkinder eine lebenswerte Zukunft haben.

Maja Ingold, 62, verheiratet, drei erwachsene Kinder. Lehrerin, musikalische Früherzieherin, Legasthenietherapeutin. Seit 31. Mai als Nachfolgerin von Ruedi Aeschbacher Nationalrätin. Von 1986 bis 1997 Kirchenpflegerin in Oberwinterthur, von 1997 bis 2002 Gemeinderätin, von 2000 bis 2002 Zürcher Verfassungsrätin, von 2002 bis 2010 Stadträtin in Winterthur.

Datum: 11.06.2010
Autor: Andrea Vonlanthen
Quelle: ideaSpektrum Schweiz

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