Neujahr 2014

«Nur so kann aus dem Trend Wirklichkeit werden»

Livenet hat Führungskräfte in Kirchen, Werken und Mission gefragt, was ihnen im vergangenen Jahr aufgefallen ist und was die Zukunft 2014 bringen wird. Hier die Antworten von Fritz Peyer, Rektor des IGW International.
Fritz Peyer

Livenet: Was ist Ihnen in diesem Jahr in Kirche, Mission, Evangelisation besonders aufgefallen?
Fritz Peyer: Mich beeindrucken die lokalen Pastoren und Kirchen, die neu aufbrechen. Und davon gibt es nicht wenige. Oft steht am Anfang eine einfache Frage. Sie kann lauten: Was ist unsere Mission? Oder: Was ist unser Auftrag? Oder: Was will der Herr mit uns als Gemeinde? Diese Fragen wie auch die Aufbrüche sind für mich sehr verheissungsvoll. Denn sie knüpfen am Aufbruch Gottes zu den Menschen an. Die Berichte über solche aufbrechenden Gemeinden waren für mich sehr ermutigend.

Andererseits beobachte ich eine hektische Event-Tätigkeit. Jeder und alle müssen irgendwie einen wichtigen - oder gar den wichtigsten - Event auf die Beine stellen. Wir haben ein Überangebot, das meiner Meinung der lokalen Gemeinde schadet. Die Hälfte würde genügen. Und niemand würde es vermissen, wenn es nicht stattfinden würde.

Was hat Sie dabei besonders berührt?
Aus aktuellem Anlass eine regionale Veranstaltung. Die Wow-God-Tage in Sumiswald/Emmental. Es ist berührend, wie über 5'500 Jugendliche an den drei Abendveranstaltungen teilgenommen haben. Es war ein Fest für und mit Jesus.

Damit verbinde ich ein Zweites: Ich bin begeistert von unserer Jugend. Sie ist gesund. Sie will Jesus nachfolgen. Sie will Jesus bekannt machen. Sie lässt sich für das Reich Gottes begeistern. Das ist bedeutsam für die Gegenwart und die Zukunft der Kirche und ihren Auftrag in der Gesellschaft.

Gab es Ereignisse von globaler Dimension im säkularen Raum, die Ihnen besonders eingefahren sind?
Es ist das Ereignis in den Adventstagen, das jedermann und jedefrau berührt hat. Der Tod von Nelson Mandela, dem ersten schwarzen Präsidenten Südafrikas. Weltweit wurde durch seinen Tod seine Botschaft der Versöhnung zum globalen Thema. Man bedenke seine Karriere. In einem einfachen Dorf aufgewachsen, verschrieb er sich dem Kampf gegen die Rassentrennung in Südafrika, war 27 Jahre seines Lebens im Gefängnis, wurde im hohen Alter erster schwarzer Staatspräsident, schaffte den unblutigen Übergang von der Rassentrennung zur Gleichberechtigung, wurde Friedensnobelpreisträger. An seinem Grab ehrten ihn über 90 Staatspräsidenten. Rund eine Milliarde sahen die Trauerfeier im Fernseher. Sein Kampf für Gerechtigkeit und Versöhnung beherrschte während einer Woche die globale Presse. 

Es ist zu hoffen, dass sein Erbe – Kampf für Gerechtigkeit und Versöhnung – nicht zu schnell am Medienhimmel verglüht. Es braucht hier gerade Christen und Christinnen, die sein Erbe – das ja auch die Botschaft des Evangeliums ist – nämlich Versöhnung und Gerechtigkeit – aufnehmen und zum Thema in Politik und Gesellschaft machen.

Sehen Sie im Bereich von Gemeindebau, Mission  und Evangelisation Trends, welche für die Zukunft verheissungsvoll sein können?
Landes- und Freikirchen setzen sich ernsthaft mit der missionarischen Herausforderung auseinander. Dabei soll es nicht nur um Gemeindebau, Mission und/oder Evangelisation gehen. Das ist eine unstatthafte Einengung des Evangeliums. So sehe ich gerade auch Tendenzen, die Mission der Kirche umfassender als Verbreitung des Reiches Gottes zu begreifen und zu leben. Es ist da zu wünschen, dass es zu einer intensiven Zusammenarbeit national wie auch lokal kommt. Ja, diesem einem Ziel «Reich Gottes» muss alles andere untergeordnet werden. Nur so kann aus dem Trend Wirklichkeit werden.

Sehen Sie Themen und Entwicklungen, die in den kommenden Jahren besondere Aufmerksamkeit der Christen benötigen?
Ich nenne 3 Stichworte:

  • Vereinsamung: Der global Vernetzte ist ein einsamer Mensch. Die ältere Generation vereinsamt. Der christliche Glaube ist ein Beziehungsglaube. Hier haben Christen und Christinnen ein weites Feld, Beziehungen zu pflegen. Eine freundliche Zuneigung verwehrt niemand.
  • Individualisierung: Die Ich-Bezogenheit führt dazu, dass immer weniger sich dem Gemeinwohl verpflichtet sehen. Ich, jetzt, Ich. Dies ist in der Kirche nicht anders als in der Gesellschaft.
  • Globalisierung: Die Globalisierung führt zur einseitigen Bereicherung der westlichen Staaten. Unsere Brüder und Schwestern in Lateinamerika, Afrika und Asien gehen leer aus. Die einhergehende soziale Gerechtigkeit wächst und wird unweigerlich zu Kriegen führen. Krieg um Vorherrschaft, Krieg um Wasser, Krieg um die Ressourcen.

Wie könnten Kirchen, Werke und Verbände darauf reagieren?

  1. Kirchen, Werke und Verbände verlassen ihren Elfenbeinturm und leben und schenken den Menschen versöhnte Beziehungen.
  2. Sie schaffen und finanzieren ein gemeinsames Vordenker-Forum, deren Mitglieder an vorderster Front aktuelle und zukünftige Themen aufgreifen, mitdenken, mitgestalten und mitreden.
  3. Sie bündeln alle Kräfte und verzichten damit auf Alleingänge, um langfristig und nachhaltig das Reich Gottes zu fördern.
  4. Sie ermutigen und fördern ihre Mitglieder, Verantwortung in Gesellschaft, Politik und Kirche zu übernehmen.
  5. Sie unterstützen die lokalen Kirchen und ihre Leiterschaft in ihrem Bemühen, Reich Gottes vor Ort konkret zu leben und zu verkündigen.

Dr. Fritz Peyer-Müller (*1952) ist verheiratet und Vater eines Sohnes. Er ist Rektor des Instituts für Gemeindewachstum (IGW) International.

Datum: 02.01.2014
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet

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