Aus der Ölindustrie ins Pfarramt

Ein mutiger Vermittler für die anglikanische Kirchenspitze

Justin Welby soll der 105. Erzbischof von Canterbury und damit Oberhaupt der anglikanischen Weltgemeinschaft werden. Das Büro von Premier Cameron gab am 9. November die Ernennung Welbys durch die Queen bekannt.
Justin Welby

Der 56-Jährige machte eine «ölige» Karriere, bevor er 1987 einem inneren Ruf folgte und Pfarrer wurde. Er habe sich diesem Ruf nicht entziehen können, sagte Welby, Bischof der nordenglischen Diözese Durham, in einem Interview. Nach dem Besuch der Eliteschule Eton und einem Jura- und Geschichtsstudium hatte Welby elf Jahre lang für die Ölindustrie gearbeitet, unter anderem in Nigeria.

Gefahr nicht gescheut

In das westafrikanische Land kehrte er in den letzten Jahren, als er Pfarrer an der Kathedrale von Coventry und Dekan von Liverpool war, mehrfach zurück, um für soziale Gerechtigkeit einzutreten und bei Konflikten zu vermitteln. Kürzlich geriet er dabei in Lebensgefahr. Laut dem Daily Telegraph ist er für seinen Mut und tiefen Glauben bekannt. Im Juli hatte er dem «Guardian» gesagt, er strebe das Amt nicht an – er gehöre zu den dickeren Bischöfen in der Church of England.

Justin Welby, seit einem Jahr Bischof von Durham, ist verheiratet. Das erste von sechs Kindern, das seine Frau Caroline zur Welt brachte, kam bei einem Autounfall 1983 im Alter von sieben Monaten ums Leben. «Eine ganz dunkle Zeit» sei das für Caroline und ihn gewesen, «aber in merkwürdiger Weise hat sie uns Gott näher gebracht.» Welbys Mutter war einst Privatsekretärin von Winston Churchill, sein Vater verdiente Geld mit Whisky und verkaufte später Abendmahlswein.

Wirtschaftskompetenz

Welby soll das Amt von Rowan Williams (62) übernehmen, der nach zehn Jahren im März für Ende Jahr den Rücktritt angekündigt hatte. Zugute kommen wird ihm sowohl die Vertrautheit mit Nigeria, dessen anglikanische Kirche der Church of England selbstbewusst entgegentritt, wie die Business-Erfahrung. Welby gehört der Parlamentskommission zu Standards im Bankensektor an, die im Sommer nach dem Libor-Skandal eingesetzt wurde.

Auf der Homepage der Diözese Durham schrieb Welby vom Privileg, Verantwortung für die Kirche zu tragen «in einer Zeit geistlichen Hungers» mit «härtesten Aufgaben am härtesten Ort». Er befürwortet die Zulassung von Frauen zum Bischofsamt. Darüber will die Synode der britischen Staatskirche in der kommenden Woche entscheiden.

Datum: 12.11.2012
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet

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