Das Messopfer

Mittelalterliche katholische Theologie fürs 21. Jahrhundert

Messopfer
Papst Johannes Paul II.

Johannes Paul II. bezeichnet in seiner Enzyklika vom Gründonnerstag 2003 die Eucharistie als „heilbringende Gegenwart Jesu in der Gemeinschaft der Gläubigen und ihre geistliche Nahrung“. Sie sei „allerwertvollste Gut, das die Kirche auf ihrem Pilgerweg durch die Geschichte haben kann“.

Man könne nicht umhin, die diesbezüglichen Lehrtexte des Konzils von Trient (1545-64) zu bewundern: “Diese Seiten haben durch die nachfolgenden Jahrhunderte hindurch sowohl die Theologie als auch die Katechese geleitet, und noch immer sind sie dogmatischer Bezugspunkt für die fortwährende Erneuerung und für das Wachstum des Volkes Gottes im Glauben und in der Liebe zur heiligen Eucharistie“ (Abs. 9 der Enzyklika).

Liturgische Reform – und Verharren im Mittelalter

Die Liturgie-Reform des Zweiten Vatikanischen Konzils nach 1960 (Messe neu in den Volkssprachen) habe zwar eine „bewusstere, aktivere und fruchtbarere Teilnahme der Gläubigen am heiligen Opfer des Altares“ zur Folge gehabt.

Doch kritisiert der Papst „eine beinahe völlige Vernachlässigung des Kultes der eucharistischen Anbetung“ an gewissen Orten und Missbräuche, die die Bedeutung der Eucharistie verdunkelten: „Einmal seines Opfercharakters beraubt, wird das eucharistische Geheimnis so vollzogen, als ob es nicht den Sinn und den Wert eines Treffens zum brüderlichen Mahl übersteigen würde. Darüber hinaus ist gelegentlich die Notwendigkeit des Amtspriestertums, das in der apostolischen Sukzession gründet, verdunkelt...“ (Abs. 10). Der Zweck der Enzyklika ist deutlich: solche „inakzeptable Lehren und Praktiken“ zu bekämpfen.

Der Glaube rettet

Damit weist das katholische Oberhaupt, das auch Kirchenväter der Alten Kirche zitiert, zurück auf die Frontlinien des 16. Jahrhunderts. Seit der Zeit der Reformatoren glauben Protestanten, dass das Heil, die Rechtfertigung vor Gott, durch den Glauben des Herzens an das erlösende Werk von Christus kommt und mit dem Mund bekannt wird (Römer 10,9). Der Glaube an das verkündigte Evangelium genügt zur Rettung – ein Sakrament ist nicht vonnöten. Die Reformatoren brachen infolge dieser Erkenntnis mit dem Sakramentalismus Roms.

In der von Zwingli begründeten Zürcher reformierten Kirche wurden Brot und Wein gereicht „zum Andenken, zum Lob und zur Danksagung dafür, dass er für uns den Tod erlitten hat und dass er sein Blut vergossen hat, um unsere Sünden abzuwaschen“ (so die erste Zürcher Kirchenordnung von 1559). Laut dem Heidelberger Katechismus von 1563 werden die Gläubigen im heiligen Abendmahl „erinnert und versichert“, dass sie „an dem einigen Opfer Christi am Kreuz und allen seinen Gütern Gemeinschaft“ haben.

Das wiederkehrende Opfer – für Protestanten ein Skandal

Die damit unvereinbare katholische Lehre wird vom Papst bekräftigt, wenn er schreibt, die Eucharistie sei „nicht nur ein In-Erinnerung-rufen, sondern die sakramentale Wieder-Vergegenwärtigung dieses Geschehens. Sie ist das Kreuzesopfer, das durch die Jahrhunderte fortdauert.“ Die Enzyklika fährt fort: „Wenn die Kirche die heilige Eucharistie, das Gedenken des Todes und der Auferstehung ihres Herrn, feiert, wird dieses zentrale Geheimnis des Heils wirklich gegenwärtig gesetzt und es ‚vollzieht sich das Werk unserer Erlösung‘.“

Die Kirche, so schreibt der Papst weiter, „lebt unaufhörlich vom Erlösungsopfer, und ihm nähert sie sich nicht durch ein glaubensvolles Gedenken, sondern auch in einem aktuellen Kontakt, denn dieses Opfer kehrt als gegenwärtiges wieder. Es dauert auf sakramentale Weise in jeder Gemeinschaft fort, die es durch die Hände des geweihten Priesters darbringt. Auf diese Weise wendet die Eucharistie den Menschen von heute jene Versöhnung zu, die Christus ein für alle Mal der Menschheit zu jeder Zeit erlangt hat. In der Tat: ‚Das Opfer Christi und das Opfer der Eucharistie sind ein einziges Opfer‘“.

Der Papst unterstreicht, dass die Messe das Opfer des Kreuzes sakramental, „in gedenkender Darstellung“, gegenwärtig macht, und zitiert das Konzil von Trient: „Denn die Opfergabe ist ein und dieselbe; derselbe, der sich damals am Kreuze opferte, opfert sich jetzt durch den Dienst des Priesters; allein die Weise des Opferns ist verschieden“.

Der evangelische Heidelberger Katechismus von 1563, der als Reaktion auf die Lehren jenes Konzils entstand, verurteilte dieses Ineinander-Setzen von Christi Leiden und der Messfeier scharf: „Die Messe aber lehrt, dass die Lebendigen und die Toten nicht durch das Leiden Christi Vergebung der Sünden haben, es sei denn, dass Christus noch täglich für sie von den Messpriestern geopfert werde, und dass Christus leiblich unter der Gestalt des Brotes und Weines sei, und deshalb darin soll angebetet werden. Und ist also die Messe im Grunde nichts anderes, als eine Verleugnung des einigen Opfers und Leidens Jesu Christi und eine vermaledeite Abgötterei.“

Was Katholiken zu glauben haben – seit 1215

Entgegen der biblischen Lehre, wie sie Protestanten verstehen, bleibt für Katholiken verbindlich, was das Laterankonzil von 1215 beschlossen und das Konzil von Trient in seiner Verdammung der Lehre der Reformatoren bekräftigt hat (der Papst spricht von der „immer gültigen Lehre des Konzils von Trient“): „Durch die Konsekration des Brotes und Weines geschieht eine Verwandlung der ganzen Substanz des Brotes in die Substanz des Leibes unseres Herrn, und der ganzen Substanz des Weines in die Substanz seines Blutes.“

Katholiken haben zu glauben, wie Papst Paul VI. formulierte, dass „Brot und Wein der Substanz nach, unabhängig von unserem Denken, nach der Konsekration zu bestehen aufgehört haben, so daß nunmehr der anbetungswürdige Leib und das anbetungswürdige Blut unseres Herrn vor uns gegenwärtig sind unter den sakramentalen Gestalten von Brot und Wein“.

Im evangelischen Heidelberger Katechismus ist dagegen festgehalten, dass aus Brot und Wein im Abendmahl nicht „der wesentliche Leib und das Blut Christi wird“.

Der Papst sieht auch die Zukunft der katholischen Weltkirche durch die Feier der Eucharistie nach der alten Lehre bestimmt. Die Feier der Eucharistie sei „die Mitte des Wachstumsprozesses der Kirche“, wie das Zweite Vatikanische Konzil formulierte: „Sooft das Kreuzesopfer, in dem Christus, unser Osterlamm, dahingegeben wurde, auf dem Altar gefeiert wird, vollzieht sich das Werk unserer Erlösung.“

Allein der ordentlich geweihte Priester darf

Kurz: Katholiken glauben – haben zu glauben –, dass sich in jeder Messfeier das Opfer von Christus am Kreuz, das erlösende Wirkung hat, fortsetzt. Mit diesem für die römisch-katholische Tradition zentralen Geschehen ist auch die einzigartige Stellung des Priesters mit gegeben. Denn allein der katholisch geweihte Priester kann die Wandlung von Brot und Wein zu Leib und Blut Christi (die so genannte Transsubstantiation) mit den Einsetzungsworten, der Konsekration der Messliturgie bewirken.

Daher schreibt Johannes Paul II. mit ausdrücklichem Bezug auf das Laterankonzil von 1215: „Die Gemeinde, die zur Feier der Eucharistie zusammenkommt, benötigt unbedingt einen geweihten Priester, der ihr vorsteht, um wirklich eucharistische Versammlung sein zu können. Auf der anderen Seite ist die Gemeinde nicht in der Lage, sich selbst den geweihten Amtsträger zu geben. Dieser ist eine Gabe, die sie durch die auf die Apostel zurückgehende Sukzession der Bischöfe empfängt.“

Kein gemeinsames Abendmahl für Katholiken und Protestanten

Daraus folgt für die grosskirchliche Ökumene, für den vom Papst so genannten „Bereich der ökumenischen Aktivitäten“, Niederschmetterndes: Diese Nicht-Katholiken hätten „vor allem wegen des Fehlens des Weihesakramentes die ursprüngliche und vollständige Wirklichkeit (substantia) des eucharistischen Mysteriums nicht gewahrt . (...) Deshalb müssen die katholischen Gläubigen, wenn sie auch die religiösen Überzeugungen ihrer getrennten Brüder respektieren, sich von der Teilnahme an einer Kommunion fernhalten, die in ihren Feiern ausgeteilt wird, um nicht einer Zweideutigkeit über die Natur der Eucharistie Vorschub zu leisten und es demzufolge zu unterlassen, die Wahrheit klar zu bezeugen. Dies würde zu einer Verzögerung des Weges zur vollen sichtbaren Einheit führen“ (eine Einheit, die sich der polnische Papst nur in römischen Bahnen vorstellen kann).

Ob diese Argumente die Mehrheit der Katholiken in unseren Breitengraden noch überzeugen, darf bezweifelt werden. Der Vatikan hat indes die Welt im Blick, und in den meisten Weltteilen leben Katholiken nicht so ungezwungen mit Protestanten zusammen wie hierzulande. Der Bischof von Rom urteilt, dass die Messe nicht „durch ökumenische Wortgottesdienste oder durch gemeinsame Gebetstreffen mit Christen“ aus anderen Kirchen ersetzt werden kann.

Anspruch auf Gehorsam statt Brüderlichkeit

Die Kirchenleitung im Vatikan ist auch darum so stark ihrer Tradition verhaftet, weil sie sich als Garantin der Einheit der weltweiten Kirche Christi versteht. Diese Stellung würde durch Eucharistie-Kompromisse beschädigt. Ein gemeinsames Feiern, eine „Konzelebration wäre kein sinnvoller Weg und könnte sich vielmehr als ein Hindernis für das Erreichen der vollen Gemeinschaft erweisen, da sie den Sinn für die Entfernung vom Ziel verschleiert und Zweideutiges über die eine oder andere Glaubenswahrheit einführt oder dafür Vorschub leistet. Der Weg zur vollen Einheit kann nicht anders beschritten werden als in der Wahrheit.“

Allen Wünschen ökumenewilliger Katholiken – und der Berliner Kirchentags-Macher –wird „die Unmöglichkeit der gegenseitigen eucharistischen Teilnahme“ entgegengesetzt. Die Interkommunion bleibt „unmöglich, solange die sichtbaren Bande der kirchlichen Gemeinschaft nicht vollständig geknüpft sind“. Der Papst mahnt: „Auch in unseren Zeiten müsste der Gehorsam gegenüber den liturgischen Normen wiederentdeckt und als Spiegel und Zeugnis der einen und universalen Kirche, die in jeder Eucharistiefeier gegenwärtig gesetzt wird, geschätzt werden.“

Datum: 28.05.2003
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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