Nachgefragt

"Konf" ist keine Taufbestätigung mehr

In den evangelisch-reformierten Landeskirchen ist bezüglich Kindertaufe und Konfirmation einiges in Bewegung geraten und fordert von den Kirchenleitungen Toleranz und Flexibilität. Jugendliche gelangen zur Konfirmation, die nicht getauft sind. Andere empfangen die Glaubenstaufe. Zudem werden auch in der Landeskirche immer mehr Kleinkinder eingesegnet statt getauft, sodass beispielsweise die Berner ihre Kirchenordnung aufzulockern gedenken. Idea fragte bei allianznahen Pfarrerinnen und Pfarrern über ihren Umgang mit Konfirmanden nach.
Konfirmation

Jürg Buchegger ist Pfarrer in einer Landgemeinde weit oben im Zürcher Tösstal. Die Konfirmation fand hier am vergangenen Sonntag statt. 80 Prozent der ordentlich als Baby Getauften, so schätzt Buchegger, wollen jeweils die Konfirmation, mit sinkender Tendenz. Der Rest hat sich bereits früher von der Kirche verabschiedet, etwa durch den Austritt der Eltern oder durch Abmeldung vom Religionsunterricht in der Schule. Denn dieser muss zwei Jahre besucht worden sein, bevor die Teilnahme am Konfirmandenunterricht möglich ist.

Die Motivation, warum die Jugendlichen zum Bestätigungsfest der Säuglingstaufe schreiten, sei unterschiedlich, stellt Jürg Buchegger fest. Einigen ist es mit der Konfirmation ernst. Aber auch elterlicher Druck mag mitspielen, denn immerhin ist die Konfirmation im Dorf noch ein populäres Ereignis, an dem man in die Kirche geht. Der gemischte Chor singt, die grosse Kirche ist voll.

Die Konfirmation wird hier auch als Initiationsritus verstanden: Danach gilt man oder frau als erwachsen. Dass die oft namhaften bis übermässigen Geschenke mitspielen, die sich die Jugendlichen bei dieser Gelegenheit erhoffen, ist nach des Pfarrers Beobachtung unverkennbar.

Keine formelle Nachtaufe

Und wie hält es Buchegger mit der Taufe? Schliesslich hat auch er auf dem Land schon in jedem Jahrgang mindestens eine Person im Unterricht, die nicht getauft ist. Der ehemalige Präsident des Deutschschweizer Verbandes der Evangelischen Allianz geht hier einen pragmatischen Weg. Ungetaufte Jugendliche werden nicht einfach getauft wegen der Konfirmation. Die Glaubenstaufe ist ihm zu wichtig.

Kürzlich wünschte ein 10-jähriges Mädchen die Taufe, weil es als Kind nicht getauft worden ist. Da zögert Buchegger nicht zu taufen. Ansonsten konfirmiert er notfalls auch ohne Taufe oder tauft nach der Konfirmation, wenn der Jugendliche mit seinem persönlichen Glauben dann auch wirklich soweit ist. "Wenn die Kirche in den letzten Jahren schon jeden theologischen Gehalt aus der Konfirmation genommen hat, lasse ich mich dazu nicht mehr verpflichten", so der Dorfpfarrer.

Viele Kinder eingesegnet

Gegenprobe in der Stadt Zürich: Pfarrer Markus Keller von der reformierten Kirchgemeinde Hirzenbach nennt die gleiche Zahl. Auch da wollen mit leicht sinkender Tendenz vier Fünftel pro Jahrgang konfirmiert werden, verstanden als Abschluss des kirchlichen Unterrichts und als Zuspruch von Gottes Begleitung beim Übertritt in einen neuen Lebensabschnitt.

Keller hat dabei zwei bis vier Jugendliche pro Jahr, die nicht getauft sind. "Wir verstehen die Konfirmation nicht (mehr) als Bestätigung der Taufe", so der Pfarrer. Deshalb wird die Konfirmation in Hirzenbach auch ohne Taufe vollzogen. Dann nennt Markus Keller eine für landeskirchliche Verhältnisse erstaunliche Zahl: Gegen 50 Prozent der Kleinkinder empfangen anstelle der Säuglingstaufe die "Kinderfürbitte", wie die Kindersegnung in der Zürcher Kirche offiziell heisst.

Tendenzen, aber kein Rutsch

Aus den offiziellen Zahlen der Landeskirchen in der Schweiz sind noch keine erdrutschartigen Veränderungen spürbar. Die Zürcher Kirche hatte 2002 zwei Prozent weniger Konfirmationen als im Vorjahr und etwa sechs Prozent weniger Taufen, was mehr mit den unterschiedlich starken Jahrgängen, mit Fluktuation und Kirchenaustritten zu tun haben mag als mit einem spürbaren Trend bei Taufe und Konfirmation.

Die Zahl der Erwachsenentaufen ist von 21 auf 36 gestiegen, was bei 3353 Taufen kaum ins Gewicht fällt. Auch der Anteil der Kindereinsegnung anstelle der Säuglingstaufe sei "verschwindend klein", teilt die Kirche mit. Die Kirchgemeinde Hirzenbach muss eine Ausnahme sein.

In Basel Stadt sind es 22 Erwachsenentaufen, immerhin zehn Prozent aller Taufen, wobei 17 davon im Zusammenhang mit der Konfirmation stehen. In diesem Kanton, in dem die Kirche einen vom Staat unabhängigeren Kurs segelt, treten die abnehmenden Konfirmandenzahlen deutlicher in Erscheinung. Wurden 1999 noch 399 Konfirmationen gezählt, waren es im vergangenen Jahr gerade noch 293.

Die Einsegnungen von Säuglingen ist nach einem "Regelwerk" möglich und offenbar auch in der Praxis verbreitet. Roger Rohner, Pfarrer an der Gellertkirche Basels, hat dieses Jahr vier von 15 Jugendlichen, die nicht getauft sind und zur Konfirmation gelangen. Wenn er sie nicht tauft, muss auch Rohner keinen Weg des Ungehorsams gegenüber seiner Kirche gehen, denn die Taufe ist in Basel-Stadt keine Voraussetzung für die Konfirmation. Hingegen werden zwei Jahre Unterricht gefordert.

Der ebenfalls in der evangelischen Allianz aktive Pfarrer ist im Falle von Jugendlichen und Erwachsenen von der Glaubenstaufe überzeugt. Nur taufen wegen der Konfirmation würde er nicht. Wichtig ist Roger Rohner deshalb die Jugendarbeit. Zu seiner Freude sind ein schöner Teil seiner Konfirmanden dort aktiv und der Pfarrer hofft, dass nach dem Konfirmandenlager die Hälfte der Jugendlichen auch wirklich zu überzeugten Christen geworden ist.

"Trendwechsel" bei Kindertaufe in der Berner Kirche

Der Synodalrat, die Kirchenleitung der Reformierten Kirchen Bern-Jura, unterbreitet der Sommersynode Vorschläge für eine Änderung bei der Kindertaufe. Sie stellt in ihrem Bericht fest, immer mehr Eltern wollten ihre Kinder nicht mehr taufen lassen. Die Eltern verstünden die Taufe als Bekenntnis eines bestimmten Glaubens und dieses könnten sie nicht stellvertretend für ihr Kind übernehmen.

Weiter bedeute die Taufe für die Eltern die Aufnahme in die christliche Gemeinde und auch dieser Entscheid solle dem Kind überlassen werden, so der Synodalrat. Gleichzeitig wollten diese Eltern aber nicht auf die Segnung ihrer Kinder verzichten. Zunehmend seien deshalb Pfarrerinnen und Pfarrer bereit, Kindersegnungen zu vollziehen. Dafür gebe es bisher aber keine Grundlage in der Kirchenordnung. Einsegnungen von Kleinkindern sollten nach dem Willen der Kirchenleitung jetzt also möglich werden, wenn auch die Kindertaufe das Übliche bleiben solle. Das Kirchenparlament wird darüber im Juni debattieren.

Die Erwachsenentaufen nahmen in den Kantonen Bern, Jura und Solothurn etwas zu, wenn auch nicht dramatisch: 1998 waren es 31 von 5811, im letzten Jahr 54 von 4941. Die Konfirmationen nahmen im gleichen Zeitraum übrigens um rund 15 Prozent ab. Der Druck auf die Kindertaufe durch den Wunsch nach Einsegnung scheint aber doch stark zu sein, wenn der Synodalrat in seinem Bericht von einem "spürbaren Trendwechsel" spricht.

Konfirmation: keine bewusste Taufbestätigung mehr

Eine Nachfrage bei der Pfarrerin in der Berner Landgemeinde Meikirch bestätigt dies. Drei bis fünf Einsegnungen auf einen Jahrgang mit 20 Kindern zählt Marianne Hächler normalerweise. Heuer hatte sie nur ein Mädchen, das nicht getauft und zudem konfessionslos war. Und weil die Grossmutter auf die Konfirmation drängte, entschloss man sich, die Sache um ein Jahr zu verschieben. Das Mädchen wird nun in den Konfirmandenunterricht gehen, den Hächler "Glaubenskurs" nennt, und anschliessend getauft werden. Und wenn sich die Jugendliche nicht für den Glauben an Christus entscheiden wird? – Dann werde man mit den Eltern und der Grossmutter reden müssen. Marianne Hächler möchte nicht taufen ohne bewussten Glauben des Täuflings.

Gemäss Berner Kirchenordnung kann als Ausnahme "aus seelsorgerlichen Gründen" ohne Taufe konfirmiert werden. Daran halten sich die Pfarrerin und ihr Pfarrkollege in Meikirch. Die Konfirmation sei in der Regel ja keine bewusste Taufbestätigung mehr, also könne man von den Nichtgetauften auch nicht mehr verlangen, als von den anderen, so Hächler, "sonst dürfte ich nur die konfirmieren, die bewusst ihre Taufe im Nachhinein bestätigen."

"Konf" tut den Jungen gut

Die meisten von den Konfirmanden in Müllheim im Kanton Thurgau freuen sich auf die Konfirmation, sagt der Pfarrer. Es sei für sie ein wichtiges Fest, bei dem sie selbst mal im Mittelpunkt stünden, so Peter Keller, und das tue ihnen in dieser Entwicklungsphase der Pubertät mit vielen Selbstzweifeln, aufreibender Lehrstellensuche gut und stärke ihren Selbstwert enorm. Aber nur wenige sähen darin auch einen Entscheid für den Glauben.

Keller schätzt jenen Anteil auf 10 bis 20 Prozent. Nichtgetaufte hat der Pfarrer etwa in einem Fall pro Jahr, die meist aus freikirchlich geprägten Familien stammen. Da sucht er dann das Gespräch. Falls die Betroffenen die Taufe als Bekenntnis wagen wollen, bietet ihnen Keller die Taufe im Sinne einer Glaubenstaufe an. Wenn es nicht zur Taufe kommt, werden sie trotzdem konfirmiert, was auch die Thurgauer Kirchenordnung möglich macht. Interessant im Thurgau: Obwohl dort verhältnismässig viele Pfarrer und Pfarrerinnen in der evangelischen Allianz mitarbeiten und Verbindungen zu Freikirchen pflegen, kommt auf 40 Kindertaufen nur eine Einsegnung, bei gleich bleibender Tendenz.

Datum: 26.05.2003
Autor: Fritz Herrli
Quelle: idea Schweiz

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