Im falschen Bett erwischt - (Un)barmherziges Handeln in anderen Kulturen

Ein verheirateter Mitarbeiter einer Lokalgemeinde wird im Bett einer ledigen Mitarbeiterin erwischt. Wie (un)barmherzig geht die Gemeindeleitung mit den beiden um? Ein heisses Thema, das je nach Kultur anders angegangen wird. Missionare aus europäischen Kulturen sind gefordert, da Bibelauslegung und Gemeindeethik vom kulturellen Umfeld beeinflusst werden.

Alltag in der Mongolei

In der Mongolei gehört die oben genannte Situation zum Alltag. Es gäbe in den christlichen Gemeinden keine MitarbeiterInnen mehr, wenn alle bei Ehebruch aus der Gemeinde ausgeschlossen würden. Barmherziges Handeln ist angesagt. Dies schliesst aber nicht aus, dass mit den Betroffenen ihr Handeln besprochen wird. Nach einer definierten Zeit des Ausstandes, können beide wieder in der Gemeinde mitarbeiten.

Zudem sind Lügen und Unehrlichkeit im ganzen Land allgegenwärtig. Dadurch ist das gegenseitige Vertrauen auch in den christlichen Gemeinden nicht sehr gross. Das ganze wird erschwert, weil es in der mongolischen Kultur nicht üblich ist, Drittpersonen auf Fehlverhalten anzusprechen. Es geht in asiatischen Kulturen darum, dass niemand sein Gesicht (Ansehen, Image) verliert. So weiss Paul Rüfenacht auch nicht immer, ob Entscheide aus echter Barmherzigkeit gefällt werden oder nicht.

Darum bringt er ethische Themen in Gruppengesprächen auf den Tisch. Es geht ihm darum, die Mongolen zum Beispiel auf die Folgen des Lügens aufmerksam zu machen. Lügen haben Auswirkungen auf die Entwicklung der Familie, des ganzen Landes und dessen Wirtschaft. Die Gruppen erarbeiten die Fragen über Herkunft und Absicht der Lüge, Gottes Meinung zur Lüge und auch die Anteile der Kultur beim Lügen.

Betreuung in New Orleans

In den Slums von New Orleans betreibt Dagmar Müller (Interlaken/Luzern) mit einer lokalen Gemeinde zusammen eine Beratungsstelle für schwangere junge Frauen. Genannte Fallstudie ist auch in New Orleans ein Thema. Ganz allgemein gesagt ist eine weitere Mitarbeit der beiden Betroffenen möglich. Aber vorher muss eine längere seelsorgerliche Betreuung stattfinden. Es muss ihnen klar werden, dass sie einen Fehltritt begangen haben. Vor allem aber muss aufgearbeitet werden, warum es zu diesem Seitensprung kam.

Allgemein erlebt Dagmar viel Barmherzigkeit in New Orleans. Man wird weniger als ganze Person be- oder verurteilt, sondern nur die Handlung. Sie erlebt es befreiend, dass man als Person auch noch nach einem Fehlverhalten seinen Wert hat.

Keine Einzelfälle in Peru

Für Bernhard Wenk (exPeru Mission) schien es, als ob Seitensprünge, auch von Leitern, wie zur Kultur gehören. Da aber die Bibel andere Werte aufzeigt, prallen deren Aussagen auf die Gepflogenheiten der Kultur. In den Gemeinden wird Ehebruch nicht toleriert, aber der Wiedereinstieg in die Mitarbeit ist nach einer "caída" (Absturz) möglich.

Werner Schwegler (Cusco, Peru Mission) hat Erfahrungen mit solchen Situationen. Eine weitere Mitarbeit der beiden Betroffenen kommt dann in Frage, wenn sie Busse tun. Nach einer mindestens einjährigen Disziplin wird das Thema Mitarbeit wieder aktuell, sofern die Gemeinde einverstanden ist und die beiden sich nicht "herauslügen" wollen. Je nach Umständen kann es aber Jahre dauern, bis jemand wieder eine Gemeinde leiten kann. Das Ziel der Disziplin besteht laut Carole Gürtler (Iglesia Maranata, Cusco) darin, dass die Betroffenen durch seelsorgerliche Begleitung restauriert werden und ihre Beziehung zu Gott und der Gemeinde wieder stärken können. Carole weiss aus Erfahrung, dass in Cusco leider viele ungewollt schwangere Christinnen diese seelsorgerliche Hilfe nicht erhalten. Je nach Freikirche werden sie einfach "hinausgestellt". Die Schweizerin leidet darunter, weil sie in solchen Situationen barmherziger als einheimische Leiter handeln würde.

Kultur, Ethik und die Bibel

Alle Missionare werden mit Situationen konfrontiert, in denen sie anders als einheimische Leiter vorgehen würden. Je nach Situation wären sie barmherziger oder etwas strenger. Es kommt daher, weil die Auslegung der Bibel fest von der Kultur, Ethik und Wertvorstellung bestimmt wird. "Biblisches Handeln" ist dadurch sehr unterschiedlich. Unsere Missionare sind oft nicht direkt in den Gemeindeleitungen tätig, sondern in Schulung und Projektbegleitung. Einige übersetzen zwar die Bibel, aber das Vorgehen bei Ehebruch unter Mitarbeitern definieren die einheimischen Leiter selber.

Freunde fragen

Was tut die aufgestellte Carole Gürtler, wenn sie aus ihrem theologisch-kulturellen Verständnis her anders handeln würde als die Peruaner? "Oft beobachte ich zuerst ihre Haltungen in gewissen Situationen. Ich kann meine besten peruanischen Freunde fragen und ihnen auch meine Gefühle ausbreiten. Sie erklären mir dann, wie sie aus ihrer kulturellen Sicht die Sache beurteilen. So trete ich weniger ins Fettnäpfchen und verhindere, dass ich sie mit meinen voreiligen (Re)Aktionen schockiere. Manchmal stelle ich fest, dass für sie eine Handlung nicht so unbarmherzig erlebt wird wie ich sie erlebe."

Buchhinweis: Das beste Buch im deutschsprachigen Raum: "Fremde Kulturen" von Lothar Käser. Verlag Liebenzeller Mission, 1997.

Datum: 13.06.2002
Autor: Bernhard Wenk
Quelle: BewegungPlus Online

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