Zukunftsforschung

Warum Religion wichtiger wird

Religion wird in Zukunft weltweit wichtiger werden. Allerdings mit grossen regionalen Unterschieden. Darauf wies laut evangelischem Nachrichtenmagazin idea der Schweizer Religionswissenschaftler Prof. Georg Schmidhin. Er stellte für die Berliner Zentralstelle für Weltanschauungsfragen seinen Beitrag «Die Zukunft der Kirchen und Relig
Zukunftstrend: Gemeinden in Afrika und Asien sind am Wachsen.
Prof. Georg Schmid
Redaktor Hauke Burgarth

ionen» vor.Georg Schmid (74) leitet die «Evangelische Informationsstelle Kirchen – Sekten – Religionen» in der Schweiz. Der Religionswissenschaftler beleuchtet in seiner Studie «Die Zukunft der Religionen» aktuelle Trends der Weltreligionen – und sieht die Zukunft der christlichen Kirche gemässigt hoffnungsvoll.

Ärmere Kirche wächst

Die allseits beklagte Entkirchlichung Europas wird laut Schmid weiter fortschreiten. Dies bedeutet besonders für die evangelische und die katholische Kirche weiter sinkende Mitgliederzahlen. Ausnahmen sieht der Theologe hauptsächlich im freikirchlichen Bereich. «Wahrscheinlich besteht weltweit ein Zusammenhang zwischen wachsendem Wohlstand und abflauender Religiosität», konstatiert er. Allerdings ist dieser Niedergang in Europa keineswegs ein weltweites Phänomen, im Gegenteil: «Der Westen wird 'östlicher' und säkularer, der Osten und der Süden werden christlicher.» Damit unterstreicht Schmid die Wahrnehmung zahlreicher Kollegen, dass sich der Schwerpunkt des Christentums aus dem christlichen Abendland in die aussereuropäischen Schwellenländer verschiebt.

Islam verändert sich

Auch beim Islam werden steigender Wohlstand und Bildung zu einschneidenden Änderungen führen, erwartet Schmid. Dabei sieht er gegenläufige Trends: einerseits eine «Reislamisierung» und Abwehr westlicher Werte, andererseits eine «Deislamisierung», besonders durch Frauen und die – noch – schweigende Mehrheit der Muslime, denen der eigene Glaube oft nicht mehr plausibel erscheint. «Das noch weitgehende Schweigen der in ihrem Glauben verunsicherten oder von ihrem Glauben frustrierten Muslime darf nicht zur Annahme führen, dass alle Muslime zweifelsfrei zu ihrem Glauben stünden.»

Atheismus bietet keine Alternative

Trotz Entkirchlichung des Westens sieht Schmid in der Folge keine signifikante Aufwärtsentwicklung des Atheismus kommen. Dieser sei zwar eine «respektable weltanschauliche Option», habe aber keine echte Zukunft, weil seine Welt, die sich nur dem Zufall verdankt, den meisten zu sinnleer ist. «In den Religionen erahnen Menschen jenen Sinn, ohne den ihr Gemüt zu frieren beginnt.»

Wohltuende Relativierung

Eine der – jedenfalls im Idea-Bericht – unausgesprochenen Folgen von Schmids Beurteilung ist die neue weltweite Rolle der Kirche in Afrika und Asien. Fakt ist, dass die Gemeinde dort wächst. Gleichzeitig machen sich immer noch Gemeindewachstumsexperten aus der westlichen Welt auf den Weg in diese Schwellenländer, um dort ihre Wachstumsstrategien anzubieten, die hier bei uns schon längst nicht mehr fruchten. Wahrscheinlich wäre es richtiger, die Christen dort zu ermutigen, ihre eigenen Wege zu entwickeln – und dabei von ihnen zu lernen.

Inhalt statt Zukunft

Einschränkend tut der ganzen Diskussion um eine «Zukunft der Religion» ein Gedanke gut, den der evangelische Theologe Paul Tillich bereits in den 60er-Jahren äusserte: «Die Zukunft der Religion bedenken setzt voraus, dass die Religion ein historisches Phänomen sei, mit oder ohne Zukunft, mit längerem oder kürzerem Leben und mit der Möglichkeit ihres Untergangs oder ihrer Auflösung in andere Phänomene.» Bestimmte Formen können sich ändern, einzelne Denominationen können verschwinden, doch Tillich stellt klar, dass auch christliche «Religion in diesem Sinn lebt, solange der Mensch lebt; sie kann aus der menschlichen Geschichte nicht verschwinden, denn die Geschichte ohne Religion wäre nicht mehr menschliche Geschichte.»

Hat Religion Zukunft? Natürlich. Weil es Menschen gibt. Und weil Gott Gott bleibt.

Datum: 09.03.2015
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet / idea

Publireportage
Werbung
Livenet Service
Werbung