Ohne Mission geht es nicht – der Weltkirchenrat auf der Suche nach Power

Gastfreundschaft: Die Weltmissionskonferenz von Athen wurde in Genf vorbereitet.
Vitale Gemeinschaft: Evangelische Gemeinden ziehen junge Menschen an – auch in traditionell orthodoxen Gebieten wie Griechenland.
Im Zentrum Athens: Wie können Menschen in der Stadt Christus begegnen?
Mission ist mehr als Nächstenliebe: In Beni im Osten Kongos hat ein einheimisches christliches Hilfswerk mit Schweizer Unterstützung aus Blachen auch eine Kapelle errichtet.
Blick vom Areopag auf die Stadt Athen

Vom 10.-16. Mai führt der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) in Athen eine „Weltmissionskonferenz“ durch. Die 500 Delegierten diskutieren darüber, wie christliche Kirchen versöhnende und heilende Gemeinschaften sein können.

"In unserer globalisierten und zersplitterten Welt voller Konflikte und Spaltungen ist die Botschaft des Evangeliums von Heilung und Versöhnung überlebenswichtig", sagt die Vorsitzende der Weltmissionskonferenz, Ruth Bottoms aus Grossbritannien. Neben den sechs Plenarsitzungen – die erstmals live im Internet übertragen werden – haben die Teilnehmenden die Möglichkeit, sich in ungefähr 70 Workshops eingehend auszutauschen.

Dass fast ein Viertel der Teilnehmenden aus evangelikalen Bewegungen, Pfingstkirchen und der römisch-katholischen Kirche stammt, zeigt an: Der einladende ÖRK (der in der Krise steckt) wünscht Impulse von aussen. Trotzdem darf bezweifelt werden, dass die Versammlung die theologischen Fesseln abschütteln kann. Diese hat sich der Weltkirchenrat vor Jahrzehnten selbst angelegt, als er „Mission“ umdefinierte.

Delhi 1961: Heil auch ohne Christus

Durch die Entkolonialisierung nach dem Zweiten Weltkrieg geriet Mission im herkömmlichen Sinn (vom zivilisatorisch überlegenen Abendland in den Rest der Welt) in die Krise. Den meisten Theologen der westlichen Grosskirchen entfiel der Mut; sie suchten ein neues, gesellschaftlich weniger anstössiges Verständnis von Mission, wenn sie den Begriff nicht überhaupt zur Seite legten. An der dritten Vollversammlung des ÖRK in Neu-Delhi 1961 wurde der Internationale Missionsrat eingegliedert, der nach der ersten Weltmissionskonferenz in Edinburgh 1910 insgesamt fünf derartige Tagungen durchgeführt und damit die missionarische Arbeit auf dem Globus beflügelt hatte.

Zugleich brach die Genfer Bewegung mit der Tradition, indem sie festhielt, Christus offenbare sich auch in anderen Religionen so, dass ihm der Mensch ohne die direkte Kunde des Evangeliums begegnen und sein Heil in ihm finden könne. Mit Nicht-Christen sei das Gespräch aufzunehmen „im Bewusstsein, dass Christus durch uns zu ihnen und durch sie zu uns spricht“. Die Weichenstellung von 1961 versetzte den grosskirchlichen Missionen einen Schlag, von dem sie sich bis heute nicht erholt haben.

Berlin 1966: Neue Dynamik für die Weltmission

Bibelorientierte Christen wandten sich ab und protestierten. Billy Graham organisierte 1966 in Berlin einen ersten Weltkongress für Evangelisation. Die Frankfurter Erklärung zur Grundlagenkrise der Mission von 1970 stellte sich gegen die Tendenz, „Wesen und Aufgabe der Mission aus den gesellschaftspolitischen Analysen unserer Zeit und den Anfragen der nichtchristlichen Menschheit zu bestimmen“.

Am Lausanner Kongress für Weltmission im Sommer 1974 kristallisierte sich eine neue, global abgestützte Missionsbewegung. Die Lausanner Verpflichtung sprach von einem „neuen Zeitalter der Mission“ und bezog die jungen Kirchen des Südens in die Arbeit ein. Gemäss der Bibel und der christlichen Tradition bekannten die 2700 Delegierten Jesus als den einzigen Erlöser.

Lausanne 1974: Jesus „der einzige Mittler“

Artikel 3 der Erklärung hält fest: „Zwar wissen wir, daß alle Menschen aus der allgemeinen Offenbarung in der Natur Gott erkennen können, aber wir bestreiten, daß sie dies erretten kann, denn sie unterdrücken die Wahrheit durch Ungerechtigkeit. Als Herabsetzung Jesu Christi und des Evangeliums lehnen wir jeglichen Synkretismus ab und jeden Dialog, der vorgibt, daß Jesus Christus gleichermaßen durch alle Religionen und Ideologien spricht. Jesus Christus, wahrer Mensch und wahrer Gott, hat sich selbst als die einzige Erlösung für Sünder dahingegeben. Er ist der einzige Mittler zwischen Gott und Menschen.“

Der Lausanner Kongress wirkte als Katalysator; er befruchtete und dynamisierte die evangelische Weltmissionsbewegung ungemein, indem er die Kräfte bündelte.

San Antonio 1989: „Rettende Gegenwart Gottes“

Der Weltkirchenrat jedoch ging mit dem Prestige und Geld der Grosskirchen – und fasziniert von der Befreiungstheologie – seinen Weg weiter. Die Genfer Theologen glaubten und glauben nicht nur, dass in den Kulturen der Welt Spuren von dem, was Gott offenbart hat, zu finden sind, sondern sie sehen „Gottes rettende Gegenwart im religiösen Leben unserer Nachbarn“.

Der Weltkirchenrat will „Gottes rettender Kraft keine Schranken setzen“, auch wenn er „nicht auf einen anderen Heilsweg als Jesus Christus hinweisen kann“; so lauten die unscharfen und widersprüchlichen Formulierungen der vorletzten ökumenischen Weltmissionskonferenz von San Antonio (1989).

Mission wird „Gastfreundschaft“

Im neu erstellten ÖRK-Dokument über „Religiöse Vielfalt und christliches Selbstverständnis“ geht christliche Mission auf in Gastfreundschaft, Hospitality, für Menschen anderen Glaubens. (Die grundlegende Bibelstelle ist Hebräer 13,2.) Seit langem betonte man, dass Gott selbst daran sei, Menschen zu retten, und schob den Auftrag von Christus an seine Freunde, die Gute Nachricht in allen Völkern zu verkündigen, in den Hintergrund.

Schon Neu-Delhi gab den Ökumenikern stattdessen etwas Anderes auf: “die Weisheit, Liebe und Kraft, die Gott den Menschen anderer Religionen gegeben hat“, zu entdecken. Nun, 44 Jahre später, geht es darum, Weltgemeinschaft interreligiös zu stützen. “Praktische Gastfreundschaft und eine einladende Haltung gegenüber Fremden schaffen den Raum für gegenseitige Transformation und sogar Versöhnung”, heisst es im Dokument.

…und die Extremisten?

In Asien und Afrika haben wachsende christliche Gemeinden wie auch die scharfen Kontraste der Globalisierung zum Aufkommen intoleranter und extremistischer Bewegungen nicht nur von Muslimen, sondern auch von Hindus (Indien) und Buddhisten (Sri Lanka) beigetragen. Als Antwort darauf empfehlen die Fachleute der Genfer Ökumene in Athen interreligiöse Gastfreundschaft – und betonen Heilung und Versöhnung.

Die Veranstalter glauben, „dass Gott es möglich macht, zerbrochene Beziehungen zwischen Gott und den Menschen, zwischen Menschen, zwischen Kirchen, zwischen Völkern und zwischen Menschheit und Schöpfung wiederherzustellen“.

Athen 2005: Heilungsgottesdienste und Gang auf den Areopag

Die Konferenz zielt darauf ab, „geschützte/heilige Räume bereitzustellen, wo Gedanken, Theorien und Geschichten ausgetauscht werden können und wo Dialog stattfinden kann“. Laut ÖRK-Pressesprecher Juan Michel werden während der Konferenz „fünf Heilungsgottesdienste in den verschiedenen konfessionellen Traditionen stattfinden. Eine fast durchgehend geöffnete Kapelle wird einen Raum für individuelle oder Gruppengebete bieten. Die ganze Zeit über wird ein Team für seelsorgerliche und geistliche Orientierung bereit stehen.“

Am Sonntag, 15. Mai, wandern die Teilnehmenden sowie Mitglieder aus griechischen Gemeinden in einer Prozession für den Schluss- und Sendungsgottesdienst zum Areopag hinauf. Dorthin, wo vor fast zweitausend Jahren der Apostel Paulus den Athenern Jesus als den Auferstandenen und als künftigen Richter aller Völker verkündigte.

Mission: Kulturen dem Evangelium aussetzen und umgestalten

Auf dem Boden der Überzeugungen der Apostel hat die Lausanner Erklärung 1974 für die Weltmission in nicht-christlichen Kulturen Leitlinien formuliert: „…Weil der Mensch Gottes Geschöpf ist, birgt seine Kultur Schönheit und Güte in reichem Maße. Weil er aber gefallen ist, wurde alles durch Sünde befleckt. Manches geriet unter dämonischen Einfluß. Das Evangelium gibt keiner Kultur den Vorrang, sondern beurteilt alle Kulturen nach seinem eigenen Massstab der Wahrheit und Gerechtigkeit und erhebt absolute ethische Forderungen gegenüber jeder Kultur.“

Die Autoren waren dabei durchaus selbstkritisch: „Missionen haben allzuoft mit dem Evangelium eine fremde Kultur exportiert, und Gemeinden waren mitunter mehr an eine Kultur als an die Schrift gebunden. Evangelisten Christi müssen demütig danach trachten, sich selbst zu verleugnen, ohne ihre Persönlichkeit preiszugeben, um Diener anderer werden zu können. Die Gemeinden sollen Kultur umgestalten und bereichern, damit Gott verherrlicht wird.“

Datum: 19.04.2005
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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