Abschied vom Herrschaftsdenken

Den Kolonialismus im Ansatz überwinden

Die Entdecker aus Europa, die nach 1500 in Übersee Völker unterwarfen, taten dies als Christen. Die theologische Begründung dafür wirkt bis heute nach. Sie ist nun vom Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) förmlich verurteilt worden.
Entdecken und unterwerfen: Christoph Kolumbus wird von den spanischen Königen Fernando und Isabella 1492 beauftragt. Denkmal im südspanischen Cordoba.

Die «Doktrin der Entdeckung», die dazu diente, indigene Völker zu unterwerfen und zu kolonialisieren, steht «in grundsätzlichem Widerspruch zum Evangelium Jesu». Dies hat der ÖRK-Exekutivausschuss an seiner Tagung Mitte Februar in Bossey bei Genf festgehalten. Er weist die in der Doktrin enthaltene Auffassung zurück, dass «Christen allein aufgrund ihrer religiösen Identität einen moralischen und rechtlichen Anspruch haben, die Gebiete von indigenen Völkern zu erobern und in Besitz zu nehmen und die indigenen Völker zu beherrschen». Die Kirchen weltweit sollten diese Lehre zurückweisen, die die Versklavung überseeischer Völker im Namen des Christentums erlaubt habe.

Päpstliche Erlasse aus dem Spätmittelalter...

Ihren Ansatzpunkt hat die Doktrin laut ÖRK unter anderem in den Bullen, die Nikolaus V., der erste Humanist unter den Päpsten, 1452  und 1455 erliess. Die beiden Erlasse Dum Diversas und Romanus Pontifex erlaubten den Entdeckern, Ungläubige zu unterwerfen, zu versklaven und ihren Besitz zu nehmen, der an die christlichen Monarchen überging. Diese historische Grundlage hatte gemäss ÖRK unter anderem zur Folge, dass «Christoph Kolumbus den Auftrag erhielt, ferne Länder 'zu entdecken und zu erobern', 'zu unterwerfen und in Besitz zu nehmen'».

...wirken bis heute nach

Europäische Länder wie Spanien, Portugal, England, Frankreich und Holland wandten die Doktrin an. Sie fand auch Eingang in die Gesetzgebung der Vereinigten Staaten. Ein US-Urteil von 1823 wurde von Gerichten in Australien, Kanada und Neuseeland zitiert. Die gegenwärtige Lage der indigenen Völker in aller Welt ist laut dem ÖRK-Exekutivausschuss «das Ergebnis eines linearen Prozesses ‚legaler’ Präzedenzfälle, die ihren Ursprung in der Doktrin der Entdeckung haben und in innerstaatlicher Gesetzgebung und Politik kodifiziert wurden».

Rechte indigener Völker

Der ÖRK bekräftigt in diesem Zusammenhang das «Recht indigener Völker, im Besitz ihres traditionellen Landes oder Territoriums zu bleiben, dort zu leben, ihre Kultur zu bewahren und zu bereichern». Die «Doktrin der Entdeckung» wird im Mai das Ständige Forum für indigene Fragen der Vereinten Nationen (UNPFII) beschäftigen. Der Exekutivausschuss ruft Kirchen und ökumenische Organisationen auf, aktiv zu werden und sich am UNPFII-Prozess zu beteiligen.

Erklärung des ÖRK:
«Doktrin der Entdeckung»

Datum: 05.03.2012
Quelle: Livenet / ÖRK

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