Die Macht des Wortes: Zentralbibliothek Zürich zeigt den Theologen Bullinger

Der Nachfolger Zwinglis nach 1530
Der Historiker Christian Scheidegger hat die Ausstellung in der Zentralbibliothek Zürich gestaltet.
Eminenter Historiker: Bullingers Reformationschronik von 1567 (Abschrift)
Das Taufhemdchen des 1504 geborenen Heinrich Bullinger
Grosse Ausstrahlung nach England: In Zürich um 1550 gedruckte englische Bibel

Die Zentralbibliothek Zürich würdigt in einer eigenen Ausstellung das Wirken und die Bedeutung des Reformators Heinrich Bullinger. Dabei steht anders als in der farbigeren Ausstellung im Grossmünster der Theologe, Historiker und Schriftsteller im Vordergrund.

Heinrich Bullinger, vor 500 Jahren geboren, hat Zürich wie wenig andere geprägt. Die Ausstellung zeigt ihn als eine der wichtigsten Persönlichkeiten des reformierten Protestantismus. Das Zürcher Hoheitsgebiet verliess der Nachfolger Zwinglis in seiner 44-jährigen Amtszeit kaum, und doch wirkte er in ganz Europa – durch das Wort. Dies zu einer Zeit, da es keine Zeitungen und keine elektronischen Medien, auch noch keine Post gab.

Bei den Schriftdokumenten, die der Historiker Christian Scheidegger aus dem reichen Schatz der Zentralbibliothek schöpfen konnte, finden sich einzelne Bilder und – bewegend – das Taufhemdchen des kleinen Heinrich, der als Sohn des katholischen Priesters im aargauischen Bremgarten aufwuchs.

Reformation gestärkt

Eindrücklich zeigt die Ausstellung, wie prägnant sich der 27-jährige Bullinger in Zürich einführte. Es gelang ihm, das Werk Zwinglis – dessen Feinde, Luther inbegriffen, seinen gewaltsamen Tod als Gericht Gottes über die Zürcher Reformation überhaupt sahen – fortzuführen.

Bullinger rechtfertigte die neue Theologie und betrieb damit erfolgreich Kirchenpolitik. Mit dem Rat von Zürich erarbeitete er ein Modell des engen Zusammenwirkens von Staat und Kirche, das jahrhundertelang gültig blieb. Die Ausstellung zeigt das Titelblatt seiner Schrift „Vom prophetischen Amt“ von 1532.

Zürich umgestaltet

Die einfach gestalteten Vitrinen im Katalogsaal der Zentralbibliothek laden zum Lesen ein. Wer etwas Zeit nimmt, erahnt, wie die Stadt an der Limmat durch die evangelische Verkündigung umgeprägt wurde. Einst ein Kleinstädtchen, das kirchlich dem Bischof von Konstanz unterstand, emanzipierte sich Zürich und wurde zu einem Zentrum evangelischer Gelehrsamkeit und Träger des kulturellen Fortschritts, etwa durch sein Schul- und Sozialwesen.

Ratgeber für Menschen in ganz Europa

Bullinger stand einfachen Christen, Kirchenleitern, Fürsten und Prinzessinnen beratend zur Seite. Nicht weniger als 2000 Brief von ihm und etwa 10'000 an ihn sind erhalten! Berührend das dankbare Schreiben der englischen Thronfolgerin Jane Grey, die durch die Hand von Maria Stuart auf dem Schafott landete.

In der Vitrine liegt auch eine englische Bibel – in Zürich gedruckt. Bullingers theologische Werke gehörten zu den wichtigsten Lehrbüchern der ersten anglikanischen Pfarrergenerationen.

Herausragender Historiker und Publizist

Ein weiterer Akzent der Ausstellung ist Bullingers herausragende publizistische Tätigkeit. Er gehörte, weil er mit gleichgesinnten Persönlichkeiten in allen Teilen Europas in Verbindung stand, zu den bestinformierten Leuten seiner Zeit. Laut Christian Scheidegger wusste er als einer der ersten, was in der Bartholomäusnacht 1572 in Paris und ganz Frankreich geschah.

Wochen zuvor hatte er an den Führer der Hugenotten, Gaspard de Coligny, einen Brief geschrieben, der nun zu sehen ist. Der Zürcher Kirchenleiter wusste, wo Glaubensgenossen bedroht wurden, und half ihnen nach Kräften. Engländer, Italiener und Osteuropäer fanden an der Limmat Unterschlupf. Neben allem Tageswerk fand der Kirchenleiter, der wöchentlich mehrmals predigte, Zeit für umfangreiche Geschichtswerke wie die Reformationschronik.

Gemeinsames Bekennen macht stark

1549 verband Bullinger die Reformierten der Deutschschweiz mit Calvins Genf, dem anderen Gravitationszentrum der Schweizer Reformation. Und als nach 1565 sein privates Glaubensbekenntnis von zahlreichen Kirchen als gültiger Ausdruck ihres Glaubens angenommen wurde, war er auch kompromissbereit.

Wie in der Ausstellung zu sehen ist, strich er im Abendmahlskapitel den letzten Abschnitt. Grund: Die Berner wollten sich nicht auf Holzteller und –becher verpflichten, sondern bei ihrem edlen Gold- und Silbergeschirr bleiben…

Bullinger-Jubiläum in Zürich: www.der-nachfolger.ch

Datum: 16.10.2004
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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