Werkbuch

Ein reformiertes Bekenntnis?

Eine interkantonale Initativgruppe hat ein Werkbuch herausgegeben, das einen nationalen Gesprächsprozess im Blick auf ein reformiertes Bekenntnis auslösen soll.
Werkbuch Reformierte Bekenntnisse.

Die Abgeordneten der Mitgliedkirchen des Evangelischen Kirchenbundes SEK beauftragten den Rat des SEK im Sommer, das Werkbuch in allen Gemeinden zu verbreiten und den Diskussionsprozess in Gang zu setzen. Dass der SEK dann zum Vorgehen die Kirchenleitungen anfragte, löste bei den Initianten Unverständnis aus. Wie Livenet erfuhr, treffen derzeit am Sitz des SEK Adressen der Kirchgemeinden ein; jene Kirchenleitungen, die sich nicht melden, sollen erneut kontaktiert werden.

Mit Bekenntnis mehr Kirche?

Die Frage nach dem Bekenntnis ist zu wichtig, als dass sie von prozeduralem Hickhack überschattet werden dürfte. Es geht um die Mitte der Identität der Schweizer Reformierten: was den gemeinsamen Glauben ausmacht und wie er gemeinsam und öffentlich ausgedrückt werden soll.

Der spirituelle Kern rückt nach Jahrzehnten, in denen die Reformierten in der Gesellschaft mit Relevanz, Offenheit und Vielstimmigkeit glänzen wollten, wieder in den Fokus. Die Gruppe stellt im Eingang des Werkbuchs die Frage, ob die Reformierten in der Schweiz «weniger Kirche sind, weil wir kein Bekenntnis haben» (was weltweit der grosse und kaum verstandene Ausnahmefall ist!). «Oder wären wir mehr, wenn wir eines hätten?»

Vom langen Weg der Kirche inspiriert

Das 172-seitige Werkbuch ist von einer 12-köpfigen Arbeitsgruppe unter Leitung von Matthias Krieg, dem Leiter der Erwachsenenbildung der Zürcher Landeskirche, erstellt und deutsch und französisch herausgegeben worden. Es versammelt 19 Texte aus der Kirchengeschichte, vom Lobpreis des erniedrigten und erhöhten Christus im zweiten Kapitel des Philipperbriefs über altkirchliche Bekenntnisse und reformatorische Bekenntnisschriften bis hin zu modernen Texten (Schweizerische Evangelische Synode 1986, Südafrika 1986, US-Presbyterianer 1991, Genfer Glaubenserklärung 1992).

Eigener Vorschlag nach Kurt Marti

Die Gruppe hat aufgrund eines Gedichts des Berner Pfarrers und Lyrikers Kurt Marti selbst ein «Credo» erarbeitet. Dies geschah 2008 in Kappel bei Zug. Der Text fokussiert auf Christus als Befreier und mündet in einen Impuls, für Gerechtigkeit einzutreten. Jesus wird nicht als Sohn Gottes bezeichnet, sondern als sein «menschgewordenes Wort». Zum Ende der Zeiten ist wenig gesagt. Dies scheint dem Gedicht von Kurt Marti geschuldet, der formuliert hatte: «...an die Erfüllung des Lebens über unser Leben hinaus».

Die Initiativgruppe stellt ihr «Credo» (Text unten) im Werkbuch vor und lädt zur Diskussion ein, in der Hoffnung, dass bis zum Reformationsjubiläum 2019, fünfhunderte Jahre nach Zwinglis Amtsantritt in Zürich, ein konsensfähiges Bekenntnis gefunden wird.

An der Basis diskutieren

Wie die Verfasser schreiben, «möchte das Werkbuch den jeweils eigenen Charakter eines Bekenntnisses hervorheben, auch deshalb weil davon fürs eigene Bekennen so mancher Anreiz zu gewinnen ist. Die Aufbereitung und Kommentierung ... soll in der Gegenwart das gemeinsame Gespräch über den Glauben ermöglichen.» Genau dies sei reformiert: «dass keine zentrale Instanz den Glauben dekretiert und kein Einzelner den Glauben delegiert.»

In der Gruppe sei Begeisterung für die Texte gewachsen, ist zu lesen, und sie wolle etwas davon weitergeben. «Da haben Menschen ihren Glauben gelebt und sich dafür eingesetzt, das, was sie bewegt hat, in gute Worte zu fassen. Welche Worte haben wir?»

 

Das Credo von Kappel
Ich vertraue Gott,
der Liebe ist,
Schöpfer des Himmels und der Erde.

Ich glaube an Jesus,
Gottes menschgewordenes Wort,
Messias der Bedrängten und Unterdrückten,
der das Reich Gottes verkündet hat
und gekreuzigt wurde deswegen,
ausgeliefert wie wir der Vernichtung,
aber am dritten Tag auferstanden,
um weiterzuwirken für unsere Befreiung,
bis Gott alles in allem sein wird.

Ich vertraue auf den heiligen Geist,
der in uns lebt,
uns bewegt, einander zu vergeben,
uns zu Mitstreitern des Auferstandenen macht,
zu Schwestern und Brüdern derer,
die dürsten nach der Gerechtigkeit.
Und ich glaube an die Gemeinschaft
der weltweiten Kirche,
an den Frieden auf Erden,
an die Rettung der Toten
und an die Vollendung des Lebens
über unser Erkennen hinaus.

 

Reformierte Bekenntnisse
Ein Werkbuch
2009 TVZ Theologischer Verlag Zürich
ISBN 978-3-290-17512-2

Datum: 09.11.2009
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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