Die Wunder der Bibel im Bibliorama

Stiftshütte, Zelt der Begegnung
Jesaja-Rolle
Druckerpresse

In der letzten Woche war in Bauma im Zürcher Tösstal das Bibliorama zu sehen. Die grosse Wander-Ausstellung zeigt, in welchen Zeiten die Bibel entstand, wie sie überliefert und verbreitet wurde. Und sie lässt erahnen, was Menschen in den letzten 1500 Jahren dafür hergegeben haben, dass sie die Heilige Schrift lesen und anderen weitergeben konnten.

Gestaltet hat das Bibliorama Peter H. Uhlmann, Pfarrer der Stadtmission in Bern und Dozent für Kirchengeschichte am IGW in Zürich. Uhlmann begann mit 16 Jahren die Bibel zu lesen und fand bei Jesus Christus den Sinn des Lebens. Das ‚Bibliorama‘ ist in diesem Jahr noch in Wängi/TG, Oberägeri/ZG, Kerzers/FR und Erlinsbach/AG zu sehen. - Der folgende Durchgang durch die Ausstellung kann die Fülle des Dargestellten nur andeuten.

Die Welt der Patriarchen

Das erste Viertel der 41 bild- und textreichen Tafeln stellt das Alte und Neue Testament in den Zusammenhang der orientalischen Kulturen: Nach prächtigen Bildern zur Schöpfung wird Abrahams Herkunft mit dem Zikkurat, dem grossen Tempel seiner Geburtsstadt Ur im Südosten Mesopotamiens, verdeutlicht. Aus Ägypten, wo die Nachkommen Jakobs ein Volk wurden, wird der dreisprachige Stein von Rosette gezeigt und das Modell eines Getreidespeichers. Die Zehn Gebote sind aufgeführt, aber auch die Steinsäule mit den Gesetzen des babylonischen Königs Hamurabi aus dem 17. Jahrhundert vor Christus abgebildet – da wünschte man sich eine Gegenüberstellung ähnlicher Bestimmungen.

Die Tempel in Jerusalem

Einen Schwerpunkt setzt die Ausstellung bei den Tempeln, die von Salomo, Serubbabel und Herodes in Jerusalem erbaut wurden. Zeichnungen und ein fast 2 Meter langes Modell des Tempelbergs (Massstab 1:360 – das dazu gestellte Berner Münster im selben Massstab wirkrt klein) geben einen Eindruck von der monumentalen Pracht der Anlage, die der machtbewusste König errichten liess. Den Aufgang von Südwesten, bei der heutigen Klagemauer, bildete eine 15 Meter breite Treppe. 7'200 Priester und 9'600 Leviten sollen in Jerusalem amtiert haben.

Qumran, Galiläa und Jerusalem

Nicht fehlen dürfen die sensationellen Funde von Qumran am Toten Meer. Auf einen Schlag hatte die Bibelwissenschaft nach 1947 alttestamentliche Handschriften, die 1000 Jahre älter als die bisher bekannten waren. Sie bewiesen die erstaunliche Zuverlässigkeit der Textüberlieferung über die Jahrhunderte.

Die Welt von Jesus wird mit Landschaftsbildern von Galiläa und dem Kinneret-See anschaulich gemacht. Die Besucher erfahren aber auch Details zur Grausamkeit der Kreuzigung. In der Generation nach Jesus erreichte die Gewalt im jüdischen Lande den Höhepunkt: Das Bibliorama zeigt die Zerstörung der Tempelanlage durch die Römer, nur wenige Jahrzehnte nach ihrer Vollendung; sie streicht auch heraus, dass der Felsendom, um 691 von den Muslimen auf dem Tempelberg errichtet, keine Moschee ist, sondern als Schrein an der Stätte Moria verstanden wurde.

Vorstösse der Nestorianer – nach China

Von den Aposteln (und den ersten Christen überhaupt) gibt es keine zeitgenössischen Bilder; die Ausstellung behilft sich mit eindrücklichen Mosaiken aus Ravenna, um die Wirksamkeit der ersten Zeugen des Auferstandenen zu verdeutlichen. Zwischendurch verlässt die Ausstellung die bekannten Gefilde. Auf der Tafel über frühe Bibelübersetzungen ist zu lesen, dass bereits um 635 nestorianische Missionare in der chinesischen Hauptstadt Sianfu ankamen. Die Besucher sehen an drei Beispielen, wie der Gote Wulfila biblische Begriffe in seine germanische Sprachwelt übertrug. Eine Zeichnung der zentralasiatischen Hauptstadt Karakorum aus dem Mittelalter zeigt neben buddhistischen Tempeln auch eine Kirche.

Fürstenbibeln – und verfolgte Waldenser

Wer Musse hat, findet auf den Tafeln zum Mittelalter besonders viel neue Information: erste deutsche Bibelübersetzungen, fürstlich teure Prachtbibeln, das legendäre, um 800 entstandene keltische Book of Kells, aber auch das Los der Juden, die ihre Heilige Schrift, den Tenach, in einer zunehmend feindlichen europäischen Umgebung kopierten. Auf den folgenden Tafeln rückt das Bibliorama näher an die Zeit der Reformation heran: Zu sehen sind Armenbibeln und die Bewegung, die Wyclif auslöste.

Weiter bekommen die Besucher den Mut und die Entschlossenheit der Waldenser mit, die als Evangelisten unter die Leute gingen, sie durch ihre Lebensweise überzeugten – und regelmässig auf dem Scheiterhaufen endeten. Weil die Bibeln rar waren, lernten viele Waldenser wichtige Teile auswändig. Die Kirchensynode von Toulouse verbot im Jahr 1229 die Übersetzung der Heiligen Schrift in die Volkssprachen.

Gutenbergs epochale Erfindung

Als Gutenberg den Buchdruck erfand, setzte eine Entwicklung hin zum Lesen und zur Kommunikation ein, die Europa an die Spitze der zivilisatorischen Entwicklung katapultierte. Allerdings kosteten die ersten, von Hand reich verzierten Bibeln mehr als ein Bauerngut – sie waren für den Mann auf der Strasse unerschwinglich. Noch vor 1500 operierten in Deutschland mehrere Druckereien im Untergrund.

Eine der herausragenden Attraktionen des Biblioramas ist die grosse Druckerpresse: Sie druckt so, wie es in der frühen Neuzeit gang und gäbe war, den Psalm 23 – ein Blatt, das die Besucher für zwei Franken mit nach Hause nehmen können. Einige alte Bibeln sind in Vitrinen zu sehen – die grosse Bibel in der Braille-Blindenschrift können Klein und Gross abtasten.

Die Bibel lesen: lebensgefährlich

Das Bibliorama stellt die Bibelübersetzung durch Martin Luther vor und zeigt auf, dass der deutsche Reformator sein grosses Werk mehrfach überarbeitete. Weitere Bibelübersetzer der Reformationszeit in der Schweiz und im übrigen Europa werden kurz vorgestellt. Zur Verfolgung der standhaften Hugenotten in Frankreich finden sich die bekanntesten Bilder und Fakten.

Die erste Bibelgesellschaft

Zweihundert Jahre nach Luther war im protestantischen Europa die Bibel immer noch weitgehend ein Buch der Geistlichen. Dies änderte durch die Bewegung der Pietisten. Im Umkreis von August Herrmann Francke in Halle wurde im Jahr 1710 die erste Bibelgesellschaft gegründet. Der Freiherr von Canstein gab ihr den Namen – und sein Vermögen. Die ersten deutschen Missionare in Indien gaben vor bald 300 Jahren Gesundheit und Leben her für die Ausbreitung des Evangeliums.

Massenverbreitung – heute weltweit

Technische Fortschritte verbilligten den Druck von Bibeln und Bibelteilen. Mit der Gründung der ‚British and Foreign Bible Society‘ in London im Jahr 1804 begann ein neues Kapitel: die Massenverbreitung in grossen Teilen Europas und darüber hinaus. Kolporteure waren zu Fuss und mit dem Fahrrad unterwegs, um die Heilige Schrift von Haus zu Haus anzubieten. Oft wurden sie bedroht, beschimpft, gebüsst und verjagt – die Ausstellung hat einen Bussenkatalog aus dem Deutschland der 1850-er Jahre.

Heute sind Teile der Bibel weltweit in insgesamt 2300 Sprachen übersetzt – allerdings haben viele grosse Völker erst kleine Ausschnitte des Buchs der Bücher zu lesen bekommen. So werden Tausende von Bibelübersetzern gesucht!

Das Bibliorama – Einladung zur Entdeckungsreise

Das Bibliorama ist im ‚Jahr der Bibel‘ noch gar nicht ausgebucht, wie die Angaben auf der Webseite zeigen. Für den Ausstellungsort Bauma taten sich drei reformierte Kirchgemeinden, eine katholische Pfarrei und eine Chrischonagemeinde zusammen. Die Kirchen übernahmen die Kosten; so war der Eintritt kostenlos. Am Rand der Ausstellung im Saal des Restaurants Tanne wurden Erfrischungen serviert.

Die Kirchen haben mit dem Bibliorama der interessierten Bevölkerung – und Dutzenden von Schulklassen – vielfältige Einsichten in die Welt der Bibel ermöglicht. Und eingeladen zu dem Einen, das sich noch mehr lohnt: die Bibel selbst lesend zu entdecken.

Datum: 05.04.2003
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

Publireportage
Werbung
Livenet Service
Werbung