Auf Distanz

Jesus und der Beobachter

Von hoher Warte aus die Dinge überblicken, ohne sich selbst im Gewühl engagieren zu müssen, das wünschen sich viele. Darunter auch ein bekannter Abzocker aus dem Neuen Testament. Doch plötzlich ist er mittendrin – bei Jesus und seinen Leuten.
Jesus sieht Zachäus auf dem Baum.

Wer aus Distanz ein Ereignis mitbekommen will, nimmt es wahr, wird aber nicht mitgenommen. Kann sein, dass das Geschehen den Beobachter links liegen lässt. Kann sein, dass die Beobachterin sich fragen muss, ob sie wirklich gelebt oder bloss zugeschaut hat. Das ist ihr Risiko.

Am liebsten daheim

Der Zöllner Zachäus im Neuen Testament gehört aus wenigstens zwei Gründen zu den Beobachtern: Im Gedränge auf der Strasse fehlt ihm, dem Kleingewachsenen, der Überblick. Zudem hat er als oberster Zolleinnehmer der Stadt Jericho wenig Freunde. Mischt er sich unter die Leute, verfolgen ihn Blicke voll Bitterkeit und Neid; man zischelt hinter ihm her. Kein Wunder, dass er die Distanz vorzieht und am liebsten innerhalb der Mauern seines kühlen Hauses bleibt.

Doch heute geht das Gerücht um, der bekannte Wanderprediger aus Galiläa komme in die Stadt. Man erzählt, dass Jesus Menschen heile und die selbstgerechten Frömmler entlarve. Das möchte sich Zachäus (er und die Frommen haben gar nichts füreinander übrig) nicht entgehen lassen. Von seinem Haus aus kann er den Zug jedoch nicht beobachten. Er muss hinaus auf die Gasse. Am Weg, den Jesus nimmt, findet er einen Maulbeerfeigenbaum und steigt hinauf – perfekt für den Ausguck.

Im Gedränge …

In der Menge kommt Jesus kaum vorwärts. Von allen Seiten drängen Leute zu ihm, stellen ihm Fragen und erzählen ihm, was sie beschäftigt. Freundlich und erstaunlich gelassen geht Jesus auf sie ein. Zachäus, von den Blättern verdeckt, ist beeindruckt.

… der Blick nach oben

Unter dem Baum bleibt Jesus stehen. Warum blickt er nach oben? Wen sucht er denn, wenn so viele um ihn herum stehen und seine Aufmerksamkeit fordern? Offenbar hat Jesus ihn, den versteckten, distanzierten Beobachter, wahrgenommen. Und er ruft zu ihm hinauf: «Zachäus, los, komm herunter, denn heute muss ich in deinem Haus einkehren!» (Die Bibel, Lukas-Evangelium, Kapitel 19, Vers 5)

Vom Beobachter zum Gastgeber

Was will Zachäus anderes tun? Jesus ist stehengeblieben und hat ihn trotz der Zweige gesehen, ihn angesprochen. Mit einem Schlag ändert sich alles: Aus dem Beobachter wird ein – Gastgeber! Mit grosser Bestimmtheit hat sich Jesus bei ihm zu Hause angemeldet. Er soll nicht enttäuscht werden. «Eilends kam Zachäus hinunter und nahm ihn voller Freude auf.»

Erstaunlich: Zu allen Zeiten haben Menschen dasselbe erlebt wie Zachäus. Sie wollten Jesus aus Distanz beobachten – etwa indem sie in der Bibel lasen. Dabei hat er sich bei ihnen eingeladen. Und es war ihre Chance…

Datum: 01.02.2013
Autor: Peter Schmid
Quelle: Jesus.ch

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