Ex-Kommissionschef der EU

Jacques Delors: «Europa braucht mehr Spiritualität»

Der frühere EU-Kommissionspräsident Jacques Delors hat Europa eine Rückbesinnung auf seine religiösen Wurzeln empfohlen. Der Europapolitiker hofft auf mehr «spirituellen Schwung».
Der fühere EU-Kommissionschef Jaques Delors fordert Besinnung auf Religion.

Anlässlich des zehnjährigen Jubiläums der Euro-Einführung plädierte der 86-jährige dafür, Europas «Seele» zu reanimieren. «Wenn dieses Projekt nicht von spirituellem Schwung getragen wird, wird es nicht weit kommen», prophezeite Delors.

Für die aktuelle Krise auf dem Kontinent machte er den «extrem starken Individualismus» in der Gesellschaft mitverantwortlich. Dagegen brauche es mehr Religion. «Viele junge Leute sagen: Wir sind nur uns verantwortlich, allein wir beurteilen unser Handeln», so Delors. Die Erfahrung lehre jedoch, dass dies nicht immer erfolgreich gewesen sei.

«Glaube hilfreich für die Politik»

«Ich denke, dass der Niedergang der Religion zu einem Verlust an Lebenssinn und relativer Autonomie geführt hat», argumentiert der 86-jährige Delors. Bewusstsein von Gemeinschaft und Verbundenheit mit anderen – das würden die christlichen Konfessionen lehren.

Der Ex-Kommissionschef bekennt, dass Glaube auch in der politischen Arbeit hilfreich sei. Sein Glaube habe viel dazu beigetragen, dass er sich gegen Ungerechtigkeit zur Wehr gesetzt habe: «Wenn man seinem Leben einen Sinn gibt, wenn man mehr auf die anderen achtet und die Frage nach dem Morgen offenlässt, kann man ausgeglichener, glücklicher sein und helfen, die Gesellschaft besser zu machen.»

«Europa eine Seele geben»

Auf Initiative Delors kam es Mitte der 90er Jahre erstmals zu einem Treffen von Religionsführern mit EU-Repräsentanten. Bei der Gelegenheit warnte er: «Wenn wir es innerhalb von zehn Jahren nicht schaffen, Europa eine Seele zu geben, eine Spiritualität und einen Inhalt, dann ist das Spiel aus.» Auch das Programm «Europa eine Seele geben», aus dem Projekte zur ethischen und spirituellen Dimension der europäischen Einigung mit bescheidenen EU-Geldern gefördert wurden, geht auf Anregung von Delors zurück.

Der französische Sozialist stand von 1985 bis 1994 als Präsident an der Spitze der Brüsseler Behörde. In seiner Amtszeit wurden der Binnenmarkt vollendet und die Weichen für Wirtschafts- und Währungsunion und damit für die Einführung des Euro gestellt.

Buch zum Thema:
Hansjürg Stückelberger: Europas Aufstieg und Verrat. Eine christliche Deutung der Geschichte

Datum: 30.12.2011
Quelle: Livenet / epd / Kipa

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