Öffentlicher Raum ohne Religion

Französische Justiz verbietet Gemeinde Aufstellen einer Krippe

Der nordfranzösischen Gemeinde Montiers hat die Justiz das Aufstellen einer Krippe verboten. Die Richter gaben einem Kläger Recht, der unter Berufung auf das Prinzip der Trennung von Kirche und Staat gegen das Vorhaben vorgegangen war.
In Montiers im öffentlichen Raum nicht erwünscht: eine Weihnachtskrippe. (Foto: ipernity/Dirk)

Dies berichtete die Regionalzeitung "Courrier Picard" am Dienstag, 7. Dezember. Kommentatoren fürchten, der Fall könne Schule machen. Claude Debaye, pensionierter Lehrer und früherer Bürgermeister der Gemeinde, hatte in den Vorjahren bereits erreicht, dass die Krippe zwischen Kirche und Totendenkmal statt auf dem Marktplatz aufgestellt wurde.


Das reichte dem Freidenker aber noch nicht: Die Justiz gab ihm jetzt Recht und entschied, die religiöse Neutralität der Kommune gebiete, die Krippe auch dort zu entfernen. Der amtierende Bürgermeister Xavier Deneufbourg empörte sich laut "Courrier Picard", Debaye habe in seiner Amtszeit selbst Ostereiersuchen organisiert. Sein Vorgehen gegen die Krippe sei daher unverständlich.

Kommentar: Öffentlicher Raum ohne Religion – und Weihnachten

Das moderne Frankreich ist laizistisch: Der Staat hält sich (soweit er kann) von religiösen Angelegenheiten fern. Anderseits verwehrt er den Religionsgemeinschaften Einfluss in öffentlichen Angelegenheiten. Wird dieses Prinzip auf die Spitze getrieben, dann gibt es für die Weihnachtskrippe keinen Raum, nicht auf dem Marktplatz im Dorf, nicht einmal zwischen Kirche und Denkmal. Laizität à la française ist zu unterscheiden von religiöser Neutralität (wie sie etwa Indiens Verfassung festhält). Freidenkern gelingt es, das Wasser auf ihre Mühle zu leiten; so nimmt Laïcité Züge militanter Religionsfeindlichkeit an.

Aus welcher Quelle aber schöpft der Staat, der religiöse Beiträge religiöser Bürger und Gemeinschaften nicht gelten lässt, seine Werte fürs öffentliche Leben? Er erkühnt sich, sie aufgrund seiner Geschichte selbst zu bestimmen und zu entwickeln. Frankreich beruft sich auf die Ideale der Revolution von 1789. Doch Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit tönen hohl, wenn Maghrebiner, Schwarze und Roma ausgegrenzt werden.

Die Kantone der Schweiz stehen an unterschiedlichen Stellen zwischen den Polen, welche Frankreich und Deutschland markieren. In der Bundesrepublik wurde dem Christentum nach der Katastrophe des Dritten Reichs eine wertebegründende Rolle in der Öffentlichkeit zugestanden (die Landeskirchen führen schulischen Religionsunterricht). Hierzulande geben anhaltende Säkularisierungsbestrebungen, die Auseinandersetzungen der letzten Jahre (Krippenspiel und Weihnachtslieder in der Klasse, Bibel und Koran im Unterricht) und extreme Forderungen von kleinen Freidenkergruppen zu denken. Nähern wir uns Frankreich an?

Das Weihnachtsfest lässt sich im Kern nicht säkularisieren: Es geht um die Geburt des Gottessohnes, sein Liegen in der Krippe. Aber der Westen hat das Fest verfremdet. Die Krippe hat auf dem Dorfplatz keinen Platz, doch wird der Geschenk-Gedanke, der durch das Fest hindurch leuchtet, hemmungslos vermarktet. Wenn man sie zu Geld machen kann, sind religiöse Anklänge allemal willkommen. Fröhliche Weihnacht überall…
 

Datum: 09.12.2010
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet / Kipa

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