In der Hand der Taliban

«Plötzlich habe ich tiefen Frieden gespürt»

Georg Taubmann und sieben weitere Mitarbeiter der christlichen Hilfsorganisation Shelter Now wurden 2001 über drei Monate von den Taliban als Geisel genommen. Zehn Jahre später berichtet er über die Tage der Gefangenschaft und was sich seither in Afghanistan verändert hat.
Georg Taubmann

Georg Taubmann erinnert sich noch gut an den 5. August 2001: «Ich wollte unsere Mitarbeiter besuchen, um einfach zu sehen, wie es ihnen geht. Die Lage war sehr angespannt, zwei unserer Mitarbeiterinnen waren bereits verschwunden. Plötzlich ging eine Tür auf. Taliban stürmten raus und stürzten sich sofort auf mich. Sie zerrten mich in mein Auto, machten ein paar Anrufe und fuhren mit ins Gefängnis.»

Es folgte eine monatelange Geiselhaft in insgesamt fünf Verliessen, von denen eins schlimmer war als das andere. Man musste mit allem rechnen, mit Skorpionstichen, da die Gefangenen auf dem Boden lagen, aber auch mit Folter und sogar dem Tod. Taubmann: «Die meisten Leute waren angekettet. Es war sehr dunkel, feucht und kalt. Manchmal haben wir gehört, wie Menschen gefoltert wurden, wie sie schrien.»

Vorwand der Taliban-Haft war der Vorwurf, die Mitarbeiter von Shelter Now hätten Afghanen mit Geld und Hilfsgütern bestochen hätten, um sie zu bekehren. Später wurde klar, dass sie vielmehr im Zusammenhang mit den Terroranschlägen des 11. September 2001 als Geiseln herhalten mussten.

Auch Freunde unter den Taliban

Doch nicht alle Taliban waren gleich. «Wir hatten auch sehr enge Freunde unter den Taliban. Sie hatten gesehen, dass wir schon lange in Afghanistan arbeiteten und schätzen uns sehr.» Einige von ihnen boten Georg Taubmanns Frau nach seiner Verhaftung an, ihr bei der Flucht zu helfen.

Im November 2001, als Kabul bereits von den US-Soldaten umstellt ist, werden die acht Gefangenen nach Kandahar abtransportiert. Taubmann weiss, dass dies ihr Todesurteil ist. «Ich war sehr verzweifelt. In dem Augenblick hat eine meiner Mitarbeiterinnen angefangen, Bibelverse zu lesen, verschiedene Psalmen – und ich habe einfach zugehört. Es waren sehr ermutigende Verse, und ich habe plötzlich gemerkt, wie wieder Leben zurückgekommen ist. Dann haben alle im Auto angefangen zu singen, und wir haben plötzlich einen tiefen Frieden gespürt.»

Wundersam befreit

Durch einen Aufruhr gegen die Taliban in der Stadt Gassni werden Georg Taubmann und seine Mitarbeiter in der Nacht vom 14. zum 15.November 2001 auf wundersame Weise befreit und von US-Truppen nach Pakistan geflogen. Nach einem kurzen Aufenthalt in Deutschland kehrt er nach Afghanistan zurück, um seine Arbeit weiterzuführen.

Vieles hat sich verändert

In der Zwischenzeit hat sich in Afghanistan viel verändert. Obwohl in Teilen des Landes noch gekämpft wird, gibt es andere Gebiete, in denen es wieder aufwärts geht. Es werden nicht nur Strassen gebaut, sondern auch Tausende von Universitäten und Schulen, speziell Mädchenschulen. Auch Shelter Now hat in den vergangenen Jahren Schulen und Kliniken errichtet. Ausserdem helfen die Mitarbeiter den Einheimischen durch Mikrokredite, eine eigene Existenz aufzubauen.

Dabei sagen die Mitarbeiter ganz offen, dass sie eine christliche Organisation sind. Taubmann: «Wir sind Christen, und wir sprechen auch über unseren Glauben. Afghanen sind sehr stark an religiösen Dingen interessiert. Das ist für sie ein ganz wichtiger Bestandteil im Leben, und sie fragen uns, ob wir auch an Gott glauben, ob wir auch ein heiliges Buch haben. Wenn sie rausfinden, dass wir an Gott glauben, beten und die Bibel lesen, dann schätzen sie uns noch mehr.»

Zum Thema:
Interview mit Georg Taubmann auf Bibel-TV

Datum: 15.11.2011
Autor: Rebekka Schmidt
Quelle: Bibel TV/Livenet.ch

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