Geht es im neuen Zürcher Kirchengesetz um Sicherung von Privilegien?

Andreas Honegger

Statt mit einem neuen Kirchengesetz die Landeskirche weiterhin zu privilegieren hätte man im Kanton Zürich die Kirche besser in die Unabhängigkeit entlassen, findet Andreas Honegger. Der FDP-Kantonsrat ist ein früher Verfechter der Trennung von Kirche und Staat. Thomas Hanimann führte das Interview.

Thomas Hanimann: Was stört Sie am meisten am neuen Kirchengesetz?
Andreas Honegger: Es ist eigentlich nur das Absegnen eines Kuhhandels zwischen Regierung und Kirchen. Das Gesetz stärkt das Staatskirchentum noch. Die bisherige Rechtsgrundlage für die Zahlungen aus allgemeinen Steuermitteln waren die sogenannten "Historischen Rechtstitel". Diese hätten als Basis für den Transfer von so astronomischen Summen sicher keiner rechtlichen Überprüfung standgehalten. Nun sind diese kurzerhand durch einen in der Verfassung festgeschriebenen Anspruch auf einen Pauschalbezug der privilegierten Kirchen ersetzt worden. Das ist nichts anderes als eine Art Handstreich der kirchlichen und staatlichen Obrigkeiten, um die Privilegien auch für die Zukunft sicherzustellen.

Können Sie sich vorstellen, weiterhin eine vom Staat anerkannte Landeskirche zu haben?
Eigentlich hat sich der streng laizistische Staat jeder Einmischung in den freien "Markt" der Ideen und Religionen zu enthalten. Dennoch kann ich damit leben, wenn die Religionen als wichtige gesellschaftliche Organisationen vom Staat in einer Form wie etwa in Genf oder Neuenburg anerkannt werden. Damit dürften aber keinerlei Privilegien verbunden sein, schon gar keine finanziellen. Damit man mich richtig versteht: Dort, wo die Kirchen sozial im Dienste der ganzen Gesellschaft tätig sind, darf dieses Engagement – wie das aller anderen privaten Trägerschaften – auch subventioniert werden. Aber nur im Rahmen klar definierter Aufgaben und immer in Konkurrenz zu anderen Organisationen. Pauschale Zahlungen, wie sie das neue Kirchengesetz vorsieht, sind sicher unstatthaft.

Was wären die beiden wichtigsten Vorteile einer Trennung von Kirche und Staat?
Die konsequente Trennung von Kirche und Staat bringt eigentlich erst die völlige Religionsfreiheit und damit auch die Gedankenfreiheit, die in der Aufklärung ein so wichtiges Anliegen war und es heute noch ist. Wenn nach dem neuen Gesetz eine Aktiengesellschaft mit ausschliesslich jüdischen oder islamischen Aktionären (viele Familienunternehmen, Restaurants, Geschäfte) gezwungen wird, an die christlichen Kirchen Kirchensteuern zu entrichten, ist das ein Skandal. Wichtiger noch: Wir leben in einer Welt, in der Fanatismus und Orthodoxie wieder im Zunehmen sind. Das hängt mit der fatalen Bevölkerungsexplosion zusammen, die die Entwicklung in weiten Teilen der Welt immer wieder zunichte macht. Wir können unseren pluralistischen und freien Lebensstil und damit auch unsere demokratisch-liberale Gesellschaftsform nur gegen das Überhandnehmen von Extremismen verteidigen, wenn wir den Staat so gestalten, dass eines der wichtigsten Grundrechte die Neutralität des Staates gegenüber allen Religionen ist.

Ihre Prognose: Wird es in 20 Jahren noch eine Landeskirche geben? Wie wird die Kirche sein?
Ja, es wird auch in 20 Jahren noch Landeskirchen geben. Sie sollen sich ruhig weiterhin so nennen und ihre Traditionen pflegen, aber sie dürfen bis dann sicher keinerlei Privilegien mehr haben. Sie müssen lernen, ohne Hilfe des Staates zu bestehen.

Welcher Glaubensrichtung fühlen Sie sich am nächsten? Sind Sie noch Protestant?
Ich wurde in eine protestantische Zürcher Familie geboren, schätze die moderat zwinglianische Lebensweise der Zürcher und die protestantische Tradition, die uns half, Wohlstand und Freiheit für die ganze Gesellschaft zu erreichen. Gerade weil zu diesen Werten auch die Toleranz gehört, kann ich nicht verstehen, dass diese Kirche sich heute an ihren Privilegien festkrallt, statt selbstbewusst und freiwillig auf sie zu verzichten. Ich bezeichne mich als konfessionslos, stimme aber mit einem Augenzwinkern Gottfried Keller zu, der einmal sinngemäss geschrieben hat: "Bei Gott ist alles möglich – selbst dass er existiert." Auf jeden Fall halte ich den religiösen Bereich für etwas streng Privates. Sobald die Religionen öffentlich geworden sind, wurden sie instrumentalisiert zu gewaltigen Herrschaftsapparaten.

Die Abschaffung der öffentlichrechtlichen Anerkennung wird von vielen gefühlsmässig als "Verrat an den Kirchen" angesehen. Damit stünde einem Verkauf der Kirchen an die muslimische Gemeinschaft nichts mehr im Wege.
Die Kirchen wären viel gesünder, wenn sie nicht am Tropf des Staates hingen. Den Verkauf von Kirchen hindert die staatliche Anerkennung in keiner Weise. Was die Kirchen-Gebäude anbelangt, so stehen sie als markante Prägung des Ortsbildes an vielen Orten unter Schutz und zu Recht leistet der Staat Beiträge zum Erhalt dieser Kulturdenkmäler. So wenig ich mit den Kirchen am Hut habe, so sehr würde ich mich aus Gründen des Traditionserhaltes immer dafür einsetzen, dass die Kirchenglocken läuten. Das gibt – unabhängig von jeder Religion – ein Heimatgefühl, für das ich notfalls auf die Barrikaden gehen würde. Noch scheppert bei uns nicht der Lautsprecher vom Minarett, und damit das so bleibt, müssen wir den Staat von der Kirche trennen! Denn die Kräfteverhältnisse der Religionen sind in Bewegung, die einen nehmen rapide ab, die anderen schnell zu. Eine Gesellschaft, deren Spielregeln so angelegt sind, dass die stärksten Religionen privilegiert werden und entsprechend der Gesellschaft ihren Stempel aufdrücken können, wollen wir eben nicht.

Datum: 14.04.2003
Autor: Thomas Hanimann
Quelle: idea Schweiz

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