Riehener Seminar

Was ist eine gute Psychotherapie?

Was bringt eine Psychotherapie. Mehr Nutzen oder Schaden? Am Riehener Seminar fielen zu dieser Frage dezidierte Voten auf.
Roland Stettler
Michael Utsch
Riehener Seminar

Eine Lanze für die Psychotherapie brach der Psychiater und Oberarzt an der Klinik Sonnenhalde am Dienstag in Riehen, Roland Stettler. Immerhin würden heute nach seriösen Studien 65 Prozent der Patienten mit gutem Erfolg behandelt, sagte er am Dienstag (23.10.12) vor rund 800 Teilnehmenden im Konferenzzentrum St. Chrischona. Die Wirkung sei dabei um so besser, je gestörter die Patienten seien. Eine gute Psychotherapie müsse sich aber einer Qualitätssicherung unterwerfen, denn schliesslich gehe es um Gelder der Krankenkassen. Entscheidend für eine gute Therapie sei das Verhältnis von Therapeut und Patient. Dieses müsse von Wärme, Akzeptanz, Fürsorge und Anerkennung geprägt sein. Und die Therapie müsse in einem «kooperativen und empathischen» (mitfühlend -Red.) Klima stattfinden.

Gegen den Optimierungswahn

Kritischer äusserte sich der Theologe und Psychologe Michael Utsch von der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen in Berlin. Er kritisierte die «Psychotherapeutisierung der Seelsorge» und zitierte Woody Allan, der gesagt haben soll: «Ich gebe meinem Psychotherapeuten noch ein Jahr, dann pilgere ich nach Lourdes.» Für Utsch sind heute die Psychotherapeuten die «säkularen Priester».

Utsch kritisierte aber auch die Haltung der Patienten, die oft in einem «Optimierungswahn» lebten. Dies führe zu vielen Krankheitsdiagnosen und dazu, dass heute jeder vierte Mensch als psychisch krank gelte. Aber gerade die wichtigsten Fragen für das seelische Wohl könne die Psychotherapie nicht beantworten, nämlich die Fragen nach Sinn, Schuld und Tod. Dies habe aber dazu geführt, dass es heute viele weltanschaulich geprägte Angebote gebe.

Michael Utsch wies daher vor allem auf die Misserfolgsquote hin und betonte, jede fünfte Therapie werde vorzeitig abgebrochen, weil es zum Beispiel zu Spannungen zwischen Therapeut und Patient komme. Er ortet das Problem auch in persönlichen Defiziten von Therapeuten.

Kriterien für erfolgreiche Therapien

Er nannte dennoch Kriterien für eine erfolgreiche Psychotherapie. Bei den Patienten müsse der Leidensdruck gross genug sein, nachdem bewährte Mittel wie Sport, Wandern in der Natur oder Hobbys keine Besserung des persönlichen Befindens gebracht hätten. Dann müsse der Therapeut sorgfältig ausgewählt werden. Es brauche zudem die Einsicht, dass Glück und Erfolg nicht durch eine Therapie machbar seien. Und: Dass die Persönlichkeit eines Menschen gerade durch Krisen reifer wird.

Einig mit Stettler ist Utsch mit der Beobachtung, dass die Beziehung zwischen Patient und Therapeut von einem guten Klima geprägt sein muss, in dem beide gut zusammenarbeiten können und wollen, wenn die Therapie gut verlaufen soll.

Datum: 24.10.2012
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet

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