Die Sozialhilfe drückt auf die leeren Staatskassen – haben Christen Alternativen dazu?

Leere Kasse

Kürzlich trafen sich die Verantwortlichen für Sozialhilfe aus mehreren Schweizer Städten. Dabei wurde klar: Ähnlich wie die IV wird auch die Sozialhilfe zu einem Fass ohne Boden. Bei der Frage, wie man dieses Problem in den Griff bekommen könnte, herrscht weitgehend Ratlosigkeit.

Dazu ein Interview mit Robert Roth, Gründer und Leiter der Stiftung Weizenkorn und der Job Factory in Basel.

Thomas Hanimann: Welches sind die Ursachen der wachsenden Finanzierungs-Probleme bei der Sozialhilfe?
Robert Roth: Durch Ausgrenzung – Rationalisierung von Arbeitsplätzen oder Auslagerung einfacher Arbeit in Billiglohnländer – spart die Wirtschaft Milliardenbeträge. Bei uns gibt es im Grunde genommen zu wenig Arbeitsplätze. Um die daraus entstehende Ausgrenzung und Verelendung abzufangen, muss deshalb mindestens doppelt so viel Geld ausgegeben werden, wie die Wirtschaft durch Rationalisierung spart. Die heutige Maxime lautet jedoch: Optimierung und Privatisierung des Gewinns, aber Sozialisierung der Verluste. Dadurch werden zu viele Menschen in die Sozialhilfe oder IV verlagert. Die für Sozialhilfe ausgegebenen Beträge haben sich damit in zehn Jahren mindestens verdoppelt.

Macht die Sozialhilfe die Menschen abhängig?
In einem gewissen Sinne ja. Sie kriegen eine Art Mindestlohn. Damit sind aktive Arbeitnehmende in unteren Lohnklassen oft finanziell schlechter gestellt als Sozialhilfebezüger. Hier fehlen dann die Anreize, eine Tätigkeit aufzunehmen..

Kann ein System von Belohnung oder Bestrafung neue Anreize schaffen?
Belohnungen in einem kleineren Ausmass können sinnvoll sein. In Holland beispielsweise funktioniert ein solches System. Mit dem Bestrafungs/Belohnunssystem gerät man aber rasch in ein Dilemma. Wenn man Sozialhilfe kürzt, könnte es bald heissen: Hier werden die Leute in Armut geschickt.

Sie plädieren dafür, dass man Sozialhilfebezügern mehr Selbstverantwortung gibt.
Selbstverantwortung wäre zwar gut, aber mehr Arbeit gibt es dadurch nicht. Wichtiger wäre ein Umdenken bei den Unternehmern. Sie sollten mehr Willen haben, Menschen Arbeit zu geben, anstatt den kurzfristigen Gewinn zu optimieren. Es braucht Arbeitgeber und Investoren, die bereit sind, in Firmen mit einem sozialen Engagement zu investieren, damit auch für die Schwächeren unserer Gesellschaft Arbeitsplätze geschaffen werden können.

Die Verantwortung liegt damit allein auf der Arbeitgeberseite.
Nicht unbedingt. Viel liegt auch an einem verbreiteten falschen Toleranzverständnis. In unserer Gesellschaft muss einfach jede Lebensweise akzeptiert werden. Die massiven Kosten, die solche Lebensweisen manchmal verursachen, werden dabei nicht thematisiert.

Was könnten Christen anders machen?
Die Gesellschaft glorifiziert Stärke und will Leid und Schwäche verdrängen. Auch Christen denken leider vielfach in dieser liberalen Logik. Die Frage ist, ob man bereit ist, andere Muster zu entwerfen und zu leben. Mit anderen Worten: Ist man bereit, den Segen nicht zu privatisieren, sondern zu sozialisieren?

Mit einem kleinen Verzicht könnte viel gewonnen werden. Wenn zum Beispiel alle Berufstätigen in den oberen Gehaltsstufen auf fünf Prozent des Lohnes verzichten würden, könnten damit 200000 Leute beschäftigt werden. Übrigens könnten soziale Arbeitgeber bald auch auf der Gewinnerseite stehen. Ich bin überzeugt: Wer heute Arbeitsplätze anbieten kann, gewinnt an Einfluss und Chancen.

Das „Weizenkorn“ ist ein soziales Unternehmen mit rund 100 Arbeitsplätzen, davon 75 in geschütztem Rahmen. Die Stiftung Weizenkorn ist sowohl vom Bund wie auch von den Kantonen als geschützte Werkstatt und als Eingliederungsstätte anerkannt.

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DIE FRUCHT des Weizenkorns

Datum: 09.06.2004
Autor: Thomas Hanimann
Quelle: idea Schweiz

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