Dazu ein Interview mit Robert Roth, Gründer und Leiter der Stiftung Weizenkorn und der Job Factory in Basel. Thomas Hanimann: Welches sind die Ursachen der wachsenden Finanzierungs-Probleme bei der Sozialhilfe? Macht die Sozialhilfe die Menschen abhängig? Kann ein System von Belohnung oder Bestrafung neue Anreize schaffen? Sie plädieren dafür, dass man Sozialhilfebezügern mehr Selbstverantwortung gibt. Die Verantwortung liegt damit allein auf der Arbeitgeberseite. Was könnten Christen anders machen? Mit einem kleinen Verzicht könnte viel gewonnen werden. Wenn zum Beispiel alle Berufstätigen in den oberen Gehaltsstufen auf fünf Prozent des Lohnes verzichten würden, könnten damit 200000 Leute beschäftigt werden. Übrigens könnten soziale Arbeitgeber bald auch auf der Gewinnerseite stehen. Ich bin überzeugt: Wer heute Arbeitsplätze anbieten kann, gewinnt an Einfluss und Chancen. Das „Weizenkorn“ ist ein soziales Unternehmen mit rund 100 Arbeitsplätzen, davon 75 in geschütztem Rahmen. Die Stiftung Weizenkorn ist sowohl vom Bund wie auch von den Kantonen als geschützte Werkstatt und als Eingliederungsstätte anerkannt. Weiterer Artikel zum Thema:
Robert Roth: Durch Ausgrenzung – Rationalisierung von Arbeitsplätzen oder Auslagerung einfacher Arbeit in Billiglohnländer – spart die Wirtschaft Milliardenbeträge. Bei uns gibt es im Grunde genommen zu wenig Arbeitsplätze. Um die daraus entstehende Ausgrenzung und Verelendung abzufangen, muss deshalb mindestens doppelt so viel Geld ausgegeben werden, wie die Wirtschaft durch Rationalisierung spart. Die heutige Maxime lautet jedoch: Optimierung und Privatisierung des Gewinns, aber Sozialisierung der Verluste. Dadurch werden zu viele Menschen in die Sozialhilfe oder IV verlagert. Die für Sozialhilfe ausgegebenen Beträge haben sich damit in zehn Jahren mindestens verdoppelt.
In einem gewissen Sinne ja. Sie kriegen eine Art Mindestlohn. Damit sind aktive Arbeitnehmende in unteren Lohnklassen oft finanziell schlechter gestellt als Sozialhilfebezüger. Hier fehlen dann die Anreize, eine Tätigkeit aufzunehmen..
Belohnungen in einem kleineren Ausmass können sinnvoll sein. In Holland beispielsweise funktioniert ein solches System. Mit dem Bestrafungs/Belohnunssystem gerät man aber rasch in ein Dilemma. Wenn man Sozialhilfe kürzt, könnte es bald heissen: Hier werden die Leute in Armut geschickt.
Selbstverantwortung wäre zwar gut, aber mehr Arbeit gibt es dadurch nicht. Wichtiger wäre ein Umdenken bei den Unternehmern. Sie sollten mehr Willen haben, Menschen Arbeit zu geben, anstatt den kurzfristigen Gewinn zu optimieren. Es braucht Arbeitgeber und Investoren, die bereit sind, in Firmen mit einem sozialen Engagement zu investieren, damit auch für die Schwächeren unserer Gesellschaft Arbeitsplätze geschaffen werden können.
Nicht unbedingt. Viel liegt auch an einem verbreiteten falschen Toleranzverständnis. In unserer Gesellschaft muss einfach jede Lebensweise akzeptiert werden. Die massiven Kosten, die solche Lebensweisen manchmal verursachen, werden dabei nicht thematisiert.
Die Gesellschaft glorifiziert Stärke und will Leid und Schwäche verdrängen. Auch Christen denken leider vielfach in dieser liberalen Logik. Die Frage ist, ob man bereit ist, andere Muster zu entwerfen und zu leben. Mit anderen Worten: Ist man bereit, den Segen nicht zu privatisieren, sondern zu sozialisieren?
DIE FRUCHT des Weizenkorns
Datum: 09.06.2004
Autor: Thomas Hanimann
Quelle: idea Schweiz