Kommentar

Mit den Augen hören und mit den Gefühlen denken

Bernhard Ott, Präsident der Evangelischen Täufergemeinden (ETG), macht sich Gedanken zur aktuellen Bilder-, Gefühls- und Eventkultur. 
Bernhard Ott

Seit Monaten bewegt mich eine Aussage, die der indisch-amerikanische christliche Denker Ravi Zacharias anlässlich eines UN-Gebetsfrühstücks geäussert hat: «Wir leben in einer Zeit, in der immer mehr Menschen mit den Augen hören und mit den Gefühlen denken.» Ich lasse meine letzten Monate Revue passieren:

  •    ‚Worship’ und Predigt in christlichen Gottesdiensten erleben …
  •    Mit Dozenten an einem theologischen Seminar in Südindien diskutieren …
  •    Das mediale Vorspiel zu den Bundesratswahlen in der Schweiz verfolgen …
  •    Abende der Vereinigten Bibelgruppen (VBG) mit Studierenden an den Universitäten in Basel, Zürich und Luzern gestalten …
  •    Den Sieg des FC Basel über Manchester United am Fernsehen erleben …
  •    Ein Dissertationsmanuskript zum Thema «Bildung in der Postmoderne» begutachten …
  •    Eine Predigt für den 4. Advent vorbereiten …

Und immer wieder dieselbe Frage in meinem Kopf und in meinem Herzen: Was geschieht mit uns in einer Zeit, in der immer mehr Menschen mit den Augen hören und mit den Gefühlen denken? Wie können wir kommunizieren, wenn das Ringen um klare Aussagen out, und ‚mehrdeutige’ Bilder in sind? Worauf sollen wir das Leben gründen, wenn fundamentale Gedankengänge out und diffuse Gefühle in sind? Woran können wir uns orientieren, wenn überlieferte Texte out und spontan Erlebtes in ist?

Manche berufen sich dann auf das biblische Weisheitswort «Mensch, du sollst dich nicht auf deinen Verstand verlassen!» Gut! Aber es heisst doch nicht: «Mensch, du sollst deinen Verstand verlassen!»

Ich weiss, die gegenwärtige Bilder-, Gefühls- und Eventkultur ist nicht zuletzt eine Reaktion auf eine ‚verkopfte’ Vernunftskultur, welche den Tatbeweis, eine bessere Welt hervorzubringen, nicht erbringen konnte.

Was aber, wenn Wahrheit und Freiheit jenseits von Vernunft und Gefühlen liegen – so wie das Dietrich Bonhoeffer in seinem Gedicht «Stationen auf dem Weg zur Freiheit» vorschlägt: Nur wenn du deine emotionalen Begierden in ‚Zucht’ hältst und auch nicht in die Welt der Gedankengebäude fliehst, sondern hinaustrittst in den Sturm des Geschehens und handelst – «nur von Gottes Gebot und deinem Glauben getragen» – wirst du die Freiheit finden.

Genauso sagt es Jesus am Schluss der Bergpredigt: Wer auf die Worte Gottes hört und danach tut hat auf Fels gebaut (Die Bibel, Matthäusevangelium Kapitel 7, Vers 24)!

Dr. Bernhard Ott ist Präsident des Bundes der Evangelischen Täufergemeinden und Dozent am Theologischen Seminar Bienenberg

Datum: 14.12.2011
Autor: Bernhard Ott
Quelle: Livenet

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