Ethik

«Religion ist gut für die Wirtschaft»

Wer wirtschaftlich erfolgreich sein will, muss den Gegner überlisten und mehr an sich selbst denken als an den anderen, lautet eine weit verbreitete Ansicht. Doch ist diese Sichtweise richtig? Im Gegenteil! Das meinen zwei Wissenschaftler von der Harvard University.
Betender Banker
Robert Barro und Rachel McCleary.

«Wer an ein Leben nach dem Tod und an die Erlösung glaubt, für den mögen gewisse Anreize für ein bestimmtes Verhalten bestehen, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, nach dem Tod in den Himmel zu kommen. Dieses Verhalten mag einen positiven Einfluss auf die Produktivität und damit auf das Einkommen und den Wohlstand haben.» Dieser Theorie gingen die Wissenschaftler Robert Barro und Rachel McCleary nach.

Barro ist einer der bedeutendsten und einflussreichsten Ökonomen der Gegenwart, er lehrt und forscht an der Harvard-Universität bei Boston. Viele halten ihn für einen Anwärter auf den Nobelpreis. McCleary ist seine Ehefrau, Religionswissenschaftlerin und Politologin, und ebenfalls an der Harvard University tätig.

Sie untersuchten den wirtschaftlichen Nutzen der Religion und die Kosten des Kirchgangs. «Dinge wie Fleiss, Rechtschaffenheit, Gastfreundschaft, Toleranz und Offenheit können sogar eine Rolle mit Blick auf den internationalen Handel spielen», sind die beiden Wissenschaftler überzeugt.

Glaube wichtiger als Kirchenzugehörigkeit

«Religion ist gut für die Wirtschaft», sagt Barro. Doch unterscheiden die beiden Amerikaner zwischen dem Glauben an sich und der Zugehörigkeit zu einer Kirche. Während Soziologen Religion wie die Zugehörigkeit zu einem Verein behandeln und oft als eine Art, «soziales Kapital» verstehen, ist Religion für McCleary «etwas Einzigartiges, eben weil Glaube Menschen motivieren kann, in einer bestimmten Weise zu handeln».

Ausserdem kosteten kirchliche Aktivitäten ja auch Zeit, die wiederum ja eigentlich auch «produktiv» genutzt werden könnte. «Beispielsweise zur Erzielung zusätzlichen Einkommens», sagt McCleary. «Die entscheidende Grösse für das Wachstum ist eher der Glaube als die Zugehörigkeit zu einer kirchlichen Organisation.»

Werte spielen eine Rolle

Aber natürlich spielen auch Faktoren wie der Aufbau sozialer Verbindungen sowie «Werte wie Vertrauen und Ehrlichkeit» im Leben eines Gläubigen eine Rolle. Den Wissenschaftlern ist klar, dass «über längere Zeiträume auch ein Zusammenhang zwischen dem Besuch in der Kirche und dem Glauben besteht.» Die Folge für Europa etwa sei es wahrscheinlich, dass die Religiosität abnehme, wenn die Zahl der Kirchenmitglieder weiter rückläufig sei.

Ihre Auffassung knüpft an den Gedanken des deutschen Soziologen und Ökonomen Max Weber (1864-1920), der einen Zusammenhang zwischen dem Protestantismus und Wirtschaftswachstum ausmachte. Für Weber führte der Protestantismus sogar zu mehr Wohlstand als der Katholizismus.

Religiös und erfolgreich

Barro und McCleary prüften diese Hypothese an verschiedenen Ländern. Barro: «Länder wie die Vereinigten Staaten oder Irland, aber auch Singapur florieren und haben zugleich eine recht gläubige Bevölkerung.» Ein wichtiger Grund für den Aufschwung der industriellen Revolution waren zudem nach Meinung McClearys die Quäker in England.

Die Wissenschaftler stellen sich gegen die Ansicht, Religion und Wirtschaft seien grundsätzlich eher entgegengesetzt. «Jene Religionen, die bis heute überlebt haben, können nicht allzu wirtschaftsfeindlich eingestellt sein. Andernfalls gäbe es sie schlicht nicht mehr.»


Buch zum Thema:
Stephan Holthaus: Mit Werten führen

Datum: 29.05.2007
Quelle: Kep/Pro

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