Eine «Liebesstrafe»?

Reformierte Präsidenten lehnen Familieninitiative ab

Wer sollte sich intensiver für eine Volksinitiative einsetzen, welche die steuerliche Benachteiligung von Ehepaaren beseitigen und die klassische Definition der Ehe festschreiben will als die Kirchen? Sollte man meinen...
Trauung

Während die katholische Bischofskonferenz einhellig die Initiative der CVP unterstützt, kommt von reformierten Kirchenpräsidenten Einspruch. Die drei reformierten Kirchenratspräsidenten von St. Gallen, Basel-Land und Zürich lehnen die Initiative ab.

Die «Familieninitiative» der CVP will nicht nur die steuerliche Benachteiligung von Ehepaaren gegenüber Konkubinatspaaren abschaffen, sondern auch die klassische und nach wie vor international anerkannte Definition der Ehe als einer Verbindung von Mann und Frau in die Verfassung schreiben. Das ärgert nicht nur linke und linksliberale Parteien sowie Interessengruppen, sondern auch reformierte Kirchenrepräsentanten, die allerdings betonen, dass sie ihre eigene Meinung äussern.

«Engführung»

So Martin Stingelin, Kirchenratspräsident der reformierten Kirche Basel-Land. Er sagt gegenüber der Agentur ref.ch: «Ich lehne die Initiative klar ab, weil sie eine Steuerfrage und eine Ehedefinition vermischt. Die Frage nach der Steuergerechtigkeit ist sinnvoll, die Definition der Ehe auf Mann und Frau ist aber eine Engführung, die für mich nicht stimmt.»

«Rückwärtsgewandt»

Martin Schmidt, Kirchenratspräsident von St. Gallen, äussert einerseits Verständnis für das finanzielle Anliegen der Initiative: «Dass Lebensgemeinschaften und die Ehe grundsätzlich geschützt und finanziell nicht bestraft werden sollen, halte ich für richtig. Das Signal, in einer immer individualisierten Gesellschaft Paare stärker zur Kasse zu bitten als Einzelpersonen, ist meiner Meinung nach falsch», so Schmidt. Dass bei einer solchen Lebensgemeinschaft allerdings nur diejenige zwischen Mann und Frau im Blick ist und so in der Verfassung festgehalten werden soll, findet er rückwärtsgewandt und auch (kirchen-)politisch problematisch.

Geld vor Ethik

Auch Michel Müller, Kirchenratspräsident von Zürich, ist gegen die Initiative: «Sie beinhaltet aus meiner Sicht zwei Themen, die zwar zusammengehören, aber doch eine je eigene Diskussion verdient hätten. Ich bedaure, dass es bei einer Annahme der Initiative zu keiner gesellschaftlichen Diskussion über das Wesen der Ehe in Zukunft kommen kann. Und dies, obwohl die meisten Leute der Initiative wohl eher aus finanziellen und nicht aus ethischen Gründen zustimmen.»

Gerade in der reformierten Kirche habe in letzter Zeit eine ernstzunehmende Diskussion über das Thema «Ehe für alle» begonnen, also die «Ausdehnung des Ehebegriffs auf insbesondere gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften». «Diese Diskussion ist noch nicht abgeschlossen, wird aber durch die sogenannte «Heiratsstrafe» überlagert.» Müller fragt sich, ob die Abschaffung der Heiratsstrafe nicht zu einer «Liebesstrafe» beziehungsweise zu einer neuen Diskriminierung führt.

Die drei Kirchenpräsidenten betonen indessen, dass sie ihre eigene Meinung und nicht diejenige ihrer Kirche oder ihres Kirchenrates äussern.

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Datum: 05.02.2016
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet

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