Studie von StopArmut

Lücke zwischen Wissen und Handeln schliessen

Anna-Lena Moselewski und Tobias Faix haben die Studie durchgeführt.
An der Konferenz zum 20. Jubiläum der Sensibilisierungskampagne «StopArmut» in Biel wurde eine Studie über die Verbindung zwischen Theologie, Spiritualität und Gerechtigkeit sowie Nachhaltigkeit diskutiert und vorgestellt.

Matthieu Dobler Paganoni, Hauptverantwortlicher der StopArmut-Konferenz, zeigte sich über die Ergebnisse der Studie positiv überrascht: «Ich habe nicht direkt mit einer so hohen Zustimmung gerechnet, dass der Glaube zum Einsatz für Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit motiviert und sich die Kirche hier engagieren soll. In der Sensibilisierungsarbeit von StopArmut in den Kirchen erleben wir durchaus auch, dass das Thema in der Praxis manchmal einen eher schweren Stand hat.»

Auf diesen «Knowledge-Action-Gap» machte auch Nationalratspräsident Eric Nussbaumer in seinem Eröffnungsreferat aufmerksam. Diese Lücke tritt auf, wenn das Wissen, Werte oder Einstellungen einer Person nicht mit ihren Handlungen übereinstimmen. «Die Studie zeigt, dass viele der sozialen Gerechtigkeit eine hohe Bedeutung beimessen. Der Glaube ermutigt sie, sich für soziale Gerechtigkeit einzusetzen. Dennoch räumt eine Mehrheit ein, sich im Alltag nicht immer entsprechend zu verhalten. Auch beim Thema Nachhaltigkeit zeigt sich dieser Zwiespalt.» Als Parlamentarier wies Nussbaumer darauf hin, dass die Lücke zwischen Wissen und Handeln durch rechtliche Vorgaben und finanzielle Anreize teilweise behoben werden kann. Doch geschehe bisher wenig: «Unsere Konsumgewohnheiten spielen hier eine Rolle. Es braucht Energie und Willenskraft, etwas dagegen zu unternehmen.» Der «Knowledge-Action-Gap» mache ihm aber auch Hoffnung, sagte Nussbaumer: «Eine Lücke, die erkannt wird, kann auch geschlossen werden. An gutem Willen mangelt es nicht, wie die Umfrage gezeigt hat. Ich hoffe, dass die Studie hilft, die Lücke zu schliessen – damit die Diskrepanz zwischen Wissen und Handeln verschwindet.»

Mittelgrosse Sorgen um den Klimawandel

Der christliche Glaube ist ein Motivationsfaktor für den Einsatz für soziale Gerechtigkeit. Die beiden Fragen «Ermutigt dich der christliche Glaube, dich für soziale Gerechtigkeit einzusetzen?» und «Soll sich die Kirche für Nachhaltigkeit einsetzen?» ergaben 90 Prozent und mehr Zustimmung. Der Klimawandel, Wetterextreme und die Frage nach der Zukunft beschäftigen auch die Kirchen. Was die 17 UN-Nachhaltigkeitsziele «Sustainable Development Goals» (SDG) betrifft, sind sie bei rund der Hälfte der Studienteilnehmenden bekannt. Ein Drittel hat nicht nur davon gehört, sondern könnte sie auch anderen erklären. Gemäss Tobias Faix, Leiter der Ge-Na-Studie und Professor für praktische Theologie, ist das ein sehr hoher Wert. «Er liegt weit über dem Vergleichswert der Schweizer Bevölkerung.»

Machen sich Christinnen und Christen Sorgen um den Klimawandel? Jein, die Sorgen sind mittelmässig gross. Dazu Tobias Faix: «Entweder nimmt der Glaube die Sorgen ab oder aber es besteht eher wenig Interesse an der Problematik, weshalb man sich auch weniger darum sorgt. Überraschend ist, dass es keinen signifikanten Zusammenhang mit dem Alter gibt. Junge Christinnen und Christen machen sich nicht mehr Sorgen wegen dem Klimawandel.» Auffallend ist, dass individuelles Verhalten wie Recycling, Energiesparen oder Konsum wichtiger sind als das gesellschaftliche Engagement.

Aus dem Glauben Kraft schöpfen

Im Livenet-Talk zu der Studie (siehe unten) erklärte Mitautorin und Mitarbeiterin des Forschungsteams, Annalena Moscovici, dass es dem Team aber nicht bloss um die Wissenschaft an sich gehe – sie wollten Gemeinden sowie Christen ausrüsten, damit sie selbst kleine Schritte gehen, sich gesellschaftlich und politisch einsetzen und so diese Themen mehr ins Zentrum rückten.

Ausserdem sei es wichtig, eine Hoffnungsperspektive mit hineinzubringen: «Es bringt uns allen nichts, wenn wir an den Themen scheitern, wenn wir ausbrennen, wenn wir resignieren. Ich glaube, wir brauchen einen langen Atem. Das Thema wird uns noch viele, viele Jahre beschäftigen. Und umso wichtiger ist es, dass wir aus unserem Glauben heraus Kraft dafür schöpfen. Und das bietet uns der Glaube.»

Wie weiter nach 20 Jahren?

An der StopArmut-Konferenz wurden die Studienergebnisse präsentiert und ihre Bedeutung für die Kirche diskutiert. Das ist aber erst der Anfang: Die Diskussion geht weiter und die Erkenntnisse fliessen in die weitere Sensibilisierungsarbeit von StopArmut ein. Salomé Richir-Haldemann, Kampagnen-Koordinatorin in der Westschweiz, erklärte die Beweggründe für eine solch umfassende Studie: «Wir wollten wissen, wie sich Christinnen und Christen zu den Themen positionieren, für die wir seit 20 Jahren sensibilisieren.» Die Resultate sollen aber auch eine Ermutigung sein zum Dranbleiben für eine gerechte und nachhaltige Zukunft. Wie – dazu bietet StopArmut verschiedene Ressourcen und Impulse für Kirchgemeinden wie den «Just People»-Kurs, «Eco Church» oder den «Sonntag für unsere Nächsten». Nicht zuletzt werden die Daten auch dazu dienen, politische Standpunkte zu vertreten, etwa für die Entwicklungszusammenarbeit.

Weitere Informationen und Unterlagen, um über die weiteren Entwicklungen rund um die Studie auf dem Laufenden zu bleiben, sind auf der Studienwebseite ge-na-studie.net verfügbar.

Datum: 09.04.2024
Quelle: SEA / Livenet

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