Sind Religionen latent aggressiv?

Verschiedene Religionen

Kassel. Religionen haben eine «latente Aggressivität». Diese These vertrat Martin Hein, Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, bei einer Podiumsdiskussion mit Vertretern verschiedener Religionen. Dies sei so, da jede Religion den Menschen in seiner Existenz bestimme und einen unaufgebbaren Wahrheitsanspruch habe. Die Frage sei, wie man sich friedlich begegnen könne.

Ein ernsthafter Dialog sei lange Zeit nicht geführt worden, doch habe nach dem 11. September 2001 die Religion im öffentlichen Leben wieder mehr an Bedeutung gewonnen. «Wahrheit und Toleranz schliessen sich nicht aus», erläuterte Hein. Man dürfe andere Religionen nicht missachten, unterdrücken oder gar beseitigen wollen. Nur dann sei ein Dialog, in dem auch die Unterschiede zur Sprache kommen müssten, möglich.

Dialogbereit zeigte sich auch Esther Hass vom Vorstand der jüdischen Gemeinde in Kassel. Sie wies darauf hin, dass das Judentum nicht missioniere. Einen Anspruch, die alleinige Wahrheit zu vertreten, habe man nicht. Judentum sei mehr als nur Religion, es umfasse eine ganze Kultur.

Auch der Islam akzeptiere andere Religionen, erklärte Muslum Ata, Imam des Türkischen Kulturzentrums in Kassel. Das Christentum und das Judentum seien bereits im Koran enthalten, sagte er. Er habe nicht den Anspruch, dass der Islam die einzig wahre Religion sei.

Einig waren sich die Vertreter der Religionen in der von dem Verein «Hessische Tribüne» organisierten Veranstaltung, dass es um die Kenntnis der eigenen Religion oft schlecht bestellt sei. «Andere Religionen fordern uns dazu heraus, die eigenen Grundlagen herauszuarbeiten», sagte Hein.

In Bezug auf die Unterschiede stellte Harald Fischer, katholischer Dechant in Kassel, heraus, dass die Person Jesus Christus das wesentlich Unterscheidende in den Religionen darstelle. In Fragen der Ethik gebe es viel Übereinstimmung. Doch sei Ethik nicht die entscheidende Frage. Das Christentum gebe vor allem eine Antwort auf die Frage «Wer darf ich sein?» und nicht auf die Frage «Was muss ich tun?», erklärte Fischer.

Datum: 21.10.2002
Quelle: Epd

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