Kommentar

Unnötige Polemik schadet allen Christen

Ein Erzieher, der in einer christlichen Kinderkrippe bei Zürich arbeitete, hat sich an kleinen Kindern vergangen. Der reformierte Sektenexperte Georg Otto Schmid nutzt diesen Vorfall für eine Breitseite gegen die Freikirchen. Das ist bedauerlich.
Georg Otto Schmid.

Um religiöse Hintergründe des Missbrauchs zu erhellen, befragte der Tages-Anzeiger Georg Otto Schmid, den Leiter der reformierten Informationsstelle Relinfo. Statt einer differenzierenden Darstellung von möglichen Gefahren, die wirklich nachvollziehbar wären, liefert Schmid der Zeitung ein Arsenal  abgegriffener Vorurteile gegenüber Freikirchen. Diese Evangelikalen könnten sich nicht vorstellen, dass «Leute ihres Glaubens massivst sündigen können».

Vorurteile

Schmid operiert mit Begriffen wie «radikal» und «sektenhaft». Für diese Freikirchler seien «liberale Reformierte Ungläubige, die in der Hölle schmoren werden». Im Blick auf das ICF Zürcher Oberland, wo der Täter bei der Betreuung von Kindern mithalf, mutmasst Schmid: «Es ist sehr gut vorstellbar, dass der Mentor des Erziehers von dessen Neigungen gewusst hat». Der Sektenexperte hofft, dass der Fall für die «Freikirchenszene ein heilsamer Schock ist, und man lernt, dass Glauben allein nicht immer genügt».
 
Hätte Schmid sich informiert, hätte er erfahren, dass sich sowohl die Krippe in Volketswil wie auch das ICF rechtzeitig mit den Gefahren auseinandergesetzt haben, welche in der Kinderbetreuung und Jugendarbeit auf sexuellem Gebiet lauern. Beide hatten die Beratungsstelle «Mira» beigezogen. Für die Krippe gelten seitdem die folgenden Grundsätze:

1. Wir stehen dazu: Sexuelle Ausbeutung und Grenzverletzungen können auch bei uns vorkommen.
2. Bei konkreten Hinweisen oder einem Verdacht auf sexuelle Ausbeutung, nehmen wir in jedem Fall externe Hilfe zur Klärung der Lage in Anspruch.
3. Wer auf sexuelle Übergriffe oder auch nur auf ungute Gefühle in diesem Bereich aufmerksam macht, wird vor negativen Konsequenzen geschützt.

Trotzdem hat ein Mann, ein ausgebildeter Kleinkinderzieher, an Mädchen vergreifen können – der Staatsanwalt spricht von einem «schweren Missbrauch».
 
Schmid nimmt das zum Anlass, um alte Vorurteile gegen Freikirchen – und das ICF im Besonderen – aufzuwärmen. Wem nützt das, könnte man fragen. Wem es schadet, ist klar. Wäre es heute nicht an der Zeit, von landeskirchlicher Seite Vorurteile gegen die evangelischen Geschwister fallen zu lassen und im ehrlichen Gespräch Dinge anzusprechen, die gegenseitig Probleme bereiten? Vorurteile sind auf beiden Seiten abzubauen. Schwachstellen und radikale Kritiker der Andern gibt es auf beiden Seiten.

Gemeinsam eine Minderheit

Längst bilden aktive Christen in der Gesellschaft eine Minderheit. Reformierte und Freikirchler sitzen im selben Boot. Das erfordert gegenseitigen Respekt und mehr gegenseitige Solidarität. Vor Ort hat sich diesbezüglich in den letzten Jahren Vieles zum Positiven entwickelt. Freikirchen haben erkannt, dass ihr Auftrag auch in der tätigen Liebe und in der Diakonie liegt. Sie sind dabei den Landeskirchen näher gerückt.
 
Es ist an der Zeit, dass Freikirchen vom landeskirchlichen Sektenexperten nicht pauschal kritisiert, sondern in ihren Stärken wahrgenommen werden.

Mehr zum Thema:
Polemik gegen Freikirchen (Hintergrund-Artikel)
  
Ein heilsamer Schock (Kommentar von Wilf Gasser)



 

Datum: 29.03.2011
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet.ch

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