Kommentar

Die ganz alltägliche Gier

Die UBS kommt nicht aus den Schlagzeilen. So berichten Sonntagsmedien, dass die Boni der Grossbank noch sehr viel höher ausfallen könnten als bisher kommuniziert; 3,5 statt 2,2 Milliarden Franken. Zusätzlich problematisch: Vom Kompensationsplan sollen die obersten zwölf Prozent des UBS-Personal profitieren. Das widerspricht jeder „gefühlten Gerechtigkeit“. Die Empörung im Volk steigt – die Ohnmacht aber auch, weil scheinbar niemand etwas dagegen unternimmt.
Die Finanzmarktspekulaten sind von ihren Monopoly-Spielen berauscht.
Der Markt-Ökonomie auf der einen Seite stellte der Prophet Jesaja die Haushalts-Ökonomie der Bibel gegenüber.

Diese schwere Krise hat einige skandalöse Sachverhalte deutlich gemacht. Wieder einmal werden die Verluste grosser Banken indirekt über die Steuern sozialisiert, um den Zusammenbruch des ganzen Weltwirtschaftssystems zu verhindern, nachdem zuvor die masslosen Gewinne aus denselben riskanten Geschäften privatisiert wurden. Motor all dieser krankhaften Entwicklungen war immer wieder die Gier – nach Geld, Macht, Ansehen oder allem zusammen.

Das darf nicht so weiter gehen. Die Handelnden auf dem Gebiet der Finanzmarktspekulation sind von ihren Monopoly-Spielen immer noch so berauscht, dass sie an Realitätsverlust leiden. Viele Banken scheinen noch nicht erkannt zu haben, dass die Zeit vorbei ist, in der man Boni im Boom mit den Erfolgen rechtfertigte und in der Krise pauschal damit, dass man die Leute halten müsse.

Eine Wirtschaft, die den Menschen dient, braucht eine ethische Grundlage. Grenzenloses Gewinnstreben führt zu Unmoral. Wirtschaft kann längerfristig überhaupt nur auf der Basis von Wertvorstellungen gut funktionieren. Die jetzige Krise ist vor allem eine moralische Krise. Nicht nur die Banken verhalten sich so. Nach konservativen Berechnungen verfügen auf unserem Globus etwa tausend Milliardäre über soviel Besitz wie die Hälfte der ganzen Menschheit. Gesellschaften, in denen so etwas möglich ist, sind moralisch krank. Eine Wirtschaftskultur, in welcher der Eigennutz die Gerechtigkeit verdrängt, muss immer wieder in tief greifende Krisen fallen. Wirtschaft ohne Ethik zerstört sich selbst.

Was sagt die christliche Tradition zu einer solchen Reichtumsvermehrung, die nur einer kleinen Minderheit nützt? Die älteste Antwort darauf kann man in den ersten Büchern der Bibel nachlesen. Schon im Alten Testament prallten zwei Wirtschaftstheorien aufeinander, wie sie unterschiedlicher nicht sein können. Da ist die Markt-Ökonomie auf der einen Seite – wir kennen sie aus unseren Tagen. Diesem Wirtschaftsmodell stellte der Prophet Jesaja die Haushalts-Ökonomie der Bibel gegenüber.

Schon damals wurden wenige Grossgrundbesitzer mit Hilfe der Geldwirtschaft immer reicher. Immer mehr Menschen versanken in Schulden. Israel reagierte mit den ersten solidarischen Wirtschaftsgesetzen der Geschichte. Die Ausbeutung der Volksgenossen – zum Beispiel durch Zinswirtschaft – wurde verboten. Verschuldungsverhältnisse klar begrenzt. Nach einer Weile musste armen Familien das Land zur Selbstversorgung zurückgegeben werden. Die Menschen wurden angewiesen, die Güter so zu organisieren, dass alle leben konnten und niemand Hunger leiden musste. Über Regeln und Gesetze wurde die Gier in die Schranken gewiesen. Das könnten wir auch heute über entsprechende Gesetze erreichen.

Die früheste christliche Gemeinde in Jerusalem hat das alles sehr ernst genommen. Die Apostelgeschichte erzählt über die ersten Christen, sie hätten allen Besitz als etwas Gemeinsames betrachtet. So konnte sie auf diese Weise Ausgleich organisieren, wenn es in ihrer Mitte Bedürftigkeit gab. Kaiser Julian klagt später: „Die Christen ernähren ausser ihren Armen auch die unsrigen; die unsrigen aber ermangeln unserer Fürsorge!“

Jesus prangerte den Reichtum nicht an, sondern die Habgier. Geld an sich ist nichts Schlechtes, aber die Habsucht ist, wie der Apostel Paulus schrieb, die Wurzel aller Übel. Diese süsse Gier, immer mehr haben zu wollen. Letztlich werden auch die Raffgierigen dieser Welt selbst ihres Lebens nicht froh werden. Denn spätestens, wenn der Tod anklopft, stellt sich die Frage: Und was hab ich davon gehabt? Die ganz alltägliche Gier scheint kein bedauerlicher Systemfehler zu sein. Sie liegt tief im Menschen drin und hat uns nun in eine Sackgasse geführt, aus der wir nur durch ein anderes ethisches Verhalten herauskommen, wie es auch die Bibel empfiehlt.

Link zum Thema: Dossier Geld und Geist

Datum: 17.02.2009
Autor: Bruno Graber
Quelle: Livenet.ch

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