„Einführung der Scharia wird Kreativität zerstören“: Kühne Christen in Pakistan wehren sich gegen islamisches Gesetz

Musharraf und Bush

Der amerikanische Präsident Bush hat seinem pakistanischen Amtskollegen Musharraf bei einem Besuch in Washington tüchtig auf die Schultern geklopft. Offenbar soll dem bettelarmen (und an Menschen immer reicheren) Pakistan mit zusätzlichen 3 Milliarden Dollar in den nächsten fünf Jahren unter die Arme gegriffen werden.

Nach den Anschlägen auf World Trade Center und Pentagon geniesst Pakistan als unentbehrlicher Verbündeter im Kampf gegen den Terrorismus eine Sonderbehandlung durch die US-Administration. Neue F-16-Kampfflugzeuge will Washington dem früheren Militärmachthaber Musharraf, der auch über Atomwaffen verfügt, dennoch nicht zukommen lassen, mit Rücksicht auf Indien, das von den USA neuerdings viel freundlicher behandelt wird.

Die „betonte Herzlichkeit“ am Gipfel kann laut der NZZ allerdings nicht über die Sorgen hinweg täuschen, die Pakistan der US-Führung macht. Kann Musharraf, der im Parlament eine Mehrheit islamistischer Parteien gegen sich hat, das Land auf einem freiheitlichen Kurs halten? Pakistan muss darum, so eine der drei Bedingungen fürs neue Hilfspaket der Amerikaner, bei der Demokratisierung Fortschritte machen.

Diese Demokratisierung müsste sich messen lassen auch an der Besserstellung der christlichen Minderheit. Die über drei Millionen Christen in Pakistan sind oft machtlos gegenüber verleumderischen Anklagen von muslimischen Nachbarn. Wenn solche Anklagen erfolgen, regelmässig grundlos, ist nicht selten die Existenz ganzer Familien in Gefahr, weil Fanatiker zur Ehre Allahs solche Personen umbringen wollen.

Am letzten Dienstag protestierte die katholische ‚Kommission für Gerechtigkeit und Frieden‘ (CJP) gegen die geplante Einführung der Scharia, des islamischen Gesetzes, in der Nordwest-Grenzprovinz an der Grenze zu Afghanistan, in der vor allem Paschtunen nach alten Stammestraditionen leben.

"Die Versammlung hat für die Scharia gestimmt, doch die pakistanische Bevölkerung, insbesondere die Minderheiten im Nordwesten des Landes, melden Vorbehalte an und zeigen sich besorgt", heißt es in einem von Pater Albert Youhanna und Aftab Mughal von der CJP unterzeichneten Communiqué, das dem katholischen Nachrichtendienst Zenit übermittelt wurde.

Laut der CJP steht das Vorhaben, die Scharia einzuführen, im Gegensatz zu den Prinzipien des pakistanischen Staatsgründers Muhammad Ali Jinnah. Dieser habe auf der ersten verfassunggebenden Versammlung am 11. August 1947 zum Ausdruck gebracht, die Religion sei „eine persönliche Angelegenheit, und der Staat darf sich nicht in den Glauben einer Person einmischen; alle Bürger sind gleich."

Youhanna und Mughal werfen den islamistischen Parteien in der Grenzprovinz vor, „eine Art Talibanregime durchzusetzen“, in Verletzung der Grundrechte der Pakistanis. "Diese Massnahme wird alle Formen von Kreativität wie Musik, Kunst und Theater zerstören und insbesondere die Pressefreiheit erheblich bedrohen."

Die CJP-Vertreter wagen auch das Vorgehen der Islamisten beim Einbringen der Vorlage ins Provinzparlament zu kritisieren. Es stelle „allein schon eine Bedrohung der Demokratie und der Menschenrechte in Pakistan dar. Ausserdem wird es zu einem parallelem Rechtswesen führen, das die Grundrechte der Menschen in jener Region verletzen würde.“

Die Christen wünschen ein Pakistan, in dem "klar und deutlich" zwischen Staat und Religion unterschieden wird und die Menschenrechte aller Bürger unabhängig von deren Religion geachtet werden.

Datum: 30.06.2003
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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