Deutscher Bundesrat verlangt Korrekturen am Antidiskriminierungsgesetz

Thomas Steg.
Irmingard Schewe-Gerigk

Kann künftig auch Benachteiligung wegen der sexuellen Identität oder der Religion eingeklagt werden? Der deutsche Bundesrat hat auf Antrag mehrerer unionsgeführter Bundesländer Korrekturen am geplanten Gleichbehandlungsgesetz der Bundesregierung gefordert.

Das Gesetz müsse «eins zu eins» die vier EU-Richtlinien zum Schutz vor Diskriminierung umsetzen und dürfe nicht über diese hinausgehen, verlangte die Länderkammer am letzten Freitag. Die Bundesregierung wies die Forderungen zurück. «Es gibt keinen Anlass, vom vorliegenden Gesetzentwurf abzuweichen», sagte der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg.

EU-Musterschüler?

Mit dem «Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz» setzt die Regierung europäisches in nationales Recht um. Die grosse Koalition hatte sich nach wochenlangen Verhandlungen darauf verständigt, im zivilrechtlichen Teil des Gesetzes über die Vorgaben der EU hinauszugehen. Die EU sieht hier nur Ethnie, Rasse und Geschlecht als Schutzmerkmale vor. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung hat das Ziel, auch Benachteiligungen aufgrund der Religion, einer Behinderung, des Alters und der sexuellen Identität zu verhindern.

Die unionsgeführten Länder wollen vor allem diesen zivilrechtlichen Teil, in dem es etwa um Diskriminierungsschutz bei Disko-Besuchen, bei Vermietungen oder Versicherungen geht, einschränken. Die im Bundesrat verabschiedete kritische Stellungnahme zum Gesetz hatte das Land Hamburg vorgelegt. Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg schlossen sich an. Steg kündigte an, das Kabinett werde sich in den nächsten Wochen mit der Stellungnahme beschäftigen.

Von Beust: noch mehr Bürokratie und rechtliche Unsicherheit.

Der Hamburger Bürgermeister Ole von Beust (CDU) wandte sich am Freitag im Bundesrat auch gegen das geplante Klagerecht für Betriebsräte bei Diskriminierungen im Arbeitsleben. Von Beust kritisierte, der Entwurf der Bundesregierung enthalte überflüssige Belastungen für die Wirtschaft. Der Entwurf schaffe noch mehr Bürokratie und rechtliche Unsicherheit.


Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) sagte, mit dem Gesetz werde eine «nur vage Anspruchsgrundlage» geschaffen, die Konkretisierung aber den Gerichten überlassen. «Jede Taktlosigkeit wird mit dem Gesetz justiziabel», warnte Rüttgers. Niedersachsens Wirtschaftsminister Walter Hirche (FDP) nannte das Gesetz einen «Anschlag auf Arbeitsplätze». Es sei ein Instrument, um Unternehmen ins Ausland zu treiben.

Der Staatssekretär im Bundesjustizministerium, Lutz Diwell, verteidigte den Entwurf. Er gehe nur massvoll und auch nur da, wo es notwendig sei, über die EU-Vorgaben hinaus, sagte Diwell. Es gebe keine Gründe, Merkmale wie Behinderung und Alter aus dem Diskriminierungsschutz herauszunehmen, sagte Diwell.

Anwaltverein befürchtet Prozessflut

Das Gesetz ist in Parteien und Verbänden stark umstritten. Der Deutsche Anwaltverein warnte am Freitag vor einer «Prozessflut» und einem «massiven Eingriff in die Vertragsfreiheit». Der Deutsche Mieterbund erklärte hingegen, das Gesetz sei überfällig. Die «kleinlichen Streitereien» über einzelne Diskriminierungsmerkmale müssten aufhören.

Die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen im Bundestag, Irmingard Schewe-Gerigk, sprach von einer «unwürdigen Show» im Bundesrat. «Viele Länder in Europa haben längst viel weitergehende Antidiskriminierungsgesetze und fahren wirtschaftlich gut damit», sagte Schewe-Gerigk. Auch die Linksfraktion im Bundestag wandte sich gegen die von den Ländern geforderten Änderungen am Gesetz.

Das Antidiskriminierungsgesetz wird derzeit in den Ausschüssen des Bundestags beraten. Die Länder können das Gesetz nicht verhindern, da der Bundesrat diesem nicht zustimmen muss. Möglich ist allerdings, dass die Länder den Vermittlungsausschuss anrufen und die Verabschiedung des Gesetzes damit verzögern. Der Hamburger Bürgermeister von Beust sagte aber im Bundesrat, die Länder hätten nicht vor, das Gesetz zu verzögern.

Datum: 21.06.2006
Quelle: Epd

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