1945 erinnern – und vom Kriegsende mit Hoffnung weiter gehen

Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche
Wolfgang Huber

In seiner Predigt zum 60. Jahrestag des Kriegsendes hat der EKD-Vorsitzende Wolfgang Huber nach einer „Erinnerungsperspektive des Glaubens“ gefragt. Und nüchtern formuliert: „Wenn wir das Erinnern nicht verlernen, haben wir Grund zur Hoffnung.“
In der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin erinnerte Bischof Huber an das Grauen des Kriegs, den die Nazis entfesselten. Vor 60 Jahren hatte „die Unmenschlichkeit von Krieg und Gewalt ein Ende; doch was am 30. Januar 1933 begonnen hatte, wirkte weit über den 8. Mai 1945 hinaus.“

Er selbst habe jene Zeit in Erinnerung, sagte Huber: „Die Flammen der brennenden Stadt, in deren Nähe meine Familie Zuflucht gefunden hatte, spiegeln sich im blutroten Himmel; das ist das früheste Bild in meiner Seele.“

Auferstehung von Jesus gibt Hoffnung, welche Erinnerung trägt

Im Gottesdienst, der im Fernsehen übertragen wurde, nahm der EKD-Ratsvorsitzende die Mahnung des Apostels Paulus an seinen Mitarbeiter Timotheus als Refrain: „Halt im Gedächtnis Jesus Christus, der auferstanden ist von den Toten.“

Laut Huber wird „Erinnerung möglich, wo Hoffnung herrscht. Als Christen sagen wir: Die Hoffnungsgeschichte Jesu Christi trägt unser Erinnern und gibt ihm die Richtung vor. In Jesus Christus hat Gott sich auf das Dunkel unserer Welt eingelassen; sogar die äusserste Einsamkeit des Todes hat er auf sich genommen. Aber mit der Auferweckung Jesu von den Toten ist ein Hoffnungszeichen in unserer Welt aufgerichtet, an das wir uns halten können, auch in der Erinnerung an dunkle Zeiten.“

Erinnern – und das Gute weitergeben

Gegen das Vergessen trat Huber mit der Bemerkung an, bereits nähmen die Deutschen als selbstverständlich, was erst 1989/90 errungen wurde. „Wir neigen dazu, unsere Freiheit als selbstverständlich zu betrachten.“ Erinnerung mache dagegen „dankbar für das Erreichte und verpflichtet dazu, den Segen, der auf uns gelegt wurde, nicht wieder zu verspielen, sondern ihn an unsere Kinder weiterzugeben.“

Erinnern müsse auch die unbekannten Opfer des Kriegs einschliessen, sagte der evangelische Bischof von Berlin. „Das Unrecht von Vernichtung und Völkermord steht uns in dieser Stadt vor Augen, wo wir in zwei Tagen das Mahnmal zur Erinnerung an den Holocaust einweihen werden.“

Gegen die Verzerrung der Geschichte

Jene, die vergessen und verdrängen, bezeichnete Huber als Ewiggestrige. „Aber um der Zukunft willen darf die Vergangenheit nicht verdrängt werden.“ Mit einem unmissverständlichen Seitenblick sagte der Bischof, es gehe darum, „den Aufmärschen der Geschichtsvergessenheit und Geschichtsverzerrung“ entgegenzutreten.

1945: Befreit zur Achtung der Menschenwürde

„Wir bekennen uns dazu, wovon wir damals befreit wurden: von Menschenverachtung und Völkermord, von Gewalt und Krieg. Aber wir bekennen auch, wozu wir befreit wurden. Befreit wurden wir zum aufrechten Gang derer, die sich vor Gott beugen und deshalb vor keiner Macht dieser Welt. Befreit wurden wir zur Achtung vor der unantastbaren Würde jedes Menschen und deshalb zur Hinwendung zu denen, die missachtet oder misshandelt werden.“

Die Erinnerung ans Kriegsende müsse in Solidarität mit den Armen, Arbeitslosen und Fremden münden. Huber gab die Losung aus: „Keine Gleichgültigkeit gegenüber der Spaltung unserer Welt in Reiche und Arme.“ Die Deutschen dürften es nicht zulassen, dass „sich Menschenverachtung und Antisemitismus wieder auf unseren Strassen und Plätzen breit machen wollen.“

Quelle: Livenet/EKD

Datum: 10.05.2005
Autor: Peter Schmid

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