Der Weg zum Familienglück: bitte Klartext reden!

Thomas Schirrmacher

„Braucht man eine Familie, um glücklich zu sein?“ An einer TV-Expertendiskussion zu dieser Frage am 1. Februar nahm auch der Bonner Ethiker und Theologe Thomas Schirrmacher teil. Er plädierte dafür, Männlichkeit wieder an Tugenden wie Verantwortung, Zuverlässigkeit und Treue zu messen. – Hier Nachgedanken Schirrmachers zur Familiendiskussion, die auf dem Sender Phoenix zu sehen war.

Familie ist wieder in. Mit Familienpolitik kann man wieder punkten und mancher Wendehals, der selbst am Zusammenbruch der Familie beteiligt war, spricht plötzlich wieder über Glück und Notwendigkeit des Familienlebens.

Das bringt überzeugte Anhänger der Familie, die sich seit Jahren und Jahrzehnten dafür eingesetzt haben, dass die Zukunft unserer Gesellschaft nicht in Kraftwagen, sondern in Kinderwagen besteht, in eine Zwickmühle.

Einerseits kann man sich nur freuen, dass Familie und viele Kinder wieder hoffähig werden, dass sich das „Forum Familie stark machen“ im Fernsehsender Phoenix mit Kardinal Lehmann, gestandenen Professoren und einer Politikerin, der niedersächsischen Familienministerin Ursula von der Leyen, mit sieben Kindern präsentiert. Und die Forderung der Ministerin war dann auch deutlich genug: Eine Gesellschaft, in der die Familie wieder im Mittelpunkt stehen soll, habe sich Wirtschaft und Gesellschaft um sie herum zu gruppieren.

Andererseits wirkte die ganze Diskussion wie auf einem anderen Stern. Sie hatte weitgehend mit der Realität nicht viel zu tun, da man konsequent die eigentlichen Ursachen, die zum Zusammenbruch der Familie geführt haben, ignorierte, nämlich die Werte. (…)

Wie kann man etwa die Tatsache, dass wir derzeit erhebliche Teile der nächsten Generation im Mutterleib töten, nur völlig ausblenden! Immer wieder kam zur Sprache, dass Frauen keine zuverlässigen Partner mehr fänden und dies der Hauptgrund für den Verzicht auf Kindern sei, wie neuere Untersuchungen immer wieder zeigten.

Wie kann man dabei die Frage der Sexualität völlig ausblenden, obwohl nach wie vor sexuelle Untreue der führende Scheidungsgrund ist, selbst bei Hollywoodschauspielern? Man hatte das Empfinden, als wenn die Wesen, für deren Erhalt man sich einsetzte, irgendwie auf dem Mars sind und ihre Vermehrung sich theoretischen Überlegungen verdankt, nicht biologischen, kulturellen und ethischen Realitäten.

Kann man aber eine Wende in der Familienpolitik erreichen, ohne über die Gründe zu sprechen, die die Familie in Misskredit gebracht haben? Kann man Familie fördern, wenn es oberstes Gebot ist, niemandem auf die Zehen zu treten, auch wenn er letztlich der Familie schadet? Ist jungen Menschen geholfen, wenn man ihnen Mut zur Familie macht, aber bloss nichts von dem anspricht, was Familie gefährdet?

Gibt es denn überhaupt Familie ohne Werte und Ethik? Meines Erachtens hilft man so jungen Menschen, die sich derzeit entscheiden müssen, nicht weiter. Meine Erfahrung zeigt mir immer wieder, dass sie sich wünschen, dass wieder Klartext gesprochen wird und man das Übel an der Wurzel erfasst.

Autor: Thomas Schirmacher
Quelle: Bonner Querschnitte Presseinformationen

Datum: 15.02.2005

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