Genügt ein Höheres Wesen?

Da muss doch noch etwas sein…

«Ich bin weder gläubiger Christ noch fühle ich mich als Atheist. Ich glaube nur noch an etwas Höheres.» Eine Überzeugung, die heute immer mehr Menschen vertreten.
Höhere Wesen
Höheres Wesen

Die Frage lautete: Glaubst du an Gott? Die Antwort der Schülerin Christina Stürmer kann man schon fast als repräsentativ bezeichnen: «Schwere Frage. Ich weiss nicht, ob man es Gott nennen kann oder soll. Ich glaube auf alle Fälle an ein höheres Wesen, das irgendwie die Hand über uns legt und dann schon alles bestimmt, was dann so auf der Welt vorgeht. Wann man geboren wird, wann man stirbt – das ist, glaube ich, alles schon eingeritzt. Aber wie gesagt, ob man das jetzt Gott nennt oder Fritz oder was auch immer – ich glaube einfach an ein höheres Wesen.»

Ein höheren Etwas

Religionssoziologen bestätigen diesen Abschied vom «klassischen» Gottesbild. In den Niederlanden wird schon von der stetig wachsenden Konfession der «Ietsisten», also der «Etwas-Gläubigen», gesprochen. In der ehemaligen DDR sei diese Überzeugung längst zur zahlenmässig grössten Spiritualität geworden, betonen Forscher von der Universität Leipzig. Aber auch immer mehr Kirchenmitglieder begrenzen ihre Spiritualität auf die Verehrung dieses höheren Etwas. Ist dieses Unnennbare vielleicht der letzte Gott, den die Menschen von heute noch bejahen können?

Genauer hinsehen

Umfragen, in denen unspezifisch gefragt wird «Glauben Sie an Gott?», erhalten regelmässig über 50 Prozent Antworten mit «Ja». Geht man bei der Frage etwas mehr ins Detail, gibt etwas mehr Raum dafür, dass es verschiedene Gottesvorstellungen gibt, dann erhält man immer wieder bestätigt, dass Kirchenmitglieder oft nicht mehr an einen persönlichen Gott glauben, sondern damit eher ein diffuses «Höheres Wesen» meinen. Hier stimmen konfessionslose mit immer mehr Kirchenmitgliedern überein.

Überzeugung und Handeln

Was unser unbewusstes automatisches Handeln beeinflusst, ist tatsächlich der Glaube. Nicht unbedingt der Glaube an Gott, sondern der Glaube an das, was uns wertvoll ist. Irgendwie aber auch der Glaube an Gott oder an ein höheres Wesen. All das ergibt so eine Art «Cocktail» von Glaube und Überzeugungen, der bei jedem anders zusammengesetzt ist.

Der Glaube an Gott wirkt in diesem Cocktail der Überzeugungen manchmal ein wenig deplaziert, und doch ist er genauso hineingekommen, wie die anderen Zutaten auch. Ein bisschen Erziehung, ein bisschen Gewohnheit, etwas von dem, was die Mehrheit meint und denkt und ganz viel eigene Erfahrung.

Etwas Übereinstimmung gibt es dennoch. Wahrscheinlich gerät jeder Mensch aber irgendwann in etwas hinein, das seinen Alltag durchbricht und ihn die Frage stellen lässt, ob da sonst gar nichts mehr ist, ob das Leben auf dieser Welt alles ist. Auch, ob jemand Antworten darauf hat. Ein Höheres Wesen, das man nicht fassen kann, gibt jedoch keine Antworten.


Mit-Mensch geworden

Wenn dieser Gott irgendein höheres Wesen ist, das man halt höchsten dafür braucht, um die Welt zu erklären oder auszuhalten, dann wird das wohl weniger Einfluss auf mein Leben meinen Alltag haben. Wenn dieser Gott jedoch sich für uns Menschen interessiert, dann sieht es schon anders aus. Der Gott, an den Christen glauben, ist Mensch geworden mitten in einer friedlosen Welt. Vielleicht sollte man besser sagen: Gott ist unser Mit-Mensch geworden, weil er unser Schicksal teilte in Liebe und Leid, in Hoffnung und Angst, in der Hilfe für die Schwachen. Der Schriftsteller Heinrich Böll hat das erkannt, wenn er sagt: „Jede christliche Welt ist mir lieber als die beste nichtchristliche Welt, weil in einer christlichen Welt immer auch Raum für die Schwachen ist“.

Der persönliche Gott

Also, wenn ich sage, ich glaube an den christlichen Gott, dann bedeutet das: ich sehe mein Leben durch ein persönliches Gegenüber getragen. Das ist viel mehr, als auf irgendetwas Höheres zu setzen.

Es geht wie um das Verhältnis zwischen Personen. Glauben heisst auch Vertrauen. Es ist entscheidend wichtig, dass ich den genau kenne, dem ich vertraue. Wenn es um den christlichen Glauben geht, dann geht es nicht zuerst um Zugehörigkeit zu einer Kirche oder um Zustimmung zu christlichen Grundsätzen. Beim Glauben geht es immer zuerst um eine Beziehung. Wie stark oder gross mein Glaube ist, ist davon abhängig, wie stark meine Beziehung zu Gott, zu Jesus ist. Der Reformator Martin Luther sagte: „Der Glaube besteht darin, dass der Mensch Jesus ergreift, indem er sein ganzes Vertrauen darauf richtet, was er getan hat“. Glauben heisst, zu Jesus kommen, das Leben in seine Hand legen und so einen persönlichen Gott zu erleben.
 

Datum: 01.10.2010
Autor: Bruno Graber
Quelle: Livenet.ch

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