Cannabis-Legalisierung

Verfall der Erziehung, Anstieg der Gewalt – was tun?

Der Nationalrat sagt Nein zur Cannabis-Legalisierung, die Behörden sprechen offen(er) über aktuelle Bedrohungen, Raser liefern sich lebensgefährliche Rennen und Messer blitzen auf Schulhöfen… Was ist los in der Schweiz? Hier Auszüge aus einem Gespräch, das Thomas Feuz für den EDU-Standpunkt mit Hansueli Birenstihl führte. Birenstil ist Gesamtleiter des Jugendheims Sternen im Berner Simmental, das Jugendlichen zu Land und zu Wasser eine (Neu-)Orientierung fürs Leben geben will.
Erziehungsziele definieren: Hansueli Birenstihl
Und es geht doch anders ...
Sport2
Sport3
Sport4
Sport5

EDU-Standpunkt: Herr Birenstihl, die Gewalt ist alltäglich geworden – auch unter Jugendlichen. Wie lautet Ihre Analyse aus sozialpädagogischer Sicht?
Hansueli Birenstihl:
Hauptursache ist die grosse Verunsicherung gegenüber der «richtigen» Erziehungsmethode. Stattdessen gibt es eine Vielfalt an Ratschlägen und Meinungen, die wohl die Erziehenden mehr verunsichern als wirksam unterstützen.

Eine unselige Rolle hat auch die weit verbreitete und in den letzten 20 Jahren sehr populäre so genannte «antiautoritäre Erziehung» gespielt, deren Anwendung eigentlich mehr eine «Verwöhnungserziehung» war. Wir sind gerade dabei die Resultate auszubaden…!

Sie sind tagtäglich mit diesen «Resultaten» konfrontiert...
Das trifft tatsächlich zu. Darum ist es wichtig, wie die Erziehungsziele definiert werden. Ist es bürgerlich angepasstes Verhalten oder eine progressiv aufmüpfige Lebenshaltung? Wo bleiben Ethik und Moral? Geht es nur um die Rechte des Einzelnen oder um Rechte und Pflichten des Einzelnen in der Gesellschaft? Wem sind wir verantwortlich?

Da sind viele Eltern schon selber verunsichert! Erziehung aus einer christlichen Glaubenshaltung heraus gilt in weiten Kreisen als «von vorgestern» und wird nur noch von einer (leider arg geschrumpften) Minderheit angewendet.

Die Kirchen sind leer, dafür bestimmen Konsumtempel das Angebot: Unterhaltung mit «no limits» wie Musik, Filme und realitätsnahe Computer-Games beherrschen die Gedankenwelt. Wen wunderts, wenn Kinder anzuwenden beginnen, was sie vor Augen geführt bekommen! Es ist längst bewiesen, dass es Zusammenhänge zwischen Gewaltkonsum und Gewaltanwendung gibt.

Was hat Ihrer Meinung nach zu diesem Desaster geführt?
Als Folge der 68er-Bewegung sind viele Überzeugungen und allgemein anerkannte Werte und Normen als überholt über Bord geworfen worden. Dabei hatte die Bewegung anfänglich ja durchaus auch ihr Gutes: verkrustete Strukturen, verbunden mit spiessiger Heuchelei, wurden zu Recht hinterfragt und Unhaltbares aufgedeckt.

Aber wie so oft in der Geschichte wurden aus den damaligen Idealisten schnell Revoluzzer, das Aufbegehren wurde zum Selbstzweck. Freie Liebe und Selbstverwirklichung, das Experimentieren mit neuen Gemeinschaftsnormen erhielten zentrale Bedeutung.

Die damaligen bürgerlichen Politiker waren mehrheitlich nicht im Stande, die Herausforderung entschlossen und konstruktiv anzunehmen, und gerieten in die Dauerdefensive. Beschwichtigen und besänftigen, basierend auf faulen Kompromissen, wurde mehr und mehr Hauptinhalt der Politik. Seither hat ein ständiger Abbau von allgemeingültigen Werten stattgefunden.

Sie vermissen funktionierende Familien und ganz allgemein Vorbilder?
Ja, genau! Zwei Voraussetzungen müssen als Grundlage für eine möglichst gesunde Gesellschaft gegeben sein: Eine unverkrampfte persönliche Beziehung des Einzelnen zu Gott, dem Schöpfer – und Menschen, die ihren Beruf als Berufung mit Entschlossenheit und der ihnen eigenen Originalität leben. Solche Menschen braucht es in allen gesellschaftlichen Bereichen wie Kunst, Wirtschaft und Politik.

Wir müssen neu erkennen, dass die Familien die Kernzellen oder, noch besser, die Bausteine unserer Gesellschaft und damit unseres Staates sind! Stattdessen sind wir dabei, diese Bausteine unwiderruflich zu zerstören: Statt Familienförderung schafft man alternative Lebens(abschnitts)partnerschaften.

Wir hatten schon Kinder in unseren Heimen, die fünf und mehr männliche Partner ihrer Mütter als Ersatz-Väter erlebten… Welche Mutter- und Vaterbilder entwickeln solche Kinder? Neuerdings sollen gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften der Familie rechtlich gleichgestellt sein und diese wohl mehr und mehr ersetzen. Damit muss Schluss sein!

Es braucht Politiker, die den Mut haben, diesen Bestrebungen ein Ende zu setzen! Es geht mir nicht darum, Personen mit gleichgeschlechtlichen Neigungen zu diskriminieren. Aber ein gleichgeschlechtliches Paar kann keine Familie sein und allen diesbezüglichen Bestrebungen muss Einhalt geboten werden. Aus meiner Sicht brauchen Kinder Mütter und Väter, die inspiriert von Jesus Christus ihre Kinder lieben, segnen und vernünftig erziehen!

Ist es zu allgemein, die Ursachen bei Ideologien, einem gewandelten Familienbild oder einer generellen «Verrohung» der Sitten zu suchen?
Eigentlich schon, denn hinter gottlosen Meinungen, Ideologien, Games und Filmen etc. stehen ja immer Menschen, und zwar Gott entfremdete Menschen. Von Gott losgelöste Menschen haben verdrehte Meinungen und produzieren verleumderische Filme oder sie machen sich für gottlose Sitten und Gebräuche stark. Damit verbunden ist die zerstörerische Zersetzung von Familie und Gesellschaft und der biblischen Inhalte in unserem Rechtswesen und der Kultur.

...und keiner reisst das Steuer herum?
Das Nicht-Reagieren professioneller Pädagogen und Psychologen auf die absolut verheerenden Einflüsse macht traurig und wütend zugleich. Ein Beispiel: Da gibt es den von vielen Jungen als Mega-Star verehrten Eminem. In katastrophalen Ghettoverhältnissen aufgewachsen, bringt er auf brutal perverse Art seine Kindheitsjahre in Rapper-Reimen zum Ausdruck und hat damit Erfolg. Er wird zum schwerreichen Star!

Unsere verwöhnten Wohlstands-Kids ufern schier aus ob den unter jedem Niveau angesiedelten Sprüchen und identifizieren sich total mit Eminems Welt. Und wie reagiert die Profi-Szene unter den Pädagogen und Psychologen? Sprüche wie «Kinder brauchen das als Abgrenzung zu den Erwachsenen und als Medium zur eigenen Identitätsfindung! Nur machen lassen…» herrschen vor!

Haben wir wirklich nichts Anderes zu bieten? Wo übrigens sind die Christen, die in Musik und Wort starke Antworten finden, die jeden vom Stuhl hauen? Sind wir nicht mehr fähig, unserer Jugend Jesus Christus als wahren Identitätsstifter nahe zu bringen? Oder stottern wir mit der üblichen Verzögerung von zwei bis fünf Jahren den Welt-Trends hinterher?



Lesen Sie morgen die Fortsetzung: Was der Staat tut und wo Christen anpacken sollten, um gefährdeten Kindern und Jugendlichen zu helfen.

Hansueli Birenstihl, 54, verheiratet, drei erwachsene Kinder. Nach Käserlehre Pastorenstudium und Mitarbeit in pfingstkirchlichen Werken. Diplomierter Sozialpädagoge. Gleitschirmflieger.
Seit 1976 in der stationären Jugendhilfe tätig, zuerst in Zürich, ab 1992 Leiter im Jugendheim Sternen mit drei Landheimen und zwei Schülerschiffen.

Im Internet: www.jugendheimsternen.ch

Autor: Thomas Feuz
Quelle: EDU-Standpunkt Juli 2004

Datum: 23.08.2004

Publireportage
Werbung
Livenet Service
Werbung