Der "gedachte" Gott?

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Was in der letzten Titelgeschichte des Nachrichtenmagazins “Der Spiegel” verkündet wurde, ist selbst für solche Christen starker Tobak, die aus dieser Richtung schon einiges gewohnt sind. Denn die reisserische Überschrift auf der Titelseite suggeriert allen Ernstes, dass die Hinforschung herausgefunden oder zumindest untersucht hätte, wo im Gehirn der Sitz des Glaubens ist. Im Artikel selbst kommt dann noch dicker. Da hat in Kalifornien ein Neurologe einen Patienten untersucht, der einerseits religiöse Visionen und andererseits epileptische Anfälle hatte. Dieser Befund wird später damit in Verbindung gebracht, dass man auch in Deutschland unter “Schläfenlappen-Epilepikern” Fälle von “Hyperreligiosität” festgestellt habe.

Sind Gläubige Epileptiker?

Die Art, wie diese Berichte zu einer scheinwissenschaftlichen Diskussion über den Sitz Gottes im Gehirn ausgewalzt werden, spottet jeder wissenschaftlich-methodischen Beschreibung. Zwar stellt der Artikel keine präzisen Behauptungen auf wie etwa die, dass epileptische Anfälle die Ursache religiösen Glaubens seien oder umgekehrt; denn beides würde sich allzu leicht empirisch widerlegen lassen. Dennoch wird dem Leser ein solcher absurder Zusammenhang suggeriert, mit Zahlenangaben, die jedem Versuch einer Theoriebildung ein sofortiges Ende bereiten: Wenn es etwa heisst, dass 41 Prozent (der Deutschen? – nähere Angaben zur Gesamtheit fehlen) glauben, dass Jesus der Sohn Gottes ist, so lässt sich wohl kaum die absurde Vorstellung aufrechterhalten, dass hier ein Zusammenhang mit Epilepsie bestehen würde. Soll fast jede zweite Epileptiker sein? Sie ist etwa so seriös, als wenn ein Fussballgegner die “wissenschaftliche” These aufstellen würde, dass sportliche Kompetenz durch Kokain entsteht.

Alle Religionen über einen Kamm geschert

Ähnlich abwegig sind die primitiv-darwinistischen Mutmassungen darüber, wie in der Entwicklung der Menschheit “die” Religion entstanden sei und ob sie wegen ihrer moralischen Regeln oder wegen des von ihr vermittelten Glücksgefühls ihren Trägern einen Überlebensvorsprung verschafft habe. Hier bleibt der Verfasser auch deshalb im Gestrüpp billiger Allgemeinplätze stecken, weil er bewusst alle Formen von Religion, Geisterglauben und Meditation undifferenziert über einen Kamm schert.

Besonders wurmt ihn offenbar die Tatsache, dass auch unter amerikanischen Forschern fast 40 Prozent an einen Gott glauben, der Gebete erhört, was er als ein Grassieren der Unvernunft bezeichnet. Hätte er ein wenig Ahnung von Wissenschaftstheorie, so wäre ihm bewusst, dass heute keine Naturwissenschaft mehr behauptet, mit ihren Methoden Gott widerlegen zu können, und dass daher die Frage des Glaubens auch unter Wissenschaftlern als eine Sache der persönlichen Entscheidung angesehen wird und nicht – wie noch im 19. und im frühen 20. Jahrhundert – als ein Thema wissenschaftlicher Beweise oder Gegenbeweise.

Was soll man von solchen Artikeln halten? Hier geht es nicht um fehlenden Glauben bei sachlicher Offenheit, sondern hier grassiert offenbar Voreingenommenheit und Unvernunft.

Datum: 23.05.2002
Autor: Prof. Dr. Bodo Volkmann
Quelle: idea Deutschland

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