Aceh: Steinigung und Stockhiebe

Verheiratete Ehebrecher, Muslime und Nichtmuslime, können mit 100 Steinwürfen getötet werden. Dies hat das Parlament von Indonesiens autonomer Westprovinz Aceh am letzten Montag mit deutlicher Mehrheit beschlossen. Begehen Ledige das Delikt, drohen ihnen 100 Stockhiebe. Die verschärfte Auslegung der Scharia, des islamischen Gesetzes, soll Mitte Oktober in Kraft treten.
Aceh – 2004 vom Tsunami verwüstet.

Als einzige enthielten sich laut regionalen Medien die Abgeordneten der Demokratischen Partei der Stimme. Die Partei verlangte in der Beratung vier bis maximal hundert Steinwürfe, nicht 40-200, wie in der Vorlage vorgesehen. Steinigung sei eine reine «Präventivmassnahme» gegen «moralische Entartung», erklärte ein Abgeordneter der konservativen Muslimparteien, die kürzlich bei Direktwahlen unterlegen sind und ihre Macht verlieren. In wenigen Tagen tritt das neugewählte Parlament von Aceh zusammen, in dem die gemässigt islamistische Aceh Party das Sagen hat. Der Beschluss wird von Bürgerrechtlern und auch der Regierung kritisiert; ob das neue Parlament ihn rückgängig macht, bleibt abzuwarten.

Die Provinz am Westzipfels Sumatras geriet im Dezember 2004 in die globalen Schlagzeilen, als ihre Küste vom Tsunami schrecklich verwüstet wurde. Darauf kamen zahlreiche ausländische Helfer ins Land, dessen Bevölkerung Fremden und neuen religiösen Einflüssen abgeneigt ist.

Alkoholkonsum, Homosexualität

Nun führt Aceh nicht nur die Steinigung ein, sondern auch Strafen für Homosexuelle, Vergewaltiger, Kinderschänder, Glücksspieler sowie für den Konsum von Alkohol. Vorgesehen sind Stockschläge, Bussen und lange Haft, für Homosexualität bis acht Jahre oder 100 Stockhiebe. Schönheitssalons, Hotels und andere touristische Einrichtungen sollen bestraft werden, wenn sie Verstösse gegen die Scharia ermöglichen. Die Verschärfung des Strafrechts lässt Korruption, Diebstahl und Bestechung als Delikte unerwähnt. Für Delikte von Strafverfolgern und Beamten soll Sühne geleistet werden können, was in Indonesien mit Wut und beissendem Hohn quittiert wird.

Auf Kollisionskurs

Acehs immer striktere Auslegung der 2001 eingeführten Scharia bringt die Provinz auf Kollisionskurs zur Zentralregierung in Jakarta, die sich für einen gemässigten Islam einsetzt, doch Acehs Sonderweg zugelassen hat. Vizegouverneur Muhammad Nazar, ein Gegner der Vorlage, kündigte an, die Behörden in Aceh würden von Steinigungen absehen. Doch auch mit dem neuen Parlament wird ein streng interpretierter Islam Aceh politisch und juristisch prägen. Im Friedensabkommen von 2005 erhielt die Provinz weitreichende Autonomie zugesprochen. Seither kam es vor, dass Frauen ohne Gesichtsschleier wegen unzüchtiger Kleidung verurteilt und vor Fotografen und Schaulustigen mit Stockschlägen bestraft wurden. 

"Heuchler"

Leser der liberalen ‚Jakarta Post' kritisieren die Entwicklung der Westprovinz, deren islamische Elite sich seit Generationen an Saudi-Arabiens intolerantem Wahhabismus orientiert. Einer ärgert sich über das Delirium "religiöser Heuchler", das sich darin äussere, dass Unverheiratete in der Öffentlichkeit keine Zärtlichkeiten austauschen dürften. Ein anderer erlebte, dass eine Nicht-Muslimin in einem Flugzeug aufgefordert wurde, sich anderswohin zu setzen, weil ein Acehnese nicht neben einer Ungläubigen sitzen wollte. Der Leser fragte den Mann nach der Landung, ob es ihm nichts ausmache, ein von Ungläubigen gebautes Flugzeug zu benutzen...

Datum: 21.09.2009
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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