Kapitalismus

«Könnte die Wirtschaft christlicher sein?»

«Die kapitalistische Marktwirtschaft ist in christlichen Ländern entstanden. Es waren aber gerade die Kirchen, die dazu beigetragen haben, dass die Marktwirtschaft nicht zur Barbarei ausartet», meint CVP-Nationalrat Pirmin Bischof.
Menschliche Gerechtigkeit göttlicher Gerechtigkeit annähern.

Bischof schrieb zu diesem Thema einen Artikel in der Zeitschrift «Die Politik» unter dem Titel «Ist Wirtschaft christlich?» In diesem Artikel äussert er sich nuanciert mit Aussagen wie: ‚Zynisch gesagt, wenn jeder an sich denkt, ist an alle gedacht‘. Ein solches System genügt vielleicht liberalen Effizienzkriterien, sicher aber nicht dem Prinzip der christlichen Nächstenliebe».

Orientierung an Gottes Gerechtigkeit

«Zwinglis Zürcher Reformation verstand sich nämlich nicht nur als Reformation der Kirche, sondern auch als Erneuerung von Staat und Gesellschaft. Zwingli hat sich zentral mit den damaligen sozialen Fragen beschäftigt: Dem ‚ungerechten‘ Zinswesen, der Leibeigenschaft und dem Elend der Söldner. Dem Reformator war es ein Anliegen, die menschliche Gerechtigkeit der göttlichen Gerechtigkeit zumindest anzunähern», so Bischof.

Leute nicht ausbeuten

Der Leiter des Kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt der evangelischen Kirche in Bayern, Johannes Rehm, schlägt in die gleiche Kerbe. Er fordert ein menschengerechtes Wirtschaften. «Menschen haben einen Anspruch auf gute, angemessen entlohnte Arbeit, die sie nicht ausbeutet oder ihnen gesundheitlich schadet», sagt Rehm. Die Entwertung menschlicher Arbeit, insbesondere der manuellen Arbeit, sei mit einem christlichen Menschenbild nicht vereinbar.

Wert als Mensch

Auch der Personaldezernent der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, Christian Frühwald, appelliert, sich mehr an den moralischen Massstäben des Protestantismus zu orientieren. Dazu sollten die theologischen Grundeinsichten aus der Reformation als «Betriebskultur à la Martin Luther» eingebracht werden. Zu dieser Kultur gehöre beispielsweise die lutherische Unterscheidung zwischen «Person» und «Werk». Dadurch behalte ein Mitarbeiter trotz Fehlverhaltens seinen Wert als Mensch, weil nicht seine Fehler oder seine Leistungen entscheidend seien.

Eine solche Betriebskultur löse zwar nicht alle Probleme. Als theologische Konsequenz aus dem Erbe der Reformation diene sie jedoch Unternehmern wie auch den Kirchen «in der neuen Unübersichtlichkeit» der Welt als Orientierung.

Datum: 25.05.2011
Quelle: Kipa/epd/Livenet

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