Gesunde geistliche Leiterschaft

René Winkler: Auch als Leiter Lernender bleiben

René Winkler im Livenet-Talk
Von der Leitungsposition zurück zum Mitarbeiter, das musste René Winkler mehrmals durchmachen. Mittlerweile sieht er diese Veränderungen aber als Chance - und setzt sich beim tsc dafür ein, andere für solche Veränderungen vorzubereiten.

Stecke jemand in einer Krise oder frage nach dem Sinn des Lebens, werde er nach konkreten Auswirkungen im Leben von Jesus-Nachfolgern Ausschau halten. «Wenn wir nur darüber reden, sind wir nicht glaubwürdig», betont René Winkler, aktuell Leiter Weiterbildung des Theologischen Seminars St. Chrischona (tsc), und erzählt: «In einer Bibelstunde tauschten wir aus über das Thema Vergebung und Versöhnung. Es waren viele ältere Teilnehmende da und ich fragte nach, wie sie das denn umsetzen?» Lange blieb es still, niemand habe sich gemeldet. «Keiner der Gruppe konnte davon berichten, wie er vergibt und sich versöhnt.»

Job weg

Durch eine Umstrukturierung des Leiter Weiterbildung des Theologischen Seminars St. Chrischona (tsc) wurde René Winklers Aufgabe als Direktor und strategischer Gesamtleiter hinfällig. Damit umzugehen sei sehr herausfordernd gewesen. «Ein Stück weit empfand ich es als Scheitern, das war hart», bekennt er. Doch schliesslich habe er sich entschieden, in der Veränderung die Chance zu sehen. «Wenn ich gebraucht werde, bringe ich mich ein – unabhängig vom Status.»

Vom Leiter wieder zum Mitarbeiter zu werden, sei nicht einfach zu bewältigen. Es war ein Weg, den er da zu gehen hatte. Doch er ist heute sehr zufrieden mit seiner Aufgabe. Seine Erfahrungen und Beziehungen führten dazu, dass er seit vier Jahren die Weiterbildung des tsc und das Netzwerken verantwortet. Und in diesem Rahmen bietet er auch Kurse zur Vorbereitung auf einen Wechsel an. Sei es als Vorbereitung auf ein anderes Wirkungsfeld oder die Pensionierung.

Emotional reif werden

Wenn sich ein Leiter emotional nicht im Griff hat oder vorgebe, rein sachlich zu handeln, nie Emotionen zeige, sei er nicht glaubwürdig, hält Winkler fest. Wer dann dazu auffordere: «Schau mich an und ahme mich nach», stosse kaum auf Anklang. «Wenn ich jedoch dazu sage, dass ich Lernender bleibe und vieles noch üben muss, sieht das anders aus», bezog Winkler die Aussage auf sich. Was ihm auch sauer aufstösst, ist die Haltung: «Ich habe das Leben lang gearbeitet, jetzt muss ich nichts mehr tun!» Winkler bedauert einen solchen Rückzug.

Er findet: «Wenn formelle Jobs aufhören, zeigt sich die Charakterstärke des Abtretenden.» Selbst habe er sich darauf eingestellt: Wenn ich meinen Status verliere, fallen 80 Prozent der Aufmerksamkeit und Wertschätzung weg. «Sie galten nicht mir, sondern meiner Position.» Es sei wichtig, bewusst damit umzugehen. «Ich habe mich dazu entschieden, weiterhin Aufmerksamkeit zu verschenken.» Einfach zuhören sei ein Akt der Liebe. Dies wolle er praktizieren, unabhängig davon, ob es gegenseitig geschehe.  

Dankbarkeit

«Ich wurde geprägt von meinem Elternhaus und Umfeld», führt René Winkler aus. «Viele haben für mich gebetet, mich so geschützt und unterstützt.» Weshalb ihm gewisse Aufgaben übertragen wurden, habe nicht an seinen Fähigkeiten gelegen. «Vieles konnte entstehen, weil andere für mich Gott in den Ohren gelegen sind – nicht, weil ich so brillant bin.» Seine Mutter habe ihm von einer Person berichtet, die täglich für ihn bete. «Sie hat mich als Kind kennengelernt und daran festgehalten, obwohl wir keinen Kontakt pflegten.» Solche Unterstützer sind Winkler wertvoll.

Geistliche Vaterschaft

Florian Wüthrich hakt ein, er habe während des Leiterwechsels vom Chefredaktor zum CEO von Livenet das Buch «Emotional gesund leiten» von Peter Scazzero gelesen. «Er warnt vor der Anspruchshaltung: «Das steht mir jetzt zu!» Sie könne zum Stolperstein werden. Auch Scazzero nenne Dankbarkeit als gutes Gegenmittel, das Wissen: Es ist ein Privileg, dass ich diese Position innehabe. «Das Potential, das wir haben, die Lebenserfahrung, bleiben bestehen», bestätigt Winkler. «Leiterschaft heisst, du hast Macht, Gestaltungsspielraum und kannst Einfluss nehmen. Das hört nicht auf, wenn du deine Position verlierst.» Es gelte, geistliche Vaterschaft nicht aufzugeben: «Leiten heisst, zu dienen, anderen zu ermöglichen, ihr Potential zu entfalten.»

Loslassen

René Winkler hat für Gemeindeverbände gearbeitet und dabei beobachtet: «Leitenden fällt es oft schwer, ihre Position aufzugeben.» Zu viele ziehen sich zurück, verschwinden aus dem Gemeindekontext, findet er. «Andere fangen an zu kritisieren, vielleicht via Blog, um sich noch Gehör zu verschaffen, und Etliche finden nach der Abgabe ihrer Position die neue Spur nicht.» Es gelte, sich diesem Prozess stellen: «Man betritt wieder Neuland, wird wieder zum Lernenden.»

Um Menschen für solche Schnittstellen auszurüsten, bietet das tsc Tagesseminare an. Sie beleuchten Fragen wie: «Wie kam es zu der Rolle, die ich innehatte? Wie kann ich sie gut abschliessen?» Der Übergang solle gestaltet, nicht einfach ertragen werden. Positives könne gewürdigt, Unschönes bearbeitet, vergeben und losgelassen werden. Ein ehemaliger Teilnehmer habe anschliessend erklärt: «Ich habe festgestellt, dass ich es gut gemacht habe.»

Sehen Sie sich den Livenet-Talk mit Réne Winkler an:

Zum Buch:
Emotional gesund leiten

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Datum: 03.03.2023
Autor: Mirjam Fisch-Köhler
Quelle: Livenet

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