Wenn Hoffnung ein Gesicht bekommt
Eine junge Afrikanerin schaut in die Kamera und sagt mit fester Stimme: «Ich heisse Gloria. Ich möchte dir kurz erzählen, wie ich zu der Person wurde, die ich heute bin.» Und sie verkündet: «Ich möchte Anwältin werden und mich für Gerechtigkeit und Freiheit einsetzen.» Gloria Akello ist eine der Hauptpersonen in «Hope», einem sehenswerten Film über den Südsudan und seine Menschen. Gedreht und produziert wurde die 85-minütige Dokumentation von Isensee Film. Livenet-Redaktor Hauke Burgarth hat den Film bereits gesehen, er sprach mit Jochen Isensee darüber und über seine Motivation für dieses Projekt.
Eine Passion für Geschichten
Jochen Isensee (44) drehte mit seinem Bruder Steffen schon früh Filme, doch damals war es ihr Hobby. Beruflich schlug er einen anderen Weg ein. Er studierte Medizin und schloss seine Facharztweiterbildung als Anästhesist ab. Darauf hätte er sich nun konzentrieren können, wenn da nicht seine grosse Lust gewesen wäre, Geschichten zu erzählen… Da die Brüder schon ein paar Filme gemacht und auch verkauft hatten, hatten sie sogar schon ein kleines Unternehmen angemeldet. Als es nun konkret wurde und Isensee sich festlegen musste, entschied er sich für den Film und gegen die Arbeit im OP. Seitdem ist «Isensee Film» mehr als ein Hobby. Mit Imagefilmen und Werbung verdienten die Brüder ihr Geld. Im Rückblick sagt Jochen Isensee: «Am Anfang war das Filmemachen ein reines Geschäft, bis ich gemerkt habe, wie mächtig und kraftvoll dieses Medium Film eigentlich ist und wie gut man dadurch Menschen erreichen kann. Das ging Hand in Hand mit meinem wachsenden Glauben.»
Er war zwar in einem christlichen Elternhaus aufgewachsen, hatte aber irgendwann den Bezug zu seiner Gemeinde verloren. Eine tiefe Gottesbeziehung entwickelte er erst, als er seine Frau kennenlernte, eine aktive Christin. So wuchs sein Wunsch, mehr als nur Geschichten zu erzählen. Isensee wollte keine kleinen YouTube-Projekte machen, sondern im hochprofessionellen Bereich arbeiten. In den USA gibt es für christliche Filme einen eigenen Markt – der existiert im deutschsprachigen Bereich nicht. «Aber», hält er fest, «wir haben kaum Filme für ein säkulares Publikum mit christlichen Werten. Wie wäre es, hier hineinzugehen? Jetzt muss ich mich mehr damit beschäftigen, Fragen zu stellen, als definitive Antworten zu geben.» Jochen Isensee drehte immer noch Filme für Unternehmen, aber er träumte inzwischen von einem Dokumentarfilm, einer Geschichte, die Menschen berührt, weil sie als Film erzählt wird, aber das echte Leben zeigt.
«Bring deine Kamera mit»
Afrika hatte Jochen Isensee dabei nicht auf dem Schirm, doch ein Freund engagierte sich im Norden Ugandas für die Menschen in den Flüchtlingslagern. Er lud ihn ein: «Lass uns dort einmal zusammen hinfahren – und bring deine Kamera mit.» Isensee tat es und war schockiert von den grössten Flüchtlingslagern der Welt. Es berührte ihn, dass die Menschen aus dem Südsudan den Frieden, den sie sich bei der Staatsgründung 2011 versprachen, nie bekommen hatten. Schnell war der christliche Süden des Sudan in Korruption, Gewalt und Bürgerkrieg versunken und das Leben und Überleben dort wurde immer schwieriger. Am bedrückendsten aber war es für ihn, dass er selbst – so wie viele Europäer – nur wenig davon mitbekommen hatte. Natürlich hatte er davon in den Nachrichten gehört, doch diese Not hatte für ihn kein Gesicht. Isensee war früher schon einmal in Ostafrika gewesen und frustriert nach Europa zurückgekehrt, weil er den Eindruck hatte, nichts ändern zu können. Das war hier anders. Er stiess auf Menschen, die etwas in Bewegung bringen wollten. Und er selbst wollte ihnen und ihrer zerbrechlichen Hoffnung mit einem Dokumentationsfilm auch für andere ein Gesicht geben.
Förderung und Roadshow
Wie lässt sich ein solches Filmprojekt bewältigen? Vor dieser Frage stand die Mannschaft von Isensee Film, denn dass hieran viele Leute über längere Zeit arbeiten würden, war allen Beteiligten klar. Vor Ort und darüber hinaus half «The Sentry» mit Informationen und Kontakten. Die Hilfsorganisation, die unter anderem George Clooney mitbegründet hatte, deckte nicht nur Korruption im Südsudan auf, sondern half durch den Südsudanesen Brian Adeba immer wieder aktiv in der Region. Die Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg (MFG) und das Kulturamt Freiburg unterstützten den Film genauso wie etliche Einzelpersonen. Den grössten Beitrag aber lieferten Jochen Isensee und seine Mannschaft, die fünf Jahre lang immer wieder in Uganda drehten, das Material schnitten und bearbeiteten und die Kooperationen dazu entwickelten.
Inzwischen ist das Projekt abgeschlossen und der Film feiert seine Festivalpremiere beim British Urban Film Festival in London. Ab November kommt er in deutsche Kinos, zunächst in Baden-Württemberg, dann darüber hinaus und auch in die Schweiz. Als Isensee gefragt wird, ob er diesen Aufwand für einen Film noch einmal auf sich nehmen würde, überlegt er kurz und meint dann: «Wir sind jetzt fünf Jahre dran und aus wirtschaftlicher Sicht wäre das wahrscheinlich nicht sinnvoll. Es hat uns viel Blut, Schweiss und Tränen gekostet. Aber: Ja, ich würde es noch einmal machen, denn die Geschichte ist es wert, erzählt zu werden.»
Der Film
Ein Trailer des Films ist bereits bei Vimeo zu sehen. Ohne zu viele Details vorwegzunehmen: Er dokumentiert nicht die Kriegsgräuel im Bürgerkrieg, obwohl Leid, Vergewaltigung und Tod vorkommen. Der Film stellt einzelne Personen vor. Anthony Felix wurde als Kind entführt und zum Kindersoldaten gepresst. Er war eine gefühlslose Tötungsmaschine, doch er fand den Ausstieg und arbeitet heute als Pastor und Lehrer – er wurde Glorias Mentor. Susan Grace Doku verlor ihren Mann in den Kriegswirren und wurde zur Aktivistin, die sich besonders zum Schutz von Frauen und Mädchen einsetzt. Emma Mawa Francis Gino konnte dem Terror der Milizen entkommen und will Arzt werden, um seinen Leuten helfen zu können.
Vor allem aber handelt der Film von Gloria Akello, die als 15-Jährige grosse Teile ihrer Familie verlor und als Waise im ugandischen Flüchtlingslager «Rhino Camp» strandete. Dort begegnete sie nicht nur Anthony, der ihr immer wieder half, sondern fasste Hoffnung, obwohl es aussichtslos war, und entwickelte die Perspektive, sich als Anwältin im Südsudan einzusetzen. Sie weiss ganz sicher: «Ich werde dahin zurückgehen.» Inzwischen hat Gloria ihr Studium begonnen.
«Hope» ist kein schneller Film, sondern zieht seine Kraft aus der liebevollen Nähe zu den realen Menschen darin. Menschen, die sich gegen Gewalt und Hass für die Hoffnung und für Gott entscheiden. Dieser Glaube wird im Film nie plakativ nach vorn getragen, trotzdem spürt man, dass die Protagonisten ohne ihn nicht so leben könnten, wie sie es tun.
Als Jochen Isensee bei den Dreharbeiten in Uganda beschäftigt war, kam er mit einem Einheimischen ins Gespräch und erzählte ihm, dass er eigentlich Anästhesist sei. «Ein Arzt?», fragte der zurück. «Das ist ja wunderbar. Damit könntest du uns wirklich helfen.» Der Filmemacher überlegte nur kurz. «Ich hoffe, mit diesem Film kann ich euch noch viel mehr helfen.»
«HOPE beyond rape murder and war crimes» ist in englischer Sprache gedreht und deutsch untertitelt. Die deutsche Filmpremiere findet am 19. November 2025 in Freiburg/Breisgau statt. Anwesend ist auch die Aktivistin Susan Grace Doku.
Zur Website:
HOPE
Zum Thema:
Dossier: Filme und Serien
Afrika Ahoi!: Madagaskar synchronisiert «The Chosen» als erstes
Kreative Evangelisation: «Jesus Film Riders» unterwegs in Ghana
Datum: 29.10.2025
Autor:
Hauke Burgarth
Quelle:
Livenet