Pan, Augustus, Christus

Augustus
Kephas
Kreuz

In Cäsarea Philippi fragte Jesus die Jünger nach der Volksmeinung: "Für wen halten die Leute mich?" Die Wahl des Ortes war kein Zufall.

"Als aber Jesus in die Gegend von Cäsarea Philippi gekommen war, fragte er seine Jünger: ‘Für wen halten die Leute den Menschensohn?’ Sie antworteten: ‘Einige sagen, du seist Johannes der Täufer; andere, du seist Elia; und wieder andere, du seist Jeremia oder einer der Propheten.’ Da fragte Jesus sie selber: ‘Ihr aber, was sagt ihr, wer ich bin?’ Simon Petrus aber antwortete und sprach: ‘Du bist der Messias (griechisch: der Christus), der Sohn des lebendigen Gottes.’ Jesus antwortete ihm: ‘Wohl dir Simon, Bar Jona (= Jonas Sohn); denn Fleisch und Blut haben es dir nicht geoffenbart, sondern mein Vater, der in den Himmeln ist. Und ich sage dir: Du bist Petrus (aramäisch: Kephas), und auf diesem Felsen will ich meine Gemeinde bauen, und des Hades Pforten (= die Pforten der Hölle) werden sie nicht überwältigen’." Matthäus 16,13 bis 18

Der ersten Meinungsumfrage der Welt und dem Messiasbekenntnis von Petrus waren zahlreiche Wunder vorausgegangen. Die Bergpredigt hatte viele Menschen aus dem In- und Ausland angezogen. Erst hatten 5000 und dann nochmal 4000 Leute erlebt, wie Jesus sie verpflegte. Wäre das heute passiert, hätten die TV-Stationen Sonderberichte über den Mann aus Nazareth gebracht und die Illustrierten wären voll von Berichten. Jesus hätte auf der Popularitätsskala ganz oben gestanden.

Meinungsforschungsinstitute wie EMNID oder Allensbach gab es damals nicht. Es war Jesus, der "Menschensohn" selbst, der die Jünger befragte. "Menschensohn" ist ein Titel aus dem Alten Testament, der den Juden gut bekannt war. Damit wurde der Messias bezeichnet. Es war der verheissene Erlöser, es war der Messias, der die Jünger fragte: "Für wen halten die Leute mich?"

Die Antworten verwundern anfänglich: "Einige sagen, du seist Johannes der Täufer; andere, du seist Elia; und wieder andere, du seist Jeremia oder einer der Propheten." Dabei war doch eigentlich klar, dass er Jesus aus Nazareth war; einer, der mit Vollmacht predigte und unter dessen Einfluss Wunder geschahen.

Dennoch war er in der Volksmeinung merkwürdigerweise nicht als grosser Lehrer oder erstaunlicher Wundertäter präsent. Nein, man identifizierte ihn mit verstorbenen Juden, und zwar mit solchen, die aufgrund alter Prophetien vor dem Kommen des Messias eine besondere Bedeutung haben würden.

Im Lukasevangelium wird vor der Geburt von Johannes dem Täufer gesagt, dass er einhergehen würde in Kraft und Geist des Elia. Sowohl Johannes der Täufer als auch Elia und Jeremia waren Propheten, Männer Gottes, welche die Menschen zur Umkehr, zur Busse, zur Lebensänderung riefen. Dass die Zeitgenossen von Jesus meinten, er sei einer dieser Propheten und als solcher nun zurückgekehrt, verrät uns, dass damals unter den Juden eine dramatische Spannung geherrscht haben muss. Die Erwartungshaltung im Zusammenhang mit Jesus war riesig. Die Juden rechneten damit, dass jetzt die von Gott verheissene messianische Zeit anbrechen würde! Doch das Entscheidende erkannten sie nicht – Jesus war für sie nicht der Messias, sondern er galt lediglich als besonderer Mann Gottes. So das Fazit der Meinungsumfrage.

In welchem Umfeld befand sich Jesus, als er seinen Jüngern diese Frage stellte? Es dient dem Verständnis, wenn man diesen Ort unter die Lupe nimmt.

Christus gegen Pan

Die Evangelienberichte ereigneten sich nicht im luftleeren Raum der Fantasie, sondern an historischen Orten. Jesus stellte die Frage nach seiner Person auf dem Weg nach Cäsarea Philippi (Matth. 16,13). Die archäologische Wiederentdeckung dieser antiken Stadt lässt die Frage Jesu in neuem Licht und in ihrer ganzen Dimension aufleuchten.

Die Stadt, die zur Zeit Jesu den Namen Cäsarea Philippi trug, liegt im Norden Israels an der syrischen Grenze ausserhalb des jüdischen Siedlungsgebietes und zählte zu den populärsten Gegenden des römisch-griechischen Heidentums. Ursprünglich hiess sie Panion. Dieser Name, im heutigen Ortsnamen Banias immer noch erkennbar, verwies auf die Hauptattraktion des Ortes – das Heiligtum des Gottes Pan.

In der antiken Mythologie galt Pan als der Gott der Fruchtbarkeit und daher oft auch als der Gott der Sexualität. Zur Zeit, als Jesus mit seinen Jüngern in Cäsarea Philippi weilte, war Pan zum "Allgott" gemacht worden, den man für alles Mögliche und Unmögliche anrief. Er war, mit anderen Worten, eine praktische und nützliche Gottheit.

Pan heisst auf Griechisch "alles" und ist z. B. in dem Wort "Panorama" enthalten. Es gab auch eine dunkle Seite: Die plötzliche, grundlose Flucht von Herden in der heissen Mittagssonne wurde auf das Wirken dieses Gottes zurückgeführt. In fast allen Sprachen wird daher eine irrationale Furcht als "Panik" bezeichnet. Berühmt ist auch die "Panflöte", das Symbol des Flöten spielenden Götzen. Das Heiligtum des Pan bei Panion war ein beliebter Halt für Reisende von und nach Damaskus. Hier gab es alles, was Religionstouristen begeistern konnte, und die Archäologen graben ständig neue Strassenzeilen, Geschäfte, Andenkenläden und andere typische Bestandteile der Reiseindustrie aus, die es auch damals schon gab.

Der jüdische König Herodes der Grosse (unter dem Jesus geboren wurde) baute hier um 20 v. Chr. zusätzlich einen Tempel für den Kaiser Augustus. Später benannte sein Sohn Philippus die Stadt um, in "die kaiserliche Stadt des Philippus" = Cäsarea Philippi. Damit ehrte er sowohl den Kaiser ("Cäsar") als auch sich selbst. Cäsarea Philippi wurde zum Sammelplatz verschiedenster Götter. Die Anlage muss einen überwältigenden Eindruck auf die Besucher gemacht haben. Ein lang gestrecktes Felsmassiv aus rötlichem Gestein hob das Areal der Tempel und Heiligtümer vom Rest des Ortes ab. Die weit geöffnete Höhle kennzeichnete die Mitte der Kultanlage. Rechts lag der eigentliche Tempelbereich. In den Fels geschlagene Nischen enthielten Statuen des Pan und anderer Gottheiten. Die Statuen sind verschwunden. Geblieben sind Bauspuren und einige griechische Inschriften. Aus diesem Fels entspringt zudem eine Quelle: Nar Banjas ist eine der drei Quellflüsse des Jordan.

In Sichtweite der mächtigen Wand der Götter stand der Augustus-Tempel von Herodes. Schon Augustus hatte seinen Adoptivvater Julius Cäsar zum Gott, zum göttlichen Cäsar ("Divus Iulius") ernennen lassen. So wurde (Adoptiv-)Sohn Augustus gleichzeitig zum Sohn des Göttlichen ("Filius Divi").

Im griechisch sprechenden Osten – also auch im alten Israel – wurde der römische Kaiser aber nicht als "Sohn des Göttlichen", sondern als "Sohn Gottes" bezeichnet. Auch Kaiser Tiberius, in dessen Regierungszeit Jesus wirkte, trug diese Bezeichnung, denn er hatte seinen Stiefvater Augustus in den Götterstand erheben lassen. Für gläubige Juden war das Gotteslästerung pur! Wie konnte ein Heide beschliessen, sich per Senatsbeschluss zum "Sohn des Gottes" (Singular!) ernennen zu lassen?

In Sichtweite der Begleiter von Jesus war auch die Quelle des Flusses von Israel. Die Jordanquelle erinnerte daran, dass sich Jesus nicht selbst zum Sohn Gottes erhoben hatte. Denn als er im Jordan getauft wurde, öffnete sich der Himmel über ihm und die göttliche Stimme bestätigte: "Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe" (Matth. 3,17). Und als die schwangere Maria vom Engel erfuhr, welche Art Leibesfrucht sie in sich trug, sagte der Engel Gabriel: "Darum wird auch das Heilige, das geboren wird, Sohn Gottes genannt werden" (Luk. 1,35).

Der Menschensohn Jesus, den die Stimme vom Himmel zum wahren Gottessohn erklärt hatte, war an diesem Ort der Götzenverehrung eine lebendige Herausforderung und eine Kampfansage an den Kaiserkult. Und genau hier, zwischen den Symbolen zweier blasphemischer Kulte – dem Pan-Heiligtum und dem Augustus-Tempel – entspringt der berühmte Fluss Israels, der Jordan! Grösser konnte der Kontrast kaum sein. Im Jordan war Jesus getauft worden, der Jordan durchzog das Heilige Land von Norden nach Süden, den Jordan hatten die Israeliten überqueren müssen, um das Gelobte Land in Besitz zu nehmen. Den Jüngern konnte die Bedeutung dieses Ortes unmöglich entgangen sein. Auch den ersten Lesern des Evangeliums war Cäsarea Philippi ein Begriff. Sie verstanden sofort, warum Jesus ausgerechnet hier die Frage nach seiner Person stellte und welche Bedeutung diese Frage hatte. An einer Stätte, wo die heidnische Religion, der römische Kaiserkult und das Judentum auf engstem Raum einander gegenüberstanden, hatte diese Frage und ihre Antwort eine tiefere Bedeutung als irgendwo sonst.

Petrus zögerte nicht mit der Antwort: "Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes!" Dieses "Du!" ist es, das Menschen bis heute betonen müssen."Du bist es und kein anderer!" Kein Allah, kein Mohammed, kein Dalai Lama und kein Bhagwan. Du, Jesus, bist der Messias, der Christus, Du und kein anderer.

Der Begriff "Messias"

In den meisten Bibelübersetzungen steht an dieser Stelle: "Du bist der Christus!" Das dürfte Petrus allerdings kaum so gesagt haben. Vielmehr ist anzunehmen, dass er mit Jesus in der Regel aramäisch sprach. Petrus dürfte gesagt haben: "Du bist der Messias!" Der Begriff "Messias" ist vom hebräischen "maschiach" abgeleitet, was wörtlich "mit Öl eingerieben" bedeutet und einen Gesalbten Gottes bezeichnete.

Dieser Ausdruck – im Deutschen meist mit "gesalbt" übersetzt, im Griechischen mit "christos" (davon der Name Christus) – bezeichnet einen rituellen Vorgang mit dem Ziel und der Bedeutung, jemanden für eine besondere Aufgabe zu bestimmen und einzusetzen. In alttestamentlicher Zeit wurden Könige, Priester und Propheten bei ihrem Amtsantritt zeremoniell gesalbt.

Wir haben uns heute daran gewöhnt, "Christus" wie einen Eigennamen von Jesus zu gebrauchen. So schrieb das "Hamburger Abendblatt" einmal zu Weihnachten, "als die Familie Christus nach Bethlehem zog ..." Doch das griechische "Christus" war kein Name, sondern ein Hoheitstitel. Schon in der ersten Bibelübersetzung der Welt, der Septuaginta, die im 3. Jh. v. Chr. von Juden für Juden in griechischer Sprache angefertigt wurde, findet man für "Messias" die Übersetzung "Christus".

"Messias" und "Christus" waren den Juden als gleichbedeutende Wörter bestens bekannt. Beide Ausdrücke bezeichneten also den "Gesalbten Gottes", was im Zusammenhang mit 1. Samuel 2,10 verstanden wurde: "Die gegen den Herrn streiten, wird er zerbrechen, der Höchste im Himmel wird sie zerschmettern. Der Herr hält Gericht bis an die Grenzen der Erde. Seinem König wird er Macht geben und er wird erhöhen das Haupt seines Gesalbten."

Petrus bleibt nicht bei der Christus-Anrede stehen. Er fügt einen zweiten Titel hinzu: "Sohn des lebendigen Gottes". Seinen Zeitgenossen dürfte die feine Ironie darin aufgefallen sein, denn die römischen Kaiser Augustus und Tiberius konnten doch nur zu "Söhnen Gottes" werden, weil ihre Adoptiv- oder Stiefväter tot waren und der Senat die Verstorbenen hinterher auf Anträge der Söhne in den "göttlichen" Stand erhob.

Der Mensch schafft sich seine Götter. Das war damals nicht anders als heute. War es einst der Kaiser, ist es heute der Fussball – oder das Auto wird zum goldenen Kalb. Um den wahren Gott kümmern wir uns gar nicht! Jesus? Der war wohl ein grossartiger Mensch – aber bitte nichts darüber hinaus … Welch eine Täuschung: Wir haben es mit dem lebendigen und heiligen Gott zu tun – das ist kein religiöses Spiel! Den Allmächtigen darf man nicht zum Feuerwehrkommandanten degradieren, der nur dann eingreifen soll, wenn man nicht mehr weiter weiss.

Es gibt viele Ausflüchte, die zu kurz greifen, z. B. "wenn es Gott gäbe, dann könnte es auf der Welt nicht so notvoll zugehen". Aber bitte: Wer führt die Kriege? Wer bringt Menschen um? Doch nicht Gott, sondern wir Menschen! Der Mensch ist zu allem fähig. Die Geschichtsbücher sind voll mit Beweisen. Und wie steht es mit dem heranwachsenden Leben im Bauch der Mutter? Wieso massen wir uns an, wer leben darf und wer nicht? – Wir sind auf der Erde, um uns zu entscheiden, ob wir mit dem lebendigen Gott leben wollen oder nicht.

Im Kontrast zum toten Gott des Augustus-Tempels bekannte Petrus: "Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes (Du allein)!" Der römische Kaiser war der Sohn eines toten "Gottes", Jesus ist der Sohn des lebendigen Gottes! Der Ort dieses Messias-Bekenntnisses und die Begriffe, die Petrus wählte, ergeben eine der grossartigsten Szenen der antiken Geschichte.

Sowohl dem römischen Kaiserkult als auch dem heidnischen Götterwesen werden durch die Worte des Petrus erklärt, dass sie überholt sind. Hier wird den Mächten der Finsternis und den falschen Göttern der Kampf angesagt! Der Messias ist da!

Obwohl Petrus Jesus von Nazareth richtigerweise als Messias erkannt hat, wird er ein paar Minuten später den Versuch unternehmen, dem Meister seine persönliche Vorstellung vom Messias, wie für ihn der Sohn Gottes zu sein habe, nahe zu bringen. – Ist das bei uns anders? Wir haben in Jesus den Messias gefunden, doch dann biegen wir ihn uns in unseren Erwartungen so zurecht, wie wir ihn gerne hätten. Und wenn er unserem Wunschden-ken nicht weit genug entgegenkommt, dann brechen wir wieder mit Gott. Aufgepasst – Gott warnte bereits in den Zehn Geboten davor, sich ein Bild von ihm zu machen. Allein die Bibel vermittelt uns ein Bild von Gott, das in Ewigkeit Bestand hat. Auch Petrus hat diese Lektion zu lernen.

Der Meister bestätigt die Messias-Proklamation seines Schülers als Gottesoffenbarung: "Wohl dir (oder: selig bist du), Simon, Sohn des Jonas; denn Fleisch und Blut haben es dir nicht geoffenbart, sondern mein Vater, der in den Himmeln ist." Jesus verleiht Petrus keinen Status. Vielmehr beschreibt er einen Zustand. Selig sein bedeutet wörtlich "gut dran sein". "Du bist gut dran, du hast es gut", sagte Jesus zu Petrus, "denn du hast auf eine Offenbarung Gottes vertraut!" Vertrauen wir den Offenbarungen Gottes, die in seinem Wort, in der Bibel, niedergeschrieben sind? Dann sind wir auch selig, dann sind wir auch gut dran, denn das sind Worte des ewigen Lebens!

Jesus geht bei Petrus noch einen Schritt weiter. Er sagt: "Du bist Petrus (aramäisch: Kephas), und auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen, und des Hades Pforten (und die Pforten der Hölle) werden sie nicht überwältigen."

Wer Jesus damals reden hörte, der hatte gleichzeitig ein Panorama vor Augen, welches seine Worte erklärte: Den riesigen Felsen von Cäsarea Philippi mit dem Götzenheiligtum und den vielen Nischen, in denen die selbstgemachten "Götter" standen; in der Mitte klaffte der Eingang der grossen Höhle, unmittelbar unter der Hauptstatue der Gottheit Pan.

Das war deutlich: Jesus verspricht dem Petrus, dass die Zeit des Pan-Felsens, die Zeit der heidnischen Gottheiten, vergehen wird. Der Sohn des lebendigen Gottes verheisst, dass die Pforten der alten Kulte – zwar noch sichtbar in den Statuen, in den Nischen und in der grossen Höhle – dass diese Verführung den wahren Glauben an den lebendigen Gott, bzw. die Gemeinschaft der Gläubigen, das ist die christliche Gemeinde, nicht überwinden werde.

Bei diesen Worten wandert der Blick in Cäsarea Philippi unweigerlich zur dunkelsten und tiefsten Höhle des Pan-Tempels: Die Vielzahl der antiken Kulte, allumfassend ("Pan" = alles) an diesem Ort versinnbildlicht, führt nur in eine dunkle Welt finsterer Mächte, die trotz ihrer zahlenmässigen Übermacht keine Chance gegen den Glauben an Jesus haben werden.

Ein Jude wie Simon Petrus wird dabei auch an den "Scheol" gedacht haben, die Vorstellung der Hölle, wie sie z. B. Jesaja formulierte. Das Totenreich (griech. Hades) ist der Ort, wo die Geister der verstorbenen Ungläubigen bestraft werden. Die Eingangstür in den Hades ist der Tod. Daher sind "die Pforten des Hades" auch ein jüdischer Ausdruck für den Tod. Jesus macht deutlich, dass seine Jünger von ihm die Kraft bekommen, der Bedrohung der Hölle zu widerstehen. Sogar der Tod, die letzte Waffe Satans (vgl. Hebr. 2,14 und 15), kann die Gemeinde nicht aufhalten.

Jesus sagt nun nicht, dass er auf "Petros" seine Gemeinde gründen will, sondern vielmehr auf "Petra": Nicht auf dich, Petrus, als Person, sondern auf den Felsen, für den du nun stehst. Das Wortspiel, das Jesus hier spielt, und das annähernd so deutlich auch aramäisch mit "Kepha"/"Kephas" funktioniert, beruht durchaus auf einem feinen Unterschied. Jesus setzt den persönlichen Beinamen und das Wort für "Fels" nicht völlig gleich, sondern benutzt dieses Wort anschliessend ausdrücklich getrennt.

Im Deutschen lässt sich dieser Wechsel der Geschlechter kaum nachahmen, aber es wäre in etwa so, als hätte Jesus gesagt: "Du bist Fels, und auf diese Felsin will ich …" Anders gesagt: Das Wortspiel zielt sehr bewusst auf eine enge Beziehung zwischen beiden. Und doch sagt Jesus eben nicht: "Du bist Fels, und auf dich …", oder "Du bist Fels, und darauf …", sondern er spricht vom Gestein als einer eigenen Grösse. Die Elberfelder-Übersetzung lautet: "Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Gemeinde bauen."

Wir haben es gelernt, bei Jesus auf Nuancen zu achten, auch im griechisch verfassten Bericht der Evangelien. Nicht die Person Petrus ist der Fels, sondern der Messias-Glaube, der Sohn-Gottes-Glaube, der Glaube an die gesamte Lehre, die von Jesus ausgeht. Darauf wird die künftige Gemeinschaft gründen. Jesus selbst hatte das so vorgegeben: "Wer diese meine Worte hört, und tut sie, der gleicht einem klugen Mann, der sein Haus auf Fels (‘petra’) baute" (Matth. 7,24).

Petrus ist der erste Garant dafür, und alle, die ihm damals ebenso wie heute zustimmen, stehen in seiner Tradition – daran besteht kein Zweifel. Aber er ist nicht die alleinige Verkörperung des Felsens der Gemeinde.

Der Felsen, auf den Jesus seine Gemeinde bauen will, wird gegen den Felsen gestellt, den sie alle vor sich sehen: Den Felsen des Pan-Heiligtums mit seinen Grotten und Nischen und Statuen. Es ist eine Kampfansage gegen das alte, heidnische Vielgöttertum. Der neue Felsen tritt an die Stelle der alten Religionen, die hier, an diesem Ort, im Pan-Heiligtum symbolisiert sind.

Mit der Meinungsumfrage zu seiner Person hatte Jesus nicht zugewartet, bis er in Jerusalem war. Nein, hier, an diesem Götzenort, wollte er wissen, was man über ihn sagte. Genau hier sollte deutlich werden, wer der lebendige Gott ist. Und hier werden die Jünger auch für den Missionsauftrag vorbereitet, allen Völkern den christlichen Glauben zu bringen. Auch dies geschah vor dem Heiligtum des All-Gottes Pan in Cäsarea Philippi und signalisierte die Niederlage des Heidentums.


Was ist in Petrus gefahren?

"Von der Zeit an begann Jesus Christus, seinen Jüngern klar zu machen, dass er nach Jerusalem gehen und dort von den Ältesten und Hohenpriestern und Schriftgelehrten viel leiden, ja den Tod erdulden müsse, aber am dritten Tage würde er auferstehen. Da nahm ihn Petrus ernstlich zur Seite und machte Jesus Vorhaltungen und sagte zu ihm: ‘Herr, Gott ist dir gnädig, das wird dir nicht begegnen.’ Jesus aber wandte sich um und sagte zu Petrus: ‘Geh weg – stell dich hinter mich, du Satan. Du bist mir ein Skandalon (ein Fallstrick, Ärgernis); denn du denkst nicht göttlich, sondern menschlich.’ Darauf sagte Jesus zu seinen Jüngern: ‘Wenn jemand mit mir gehen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und werde mein Nachfolger’" (Matthäus 16,21 bis 24).

Bei aller von Gott geschenkten Erkenntnis hatte Petrus immer noch eigene Vorstellungen vom Messias. Das antike Judentum stellte sich Jesus als Befreier von der römischen Besatzung vor. Jesus wusste, dass der Messias zu leiden haben würde, so wie es in Jesaja 53 steht. Darauf verweist er nun seine Jünger, indem er ihnen klar macht, "dass er nach Jerusalem gehen und dort von den Ältesten und Hohenpriestern und Schriftgelehrten viel leiden, ja den Tod erdulden müsse, aber am dritten Tage würde er auferstehen".

Darauf reagierte Petrus heftig. Impulsiv nahm er Jesus zur Seite. Petrus machte dem Meister Vorwürfe und widersprach ihm: "Herr, Gott ist dir gnädig, das wird dir nicht begegnen."

Im Weltbild, das Petrus und die Juden damals prägte, durfte es keinen leidenden und von anderen getöteten Messias geben. Auch Jesus wusste das, und so dürfen wir heute nicht falsch verstehen, was er in sehr scharfer Form seinem Jünger entgegnete, den er nur Augenblicke vorher noch gelobt hat-te: "Stell dich hinter mich, Satan! Du bist mir ein Skandalon (ein Ärgernis), denn du denkst nicht göttlich, sondern menschlich." Man kann die Stelle auch so übersetzen: "Weg mit dir, Satan, geh mir aus den Augen! Du willst mich zu Fall bringen; denn du hast nicht im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen."

Wer das ohne weitere Erklärung liest, dürfte einiges falsch verstehen. Selbstverständlich setzt Jesus den Petrus nicht mit Satan gleich, und natürlich weist er ihn auch nicht weit von sich. Schon beim nächsten wichtigen Ereignis, dem Gang auf dem Berg der Verklärung, ist Petrus nämlich als Erster wieder dabei. Jesus verurteilt etwas völlig anderes. Sprachwissenschaftler beklagen gerade an dieser Stelle den Irrtum der meisten Bibelübersetzungen, denn sinngemäss muss der Text so lauten: "Zieh dich zurück (und denke nach über das, was du eben gesagt hast), und (dann) geh hinter mich (d. h. folge mir nach)."

Nur – warum spricht Jesus von Petrus als dem Satan, dem Teufel? So wie kurz zuvor die Gottes Offenbarung aus Petrus gesprochen hat – das hat Jesus ja bestätigt – so spricht aus Petrus nun die satanische Versuchung. Petrus war in diesem Augenblick vom Felsen zum "skandalon" geworden, wörtlich zur "Falle" oder zum "Fallstrick". Satan bleibt der Gegner Jesu, aber Petrus bleibt der erste Jünger. Jesus liess auch nach dieser Begebenheit nichts unversucht, um Petrus und den anderen Jüngern zu erklären, welcher Messias er war und welchen Weg der Messias zu gehen hatte. Zu tief war im Judentum die Vorstellung verwurzelt, dass der Messias nicht leiden durfte.

Das ist so geblieben. Die Mehrheit der Juden hat ihre liebe Mühe mit der messianischen Proklamation des Juden Jesus von Nazareth – denn im Judentum erwartet man bis heute mit dem siegreichen Kommen des Messias den irdischen Frieden. Shalom Ben Chorim: "Der Glaube von Jesus eint uns, doch der Glaube an Jesus (als den Messias) trennt uns."

Und auf einer Diskussionsveranstaltung antwortete Pinchas Lapide einmal: "Wenn der Messias kommt, werden wir sehen, ob es dein Jesus ist oder ein anderer, auf den wir warten."

Der Friede auf Erden im irdisch-gesellschaftlichen Sinne ist bis heute ausgeblieben. Der Friede Gottes, den Jesus verkündete und verkörperte, war und ist ein anderer. Auch bei uns gibt es diese falsche Vorstellung und Selbstüberschätzung, wenn jemand sagt: "Ich will nicht, dass einer für mich leidet", oder: "Ich stehe schon selber für das gerade, was ich gemacht habe." Dabei können wir das gar nicht. Was tun wir mit unserer Schuld angesichts der Gerechtigkeit und des Zornes Gottes? Wir können uns nicht selbst erlösen.

Petrus liebte Jesus bedingungslos, darin kann und soll er uns ein Vorbild sein. Die Gefährdung durch satanische Einflüsse und Versuchung ist stets gegenwärtig. Petrus überwand sie, weil er den Messias liebte. Diese Liebe wies Jesus nicht zurück. Jesus korrigierte den Irrweg des Petrus und zeigte ihm wie allen Christen seitdem, dass die wahre Nachfolge darin besteht, dicht hinter Jesus zu gehen, ohne sich von den Einflüsterungen des Zeitgeistes ablenken zu lassen.

Jesus ist der Sieger

Jesus wurde wegen seines Anspruchs, der Messias und Sohn Gottes zu sein, von jüdischen Gegnern verhört und für schuldig befunden und von einem römischen Richter nach römischem Recht zum Tode verurteilt (vgl. Mark. 14,53–64), und zwar zum Tod am Kreuz. Viele reden über die Brutalität des Mel Gibson Films "Die Passion Christi". Und die Kritiker haben Recht: So war es nicht, denn – es war noch grausamer! Zur Zeit Jesu wurden Hunderte, Tausende Juden von den Römern brutal an Kreuze genagelt. Doch Jesu Tod ist unvergleichlich.

Am Kreuz Jesu sehen wir die schlimmsten Auswüchse des Hasses auf der Seite der Menschen – und auf der Seite Gottes die grösste Liebe. So sehr hasst der Mensch, dass er Christus tötete. So sehr liebt Gott die Menschen, dass er ihnen das Leben gibt, das ewig währt.

Mit dem Tod Jesu Christi ist das Geschick der Welt entschieden. Der sündlose Sohn des lebendigen Gottes starb für unsere Schuld. Hier schloss der Messias Frieden mit Gott – für uns! Seitdem gilt allen: "Also hat Gott die Welt geliebt (an dieser Stelle sollte man anstatt "Welt" seinen eigenen Namen einsetzen), dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben haben" (Joh. 3,16).

Jesus trug unser aller Sünden und er litt unbarmherzig und grauenvoll die Strafe, zu der jeder Einzelne verurteilt ist. Die Bibel sagt uns, dass es nicht ratsam ist, unbeschwert und leichtfertig darüber hinwegzugehen, denn das Heil, das Jesus Christus für uns auf Golgatha vollbracht hat, ist sehr teuer – er gab sein Leben dafür.

Weil Jesus, als der Messias, für unsere Schuld gelitten und uns durch seine Wunden geheilt hat, darum ist das zerbrochene Verhältnis zwischen Gott und der Menschheit wieder "heil". Genau das bedeutet das hebräische Wort "Schalom": Ganzheit, Heil-Sein und darum Frieden und ungetrübtes Glück. Durch den Sühnetod des Messias können wir Frieden haben, den wahren "Schalom". Deshalb ist die erste Meinungsumfrage der Welt so wichtig.

Der Frage von Jesus müssen wir uns in der Tat auch heute wieder aussetzen: Wer ist Jesus? Sie ist umso aktueller, je mehr wir die Gemeinsamkeiten unserer Gegenwart mit jener Epoche erkennen, in der die Frage zum ersten Mal gestellt wurde. Der Judaist Prof. Otto Betz sagte: "Der blosse Rabbi Jesus, der unübertroffene Gleichniserzähler und gewaltige Prediger, der etwas radikale Pharisäer aus Nazareth mag vielen nicht nur als guter Jude, sondern auch als Vorbild des Christ-Seins erscheinen. Nur das ist nicht der wirkliche, historische Jesus, der gekreuzigte König der Juden. Dieser war der Christus, der Messias, ihm gegenüber gibt es nur die Alternative: Gottes Sohn oder falscher Prophet, Messias Israels oder Verführer Israels. Wer in Jesus nur den wandernden Rabbi oder den Rufer vor dem Ende sieht, bleibt hinter seinem Anspruch und dem Zeugnis der Jünger und den Aussagen der Bibel zurück."

Die religiöse Welt erwartete einen Messias, den man sich zurechtgelegt hatte. Doch wenn wir das Neue Testament lesen, lässt es sich erkennen: Das Warten hat ein Ende, der Messias ist da und sein Name lautet Jesus Christus! Jesus ist der Messias.

Wer ist Jesus für Sie? Ein besonderer Rabbi, ein Religionsstifter oder ein grossartiger Mensch? Dann ist er nur ein Vorbild. Die Bibel sagt: Er ist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes. Und er will unser Retter sein. Nehmen wir uns seine Botschaft zu Herzen. Nachfolger des Messias erfahren ein sinnerfülltes Leben voller Hoffnung und Zukunft.

Literatur
C. P. Thiede: Jesus. Der Glaube. Die Fakten, Augsburg, 2003

C. P. Thiede: Wer bist du Jesus? Schlaglichter auf den Mann, der in kein Schema passt. Brunnen, 2000
O. Betz: Was wissen wir von Jesus? Der Messias im Licht von Qumran. Wuppertal, 1999

Autoren: Alexander Schick; Carsten P. Thiede

Datum: 13.12.2004
Quelle: factum Magazin

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