Papst: "Ich bitte alle um Vergebung"

Der Papst zieht Bilanz.

Der Vatikan hat das Testament von Papst Johannes Paul II. veröffentlicht. «Ich bitte alle um Vergebung», heisst es in dem 15 Blätter umfassenden Text. Wörtlich: "Ich danke allen. Alle bitte ich um Vergebung. Und ich bitte auch um Euer Gebet, damit die Barmherzigkeit Gottes sich als grösser erweist als meine Schwäche und Unwürdigkeit."

Aus dem Testament geht hervor, dass er in der Spätphase seines Pontifikats durchaus einen Rücktritt in Erwägung gezogen hatte. In dem Testament hat der Papst weiter angeordnet, dass seine persönlichen Aufzeichnungen verbrannt werden sollen.

Über seinen Tod schrieb der Papst bereits am 1. März 1980: "Jeder muss die Aussicht auf den Tod vor Augen haben. Und bereit sein, sich dem Herrn und Richter zu zeigen, der zugleich Erlöser und Vater ist. (...)

In seinem Testament dankte der Papst der Göttlichen Vorsehung für das Ende des "Kalten Krieges". Besonders sei die Vorsehung zu preisen, dass diese Ära ohne einen Atomkrieg zu Ende gegangen sei, der als Gefahr über den vorausgegangenen Jahren schwebte.

«Die Zeiten, in denen wir leben, sind unsagbar schwer und unruhig,» schreibt das Kirchenoberhaupt ferner in seinem Testament. «So viele Menschen sterben unschuldig auch in diesem Land, in dem wir leben.» Heutige Christenverfolgungen seien in einigen Regionen heute ebenso gravierend «wie in den ersten Jahrhunderten» beklagt der verstorbene Papst. Sie überträfen diese sogar «in ihrer Unbarmherzigkeit und in ihrem Hass».

Das Testament des Papstes liegt in italienischer und polnischer Sprache vor.

Das Testament im Wortlaut

Das Testament des Papstes gibt tief Einblick in das Denken dieses Mannes. Das Testament besteht aus 15 Einzelblättern. Lateinische Zitate wurden in Klammern übersetzt.

Seid also wachsam! Denn ihr wisst nicht, an welchem Tag euer Herr kommt." (Mt 24,42) - diese Worte erinnern mich an den letzten Ruf, der in dem Augenblick erfolgen wird, wenn der Herr es will. Ich wünsche Ihm zu folgen und wünsche, dass alles, was zu meinem irdischen Lehen gehört, mich auf diesen Augenblick vorbereiten möge. Ich weiss nicht, wann er kommt, aber wie alles lege ich auch diesen Augenblick in die Hände der Mutter meines Herrn: Totus Tuus. Denselben mütterlichen Händen übergebe ich alles und all jene, mit denen mich mein Leben und meine Berufung verbunden hat. Diesen Händen überlasse ich vor allem die Kirche, und auch meine Nation und die ganze Menschheit. Ich danke allen. Alle bitte ich um Vergebung. Ich bitte auch um das Gebet, damit sich die Barmherzigkeit Gottes als grösser erweist als meine Schwachheit und Unwürdigkeit.

Während der Geistlichen Exerzitien habe ich das Testament des Heiligen Vaters Paul VI. wieder gelesen. Diese Lektüre hat mich dazu bewogen, dieses Testament zu schreiben.

Ich hinterlasse kein Eigentum, über das zu verfügen notwendig wäre. Was die alltäglichen Dinge betrifft, die mir dienten, bitte ich, sie so zu verteilen, wie es geeignet erscheinen wird. Die persönlichen Aufzeichnungen sind zu verbrennen. Ich bitte darum, dass darüber Don Stanislaw wacht, dem ich für seine Zusammenarbeit danke und für seine jahrelange und so verständnisvolle Hilfe. Alle anderen Danksagungen dagegen lasse ich in meinem Herzen vor Gott selbst, weil es schwierig ist, sie auszudrücken.

Was die Beisetzung betrifft, wiederhole ich die gleichen Dispositionen, die der Heilige Vater Paul VI. (hier ist am Rand vermerkt: das Begräbnis in der Erde, nicht in einem Sarkophag, 13.3.92).

"apud Dominum misericordia et copiosa apud Eum redemptio" (Beim Herrn ist Barmherzigkeit und reiche Erlösung.)

Rom, 6. III. 1979 Nach dem Tode bitte ich um Heilige Messen und Gebete 5. III.1990

Blatt ohne Datum:

Ich drücke mein tiefstes Vertrauen aus, dass trotz meiner Schwachheit der Herr mir jede Gnade gewähren wird, um nach Seinem Willen jedmögliche Aufgabe, Prüfung und Leiden zu bewältigen, die von Seinem Diener im Laufe seines Lebens verlangt werden. Ich vertraue auch darauf, dass er niemals erlaubt, dass ich durch irgendwelches Verhalten: Worte, Werke oder Unterlassungen, meine Verpflichtungen auf diesem heiligen Stuhl Petri verraten könnte.

24.II.-1.III.1980 Auch während dieser Geistlichen Exerzitien habe ich über die Wahrheit des Priestertums Christi im Blick auf jenen Übergang nachgedacht, der für jeden von uns der Augenblick des Todes ist. Vom Abschied von dieser Welt - um in der anderen geboren zu werden, in der künftigen Welt, deren sprechendes Zeichen (darüber ergänzt: entscheidendes) für uns die Auferstehung Christi ist.

Ich las die Aufzeichnung meines Testaments vom vergangenen Jahr, auch dieses während der Geistlichen Exerzitien gemacht - ich habe es mit dem Testament meines grossen Vorgängers und Vaters Paul VI. verglichen, mit jenem erhabenen Zeugnis vom Tod eines Christen und eines Papstes - und ich habe mir diese Fragen erneut ins Bewusstsein gerufen, auf die sich die von mir verfasste Aufzeichnung des 6.III.1979 bezieht (in einer eher vorläufigen Art).

Heute möchte ich dem nur das hinzufügen, dass jeder seinen bevorstehenden Tod vor Augen haben muss. Und man muss bereit sein, sich vor dem Herrn und dem Richter - und gleichzeitig Erlöser und Vater - zu erscheinen. Folglich bin auch ich mir dessen ständig bewusst, wobei ich diesen entscheidenden Augenblick der Mutter Christi und der Kirche anvertraue - der Mutter meiner Hoffnung.

Die Zeiten, in denen wir leben, sind unsagbar schwierig und unruhig. Schwierig und angespannt ist auch der Weg der Kirche geworden, eine für diese Zeit bezeichnende Prüfung - sowohl für die Gläubigen, als auch für die Hirten. In einigen Ländern (wie z.B. in jenem, von dem ich während der Geistlichen Exerzitien gelesen habe), befindet sich die Kirche in einer Zeit der Verfolgung, die so gross ist, dass sie nicht geringer ist als jene der ersten Jahrhunderte, ja diese durch den Grad der Unbarmherzigkeit und des Hasses noch übersteigt. Sanguis martyrum - semen christianorum. (Das Blut der Märtyrer ist der Same der Christen). Darüber hinaus - viele Menschen kommen unschuldig ums Leben, auch in dem Land, in dem wir leben.

Ich will mich nochmals vollkommen der Gnade des Herrn anvertrauen. Er selbst wird entscheiden, wann und wie ich mein irdisches Leben und mein Hirtenamt beende. Im Leben und im Tod Totus Tuus durch Maria, die Unbefleckte. Indem ich schon jetzt diesen Tod akzeptiere, hoffe ich, dass Christus mir die Gnade des letzten Geleits gibt, das heisst (mein) Ostern. Ich hoffe auch, dass sie diese auch für jenes wichtigste Anliegen fruchtbar macht, dem ich zu dienen suche: die Rettung der Menschen, der Schutz der Menschheitsfamilie, und darin alle Nationen und Völker (unter denen ich mich auch in besonderer Weise an meine irdische Heimat wende), fruchtbar für die Menschen, denen er mich in besonderer Weise anvertraut hat, für das Anliegen der Kirche, für die Verherrlichung Gottes.

Ich will dem, was ich vor einem Jahr geschrieben habe, nichts hinzufügen - nur diese Bereitschaft und gleichzeitig dieses Vertrauen ausdrücken, für die mich die derzeitigen Geistlichen Exerzitien aufs Neue bereit gemacht haben.

Johannes Paul II.

5.III.1982 Während der Geistlichen Exerzitien dieses Jahres habe ich (mehrfach) die Testamentseintragung vom 6.III.1979 gelesen. Obwohl ich alles noch immer als provisorisch betrachte (nicht definitiv), belasse ich es in der Form, in der es vorliegt. Ich ändere (im Moment) nichts, und ebensowenig ergänze ich auch nichts, was die darin enthaltenen Verfügungen betrifft.

Das Attentat auf mein Leben am 13.V.1981 hat auf gewisse Weise die Exaktheit der Worte bestätigt, die ich in der Zeit der Exerzitien 1980 (24.II.-1.III.) schrieb. Immer tiefer spüre ich, dass ich mich vollständig in den Händen Gottes befinde - und ich bleibe ständig zur Verfügbarkeit meines Herren, und vertraue mich Ihm in Seiner Unbefleckten Mutter an (Totus Tuus). Johannes Paul pp. II

5.III.1982 In Verbindung mit dem letzten Satz meines Testaments vom 6.III.1979 (:"Über den Ort/das heisst den Ort der Beerdigung/ sollen das Kardinalskollegium und die Landsleute entscheiden") - möchte ich erklärend hinzufügen: Der Metropolit von Krakau oder der Generalrat des Episkopates von Polen - das Kardinalskollegium bitte ich dagegen, soweit möglich eventuelle Anliegen der oben Genannten zu berücksichtigen.

1.III.1985 (während der Geistlichen Exerzitien). Nochmals zu meiner Formulierung "Das Kardinalskollegium und die Landsleute": Das "Kardinalskollegium" ist nicht verpflichtet, zu dieser Frage meine "Landsleute" zu befragen; es kann es freilich tun, wenn es es aus irgendeinem Grund für angemessen hält.

Geistliche Exerzitien des Heiligen Jahres 2000 (12.-18.III.)

(Für das Testament)
1. Als das Konklave der Kardinäle am 16. Oktober 1978 Johannes Paul II. gewählt hat, sagte mir der polnische Primas, Kardinal Stefan Wyszinski: "Die Aufgabe des neuen Papstes wird es sein, die Kirche ins Dritte Jahrtausend zu führen." Ich weiss nicht, ob ich diesen Satz genau wiederhole, aber wenigstens war dies der Sinn dessen, was ich damals hörte. Das sagte der Mann, der in die Geschichte als Primas des Jahrtausends eingegangen ist. Ein grosser Primas. Ich war Zeuge seiner Mission, Seiner vollkommenen Hingabe. Seiner Kämpfe: Seines Sieges. "Wenn der Sieg kommt, wird er ein Sieg durch Maria sein." - Diese Worte seines Vorgängers, Kardinal Augustyn Hlond, pflegte der Primas des Jahrtausends zu wiederholen. So war ich in gewisser Weise auf die Aufgabe vorbereitet, die sich mir am 16. Oktober 1978 stellte. In dem Augenblick, in dem ich diese Worte niederschreibe, ist das Jubiläumsjahr 2000 schon als Realität im Gang. In der Nacht des 24. Dezember 1999 wurde die symbolische Pforte des Grossen Jubeljahres in der Peterskirche geöffnet, anschliessend die der Lateranbasilika, dann, am Neujahrstag, die von Santa Maria Maggiore und am 19. Januar die Pforte der Basilika Sankt Paul vor den Mauern. Letzteres Ereignis ist wegen seines ökumenischen Charakters in besonderer Weise in Erinnerung geblieben.

2. Je weiter das Jubiläumsjahr 2000 voranschreitet, schliesst sich hinter uns das 20. Jahrhundert, und das 21. Jahrhundert öffnet sich. Gemäss den Plänen der Göttlichen Vorsehung wurde es mir zuteil, in dem schwierigen Jahrhundert zu leben, das nun zur Vergangenheit wird, und nun, in dem Jahr, in dem sich mein 80. Lebensjahr vollendet ("octogesima adveniens"), muss man sich fragen, ob es nicht Zeit wäre, mit dem biblischen Simeon zu wiederholen: "Nunc dimittis". (Nun lässt du Herr Deinen Knecht in Frieden scheiden).

Am Tag des 13. Mai 1981, dem Tag des Attentats auf den Papst während der Generalaudienz auf dem Petersplatz, hat mich die Göttliche Vorsehung auf wunderbare Art vor dem Tod bewahrt. Derjenige, der einziger Herr über Leben und Tod ist, hat mir dieses Leben verlängert, ja gewissermassen hat er es mir wiedergeschenkt. Es gehört von jenem Moment an noch mehr Ihm. Ich hoffe, dass Er mir hilft zu erkennen, bis wann ich meinen Dienst fortsetzen soll, zu dem Er mich am 16. Oktober 1978 berief. Ich bitte Ihn, mich zu sich zu rufen, wann Er es will. "Leben wir, so leben wir dem Herrn, sterben wir, so sterben wir dem Herrn." (vgl. Rm 14,8). Ich hoffe auch, dass mir die Göttliche Barmherzigkeit die nötige Kraft für diesen Dienst gibt, solange es mir gegeben ist, den Petrusdienst in der Kirche zu leisten.

3. Wie jedes Jahr während der Geistlichen Exerzitien habe ich mein Testament vom 6. März 1979 wieder gelesen. Ich halte an den Verfügungen fest, die darin enthalten sind. Was damals und während der folgenden Geistlichen Exerzitien hinzugefügt wurde, spiegelt die schwierige und angespannte allgemeine Situation wieder, die die 80er Jahre kennzeichnete. Seit dem Herbst 1989 ist diese Situation verändert. Das letzte Jahrzehnt des vergangenen Jahrhunderts war frei von den vorausgehenden Spannungen; das bedeutet nicht, dass es nicht neue Probleme und Schwierigkeiten mit sich gebracht hat. In besonderer Weise sei die Göttliche Vorsehung dafür gepriesen, dass die Ära des so genannten "Kalten Krieges" ohne einen Atomkrieg zu Ende gegangen ist, der als Gefahr über der vergangenen Periode lastete.

4. An der Schwelle des Dritten Jahrtausends "in medio Ecclesiae" (inmitten der Kirche) möchte ich noch einmal meine Dankbarkeit gegenüber dem Heiligen Geist für das grosse Geschenk des Zweiten Vatikanischen Konzils zum Ausdruck bringen, in dessen Schuld ich gemeinsam mit der gesamten Kirche - und vor allem mit dem gesamten Episkopat - stehe. Ich bin überzeugt, dass es den neuen Generationen noch lange aufgegeben sein wird, die Reichtümer auszuschöpfen, die dieses Konzil des 20. Jahrhunderts uns geschenkt hat. Als Bischof, der an dem konziliaren Ereignis vom ersten bis zum letzten Tag teilgenommen hat, möchte ich dieses grosse Erbe all jenen anvertrauen, die in Zukunft gerufen sein werden, es zu verwirklichen. Für meinen Teil danke ich dem Ewigen Hirten, der es mir erlaubt hat, dieser grossartigen Sache im Laufe all der Jahre meines Pontifikats zu dienen. "In medio Ecclesiae" ist es mir von den ersten Jahren meines Bischofsdienstes an - eben durch das Konzil - vergönnt gewesen, die brüderliche Gemeinschaft des Episkopats zu erfahren. Als Priester des Erzbistums Krakau hatte ich erfahren, was die brüderliche Gemeinschaft der Priester ist - das Konzil hat eine neue Dimension dieser Erfahrung eröffnet.

5. Wie viele Menschen müsste ich hier aufzählen! Die meisten von ihnen hat Gott der Herr wahrscheinlich zu sich gerufen. Mögen die Worte dieses Testaments sie und auch jene, die noch auf dieser Seite weilen, in Erinnerung rufen - alle und überall, gleich an welchem Ort sie weilen.

Im Lauf der mehr als zwanzig Jahre, die ich das Petrusamt "in medio Ecclesiae" ausübe, habe ich die wohlwollende und überaus fruchtbare Zusammenarbeit mit vielen Kardinälen erfahren, mit Erzbischöfen und Bischöfen, vielen Priestern, vielen Personen des geweihten Lebens - Brüdern und Schwestern - und schliesslich mit unzähligen Laien, im Umfeld der Kurie, im Vikariat der Diözese Rom, sowie auch ausserhalb dieser Bereiche. Wie soll ich nicht in dankbarem Erinnern alle Episkopate in der Welt umarmen, die ich im Laufe der "ad-limina-Besuche" getroffen habe! Wie nicht der vielen christlichen, nicht-katholischer Brüder gedenken! Und des Rabbiners von Rom sowie der zahlreichen Vertreter der nicht-christlichen Religionen! Und der vielen Repräsentanten der Welt der Kultur, der Wissenschaft, der Politik und der Medien!

6. Je näher das Ende meines irdischen Daseins rückt, kehre ich in Gedanken zurück an den Anfang, zu meinen Eltern, zu meinem Bruder und meiner Schwester (die ich nicht kannte, weil sie vor meiner Geburt starb), zur Pfarrei von Wadowice, wo ich getauft wurde, zu jener Stadt meiner Jugend, zu den Altersgenossen und Klassenkollegen der Volksschule, des Gymnasiums, der Universität, bis zur Zeit der Besatzung, als ich Arbeiter war, und schliesslich zur Pfarrei von Niegowice zur Krakauer Pfarrei Sankt Florian, zur Hochschulseelsorge, zu diesem Umfeld ... zu all diesen Umfeldern ... in Krakau und in Rom ... zu allen Menschen, die mir auf besondere Weise vom Herrn anvertraut wurden.

Allen will ich nur eines sagen: "Möge Gott es euch vergelten." "In manus Tuas, Domine, commendo spiritum meum" (In Deine Hände, o Herr, empfehle ich meinen Geist)

Datum: 09.04.2005
Quelle: Kipa

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