110 Tote bei Massaker in Nigeria
«Mindestens 110 Zivilisten wurden rücksichtslos ermordet und viele weitere verletzt», erklärte am Sonntag der UN-Hilfskoordinator für Nigeria, Edward Kallon. Bewaffnete Männer auf Motorrädern griffen Männer und Frauen in Koshobe und umliegenden Orten im Bundesstaat Borno an, die dabei waren, ihre Ernte einzubringen. Die Opfer wurden gefesselt; anschliessend wurde ihnen die Kehle durchgeschnitten.
Wer für den Angriff verantwortlich ist, war zunächst unklar. Doch er trug alle Merkmale der Terrormiliz Boko Haram und deren Splittergruppe ISWAP, einem IS-Ableger. Bereits im Oktober hatten die Islamisten bei zwei Angriffen nahe Maiduguri insgesamt 22 Landarbeiter getötet. Die Terroristen hatten zuletzt verstärkt Bauern, Holzarbeiter, Viehhalter und Fischer attackiert, weil diese angeblich als Informanten für die Armee arbeiteten.
Der Erzbischof von Canterbury, Justin Welby, nannte das Massaker einen «Akt des reinen Bösen». Der nigerianische Präsident Muhammadu Buhari verurteilte den Angriff. «Das ganze Land ist durch diese sinnlosen Tötungen verwundet worden», sagte er.
«Schock-Element»
Der Angriff am Samstag und die schiere Zahl der Opfer sei besonders bedeutsam wegen des «Schock-Elements», erklärte am Montag Akinola Olojo, ein führender Experte für die Tschadsee-Region bei der Denkfabrik Institute for Security Studies (ISS), zitiert von «Focus Online». Der Angriff erzeuge Angst und sende die Botschaft, dass «Boko Haram und seine Fraktionen nach wie vor aktiv und tödlich sind».
Nigeria geht gegen die Extremisten vor allem mit seinem Militär vor. Die nigerianischen Streitkräfte änderten im vergangenen Jahr offenbar ihre Strategie: Anstatt Soldaten in kleinen Formationen in Dörfern zu stationieren, wurden grössere Camps gebildet. Damit ist das Militär gegen direkte Angriffe der Extremisten gestärkt – allerdings ist die Zivilbevölkerung weniger geschützt und die Reaktionszeit der Armee länger.
Veränderte Taktik
Ein Militäreinsatz allein reiche gegen die Extremisten nicht aus. «Die ist eine sehr komplexe Krise», sagte Olojo, was den Kampf gegen die Terrorgruppen sehr schwer macht. «Boko Haram passt sich an, ändert seine Taktiken», erklärt er. Neben dem Militäreinsatz müsse die Regierung auch die Ideologie der Gruppen und den Missbrauch der Religion durch sie bekämpfen sowie die Gemeinden miteinbeziehen.
Durch die Angriffe der Milizen und ihre Kämpfe mit der Armee wurden in den vergangenen Jahren rund 36'000 Menschen getötet, zwei Millionen ergriffen die Flucht.
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Datum: 03.12.2020
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Christian Today / Focus Online