Wahlergebnis

Schwere Zeiten für Christen in Indien?

Indien hat gewählt. Und die Bevölkerung der grössten Demokratie der Welt hat sich für einen Wechsel entschieden: Höchstwahrscheinlich hat die Indische Volkspartei BJP, mit ihrem Spitzenkandidaten Narendra Modi an der Spitze, sogar die absolute Mehrheit im Parlament gewonnen. Viele Christen stellen sich in der Folge bereits auf schwere Zeiten ein.
Der Lotustempel (Bahai-Religion) im Stadtteil Bahapur der indischen Hauptstadt Neu-Delhi.
Narendra Modi

Indien ist für die meisten Westeuropäer weitgehend unbekannt: Wir haben von Gandhi gehört, Bollywood-Filme gesehen und mit Erschrecken die Nachrichten von Massenvergewaltigungen mitbekommen. Doch Indien ist viel mehr. Trotz Kastensystem, Armut und religiöser und ethnischer Vielfältigkeit gilt die Demokratie in dem Staat mit 1,2 Milliarden Einwohnern als gefestigt.

Das Wahlergebnis

Die hindu-nationalistische BJP hat gerade die jahrzehntelang unangefochten regierende Kongresspartei abgelöst. Dies ist mehr als ein erdrutschartiger Sieg, es ist gleichzeitig ein Demontieren des bisher politisch beherrschenden Gandhi-Clans. Einheimischen Presseberichten zufolge könnte Narendra Modi sogar 272 der 543 Sitze im Parlament von New Delhi errungen haben und wäre damit unabhängig von Koalitionspartnern. Die noch regierende Kongresspartei wird wohl nur noch 47 Sitze erhalten. Damit hat sich die Bevölkerung deutlich gegen Korruption und schleppende wirtschaftliche Fortschritte gewandt und für einen «starken Mann» entschieden, der sich selbst aus den unteren Kasten zum Politiker hochgearbeitet hat.

Die Sorgen der Minderheiten

Für viele ist der 63-jährige Modi allerdings stark umstritten. Er zog mit einem anti-islamisch geprägten Programm in den Wahlkampf. Dies macht Muslimen – und auch Christen – jetzt grosse Sorge. Der bisherige Regierungschef des Bundesstaates Gujarat steht unter dem Verdacht, dass er ein Massaker von hinduistischen Extremisten an Muslimen duldete, bei dem über 1'000 Menschen ums Leben kamen. Und sein Säbelrasseln für eine hinduistische Nation und gegen ausländische bzw. anders-religiöse Einflüsse lässt sie mit Sorgen in die Zukunft schauen. «Unsere schlimmsten Befürchtungen sind jetzt Realität geworden», postete z.B. Cedric Prakash, Direktor des Zentrums für Menschenrechte, Gerechtigkeit und Frieden in Gujarat auf Facebook. Der Jesuit rief seine Landsleute auf, alles zu tun, «um den Pluralismus unseres Landes zu bewahren und ganz besonders die Rechte der Armen, der Ausgegrenzten, der Minderheiten und der verletzlichen Gruppen in unserem Land zu verteidigen».

Übergriffe in Sicht?

Gegenüber der Katholischen Nachrichtenagentur KNA betonte die Missio-Referentin für Indien, Bettina Leibfritz: «Die hindunationalistischen Strömungen bedrohen seit vielen Jahren die Religionsfreiheit im Lande und haben in der Vergangenheit immer wieder zu gewalttätigen oder gar pogromartigen Übergriffen auf Muslime und Christen geführt.» Der Leiter der in Indien tätigen Inter-Mission, Markus Egger, erwähnte auf Anfrage von Idea auch die Probleme von Christen, die sich in der Vergangenheit überall da ergeben hätten, wo die BJP die Regierung stellte. Er schränkte allerdings ein: «Das indische Grundgesetz garantiert Religionsfreiheit.» Dies könne auch die BJP nicht ausser Kraft setzen. Allerdings sei die Sorge durchaus berechtigt, dass Hilfswerke im Land die Erlaubnis verlieren könnten, Geld aus dem Ausland anzunehmen.

Dass Indien vor einem Wandel steht, scheint ausgemacht. Es wird soziale und kulturelle Umwälzungen geben, deren Folgen noch überhaupt nicht abschätzbar sind. Diese betreffen die wirtschaftliche Weiterentwicklung. Sie betreffen auch stark den Umgang mit Minderheiten im Land – nicht zuletzt der christlichen Bevölkerung Indiens. Und diese Menschenrechtsfragen waren noch nie «Privatsache» einzelner Staaten. Erst recht nicht in unserer vernetzten, globalisierten Gesellschaft.

Datum: 20.05.2014
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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