ABC und viel mehr: Ein hellerer Morgen für Dalits

Gebet in einer „Gemeinde des Guten Hirten“.
Am Beginn eines langen Weges: Kinder in einer OM-Schule.
Kurian Varghese.
Hungrig nach Bildung: In den christlichen Schulen lernen Knaben verschiedener Kasten miteinander.
Taufe im Rahmen einer Grossversammlung, bei der Inder zum Christentum übertraten, Nagpur, Oktober 2006.

Auch in Indien öffnet Bildung die Tür aus dem Gefängnis der Armut und Unterdrückung. Dies erleben Dalits (Kastenlose) und andere unterdrückte Menschen millionenfach. Das christliche Werk Operation Mobilisation hat auf seine Weise die Herausforderung angenommen, wie sein Leiter Kurian Varghese Livenet schilderte.

Die Arbeit von Operation Mobilisation (OM) in Indien ist seit 2000 rasant gewachsen. Mitte 2006 waren 175 Teams unterwegs, um mit Literatur und Filmen zum Glauben an Jesus Christus einzuladen, dreimal so viele wie zu Beginn des Jahrzehnts. Dazu ist in den letzten Jahren die Bildungs- und Gemeindearbeit getreten. Insgesamt zählt das Werk aktuell 2‘400 Mitarbeiter.

Für die OM-Bildungsarbeit war unter anderem ein Hilfsprojekt unter ausgebeuteten Kindern in der südindischen Industriestadt Sivakassy wegweisend. „Die Kinder dürften von Gesetzes wegen nicht in der Industrie (Feuerwerk, Zündhölzer, Druckereien) arbeiten. Sie sind praktisch Sklaven ihrer Arbeitgeber“, berichtet Varghese. Die meisten Kinder wissen nicht, was Schule ist, da sie nie gehen konnten, vor allem Dalits (Kastenlose). Ihre Eltern zählen auf den (minimen) Verdienst. OM begann mit Abendkursen und hat seither in Sivakassy eine English Medium School mit zehn Klassen eingerichtet. „Wir betreiben die Schule, kommen für Uniformen und Bücher auf und geben den Kindern auch Nahrung.“

Bis 2010 hundert Schulen geplant

Sivakassy ist ein Modell geworden: OM betreibt inzwischen 62 English Medium Schools, vor allem für Dalit-Kinder, die sonst – falls sie überhaupt zur Schule gehen können – nicht über Grundunterricht in ihrer indischen Muttersprache hinauskommen. Varghese: „Wir zielen ab auf eine grundsätzliche Besserstellung dieser Kinder, indem wir ihnen eine rechte Schulbildung bieten. So können sie ihre Lebensumstände von Grund auf ändern.“

OM stellt qualifizierte Lehrer an, die motiviert unterrichten. 2006 hatten die Schulen 8‘000 Schülerinnen und Schüler, 2007 sind es über 10'000. Bis 2010 sollen 100 solche English Medium Schools laufen. „Wir sind überzeugt, dass Unterricht allein in der Regionalsprache die Dalits nicht freisetzt. In Indien wird jede Berufsschule etwa im IT-Sektor auf Englisch geführt, auch ein Diplom in Buchhaltung muss englisch erworben werden.“

Transformation im Kleinen

Der Lehrplan basiert auf der christlichen Weltsicht (Gott, Menschenrechte, Befreiung und soziale Gleichstellung), aber zu christlichen Aktivitäten werden die Schüler nicht angehalten. Laut Varghese startet die Organisation dann eine neue Schule, wenn sie von einer Dalit-Gemeinschaft darum gebeten wird. Zwei Drittel der Kinder müssen aus kastenlosen und niederkastigen Familien (Dalits und Shudras) stammen. Die restlichen 30 Prozent der Schulplätze stehen allen offen. „Wir helfen den Dalits, ein bisher nicht gekanntes Selbstbewusstsein zu gewinnen und sich dadurch zu emanzipieren. Wir wissen, dass diese Kinder in einigen Jahren eigenständige Persönlichkeiten sein werden. Es geschieht eine Transformation.“ Die Kinder verändern das Leben ihrer Familie gründlich. „Die Eltern reden gewöhnlich Slang; in der Schule wird den Kindern etwas Besseres beigebracht.“

Selbsthilfegruppen und Mikrokredit-Gemeinschaften

OM fördert unter Dalits auch Selbsthilfegruppen, die das Selbstbewusstsein der Erwachsenen stärken. Varghese bestätigt, dass Bauarbeiter in der Stadt vielleicht 80 Rupien am Tag verdienen, doch manche Landarbeiter im Dorf erhalten bloss 30-40 Rupien, weniger als zwei Franken! Die Armen verpflichten sich in der Gruppe, Geld beiseite zu legen, und die Gruppe eröffnet ein Bankkonto. „In gewissen Fällen haben wir einen Betrag als Starthilfe eingezahlt. Mit dem Ersparten können sie ein Kleingewerbe starten, ohne sich bei einem Geldleiher zu verschulden, der unbezahlbare Wucherzinsen fordert.“ Innert zwei Jahren sind mit OM-Förderung über 500 Selbsthilfegruppen entstanden. Die meisten Beteiligten sind Frauen. „Wir helfen ihnen auch, sich Fertigkeiten für ein Gewerbe anzueignen. In den nächsten Jahren arbeiten wir auf die Selbständigkeit dieser Gemeinschaften hin.“

Unter der Fürsorge des Guten Hirten

Seit 2001/2002 entstehen im Rahmen der OM-Tätigkeit auch Gemeinden. Sie heissen Good Shepherd Community Churches (Gemeinschaften des guten Hirten). „An Orten, wo 25-30 Personen Christus angenommen haben und nach der Bibel leben, haben wir Hausgemeinden gebildet. Einige dieser Gemeinden haben 20 oder 30, andere inzwischen 300 oder gar 500 Mitglieder. Sie sind übers ganze Land verstreut.“ Drei von OM beauftragte Sekretäre für Nord-, Mittel- und Südindien gehen den Gemeinden nach. „Wir achten konsequent darauf, dass nicht Christen aus bestehenden Kirchen zu uns kommen.“ Die meisten dieser Gemeinden seien an Orten ohne Kirche entstanden, sagt Kurian Varghese.

Grosse Gottesdienste in Nordindien

Für Aufsehen sorgen Massenversammlungen. Im bevölkerungsreichsten Gliedstaat Uttar Pradesh strömen an zwei Orten am Sonntagmorgen mehrere tausend Menschen zusammen, singen und hören Gottes Wort und beten. Dabei hat Christsein in Indien heute seinen Preis, wie der OM-Leiter betont. „Aber wenn Menschen, die bisher in Abhängigkeit, Armut und Elend gelebt haben, die Befreiung durch Jesus erfahren und sich ein neues Leben auftut, zahlen sie diesen Preis. Sie wissen allerdings, dass sie durch die Hand eines Fanatikers ihr Leben verlieren können.“

Die christlichen Leiter tragen eine gewaltige Verantwortung. „Wie können sie die Gläubigen vor der Verfolgung schützen, die nicht sein muss, und zugleich das Werk vorantreiben? Es muss von Gebet gestützt werden, das spüren wir ganz deutlich.“

Entscheidend ist der Schritt aus der Gebundenheit

Der Gesamtleiter von OM Indien, Joseph D’Souza, unterstützt die vielfältigen Emanzipationsversuche der Unterdrückten in aufsehenerregender Weise. Bei Massenversammlungen traten seit 2001 Tausende Dalits zum Buddhismus über, andere zum Christentum. Varghese erläutert: „Auch wenn wir als Christen wissen, dass der Buddhismus nicht die Antwort ist auf die Nöte der Menschen, unterstützen wir jene, die sich dem Hindu-System (das die Dalits seit drei Jahrtausenden niedergehalten und ausgebeutet hat; Red.) entziehen wollen und die Autorität der Brahmanen nun ablehnen. Viele werden Buddhisten, und wir begrüssen diesen Schritt der Emanzipation.“ Bei den Grossveranstaltungen, an denen Dalits das Hindu-System hinter sich lassen, hätten sie die Wahl: Sie könnten Buddhisten oder Christen werden, auch den Islam annehmen, wenn dieser ihnen eine Entwicklungsperspektive bietet. „Uns geht es darum, dass sie aus Gebundenheit aufbrechen; diesen Prozess wollen wir fördern.“

Links zum Thema:
Im September berichtet Kurian Varghese bei Vorträgen in der Schweiz über den Aufbruch der Dalits
OM Indien
Infos über die Christenverfolgung in Indien
OM Schweiz

Datum: 03.09.2007
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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