Jünger

Ein Jünger ist ganz anders als ein Student

Der griechische Ausdruck mathetés bedeutet: lernender Schüler. Jünger nannte man junge Menschen, die sich zu einem Schriftgelehrten in die Lehre begaben.

Es ist ein grosser Unterschied zwischen dem Studenten von heute und dem Jünger von damals

  • Der Student bemüht sich um Kenntnisse in einem Fach, der Jünger öffnet sich den Einwirkungen einer Person.
  • Der Student hat es mit einer Lehranstalt zu tun; der Jünger mit einem Lehrmeister.
  • Der Student stellt sich von Haus aus skeptisch-kritisch zu seinen Lehrern; fast das Schlimmste, was man von ihm sagen kann, ist: er »schwöre auf die Worte des Lehrers«.

Dem Jünger ist sein Lehrer von Haus aus die unbedingte Autorität; er sieht in ihm nicht nur den Lehrmeister, sondern auch den Erzieher. Es ist das höchste Lob des Jüngers, wenn man von ihm sagt: er halte sich bedingungslos an die Worte seines Lehrers.

Jesus sagt freilich: alle anderen Lehrer hätten sich letztlich solch eine Autoritätsstellung angemasst. Er nennt sich den einzigen, der mit absoluter Autorität lehren kann (Matth. 23,7-10).

Zwischen Meister und Jünger besteht Schicksalsgemeinschaft

Der Student berührt sich gelegentlich und flüchtig mit seinen Lehrern, der Jünger lebt in unzertrennlicher Schicksalsgemeinschaft mit seinem Meister (Nachfolge). Der Student lebt meist von Büchern (aufgespeichertem Wissen), der Jünger lebt von Gesprächen (lebendig mitgeteilter Erkenntnis).

Zum Schluss eines Lehrgesprächs fasste der Lehrer das Besprochene in einige knappe Sätze zusammen; diese wurden dann von den Jüngern auswendig gelernt. Das treue Gedächtnis, das diese Aussprüche Wort für Wort behielt, war eine unerlässliche Jüngertugend.

Der rechte Jünger gleicht der »Zisterne, die keinen Tropfen verliert«. Auch Jesus hat in dieser Art gelehrt, und damit hängt die genaue Überlieferung seiner Worte zusammen. Das Auswendigkönnen der Worte hat die Bedeutung, dass man sie stets zur Verfügung hat, sie immer mit sich umhertragen und sich in sie vertiefen kann.

Der Jünger steht immer mitten im Leben

  • Der Student geht ins Leben mit einer gewaltigen Menge unverarbeiteten Wissens; der Jünger nimmt nur einen begrenzten Stoff mit, aber der ist von Grund auf durchgearbeitet.
  • Der Student hat Probleme, der Jünger Richtlinien.
  • Der Student bewegt sich in Theorien, der Jünger steht gerade als Jünger mitten in der Praxis. Er wird mit Aufträgen ausgesandt (Matth. 10,5ff.). Er begleitet den Meister stets bei dessen Wirken.

Die Jünger erhalten von Jesus die Charakteristik: sie seien Menschen, die den Willen seines Vaters tun (Matth. 12,49-50). Nur die, die ernstlich darum ringen, können überhaupt in der Erkenntnis fortschreiten (Joh. 7,17).

Der Student hat seine Art natürlich nicht aus sich selbst. Er ist ein Vertreter moderner Bildung und ist schicksalsmässig so, wie er ist. Sein Schicksal teilt heute jeder Gebildete, und es gehört eine Schicksalswende dazu, dass ein moderner Mensch Jünger wird.

Jünger heissen im Neuen Testament die Zwölf, die ständig um Jesus sind; ein weiterer Kreis von Siebzig und endlich alle, die ernstlich und dauernd sich der Lehre Jesu öffnen. In der Apostelgeschichte und später heissen alle an Christus Glaubenden - Jünger. In Antiochien werden die Jünger zum erstenmal Christen genannt (Apg. 11,26).

Datum: 10.12.2009
Autor: Ralf Luther
Quelle: Neutestamentliches Wörterbuch

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