Römerbrief: Paulus von Tarsus

Paulus von Tarsus

Paulus von Tarsus wuchs in einer griechisch-jüdischen Umgebung auf. Als Sohn jüdischer Eltern mit römischem Bürgerrecht beherrschte er die griechische Sprache meisterhaft.

Paulus lernte den Beruf des Zeltschneiders oder Sattlers. Für die theologische Ausbildung zog er nach Jerusalem zum hoch angesehenen Lehrer Gamaliel. Dort schloss er sich der pharisäischen Laienbewegung an. Die Thora (fünf Bücher Mose) und ihre mündliche Auslegung sind ihm Richtschnur für die Lebensführung. Sein fanatischer Eifer für die Thora (das Gesetz) liess ihn das aufblühende hellenistisch gefärbte Judenchristentum als besonders gottwidrig empfinden. In seinem Glaubenseifer begann er, die wachsende Schar der Juden, welche in Jesus ihren Messias sahen, zu verfolgen.

Für den gesetzestreuen Paulus stellten die „vom Weg“ (Apg 9,2) eine jüdische Sekte dar, die vom Gesetz abwich und daher entschieden bekämpft werden musste. Schon als junger Mann war Paulus dabei, als Stephanus, der erste christliche Märtyrer, zu Tode gesteinigt wurde. Später erhielt er den Auftrag, in Damaskus Christen aufzuspüren und sie gefangen nach Jerusalem zu führen. Vor Damaskus begegnete ihm bei einer dieser Expeditionen in einer Vision Jesus – sein „Damaskuserlebnis“. Es veränderte sein Leben von Grund auf.

Von der Erscheinung Christi getroffen, fiel Paulus zu Boden und wurde – erblindet – nach Damaskus geführt. Dort begegnete ihm Ananias, der ihn heilte und taufte. Schon bald predigte er in der Synagoge von Damaskus, was seine eigene Verfolgung auslöste. Freunde halfen ihm, in einem Korb über die Stadtmauer zu entfliehen. Darauf zog er sich nach Arabien zurück.

Lehr- und Missionsjahre

Etwa drei Jahre später besuchte Paulus Petrus in Jerusalem. Danach hielt er sich in der weiteren Umgebung von Tarsus auf und missionierte in Nordsyrien und Cilicien. In den nächsten Jahren wohnte er in Antiochien, im damaligen heidenchristlichen Zentrum. Dort gewann er neben Barnabas eine gemeindeleitende
Bedeutung. In dieser Stellung war er der führende Repräsentant der antiochischen Delegation im Jerusalemer Apostelkonvent (48 n. Chr.).

Der Jerusalemer Kompromiss

Dabei ging es im Wesentlichen um die Grundsätze der Heidenmission. Auf dem Konvent traten drei Gruppen auf: die Vertreter der Position von Antiochia, welche auf eine Unterwerfung der Heidenchristen unter die jüdischen Gesetze verzichten wollten. Sie wurden vermutlich durch zwei der drei Apostel des Jerusalemer Führungskollegiums unterstützt nämlich Petrus und Johannes. Die Gruppe um den dritten Leiter, Jakobus, nahm eine vermittelnde Position ein und verlangte analog zur jüdischen Heidenmission eine minimale Beachtung der jüdischen Gesetze. Eine dritte Gruppe „judaisierender“ Christen mit jüdischen Wurzeln verlangte dagegen von den Heidenchristen die Beschneidung.

Diese Gruppe dürfte eine Urzelle der späteren Paulus-Gegner bilden. Die Zusammenkunft endete mit dem Kompromiss einer Teilung der Missionsgebiete: „Heiden“ – also Nichtjuden – an Antiochia; „Juden“ an Jerusalem. Die Heiden sollten somit durch die Gemeinde in Antiochien missioniert werden und die Juden von Jerusalem aus. Paulus erhielt ausserdem den Auftrag, in den Heidengemeinden eine Geldsammlung für die Urgemeinde in Jerusalem durchzuführen.
Vor allem Paulus' Drängen brachte die junge Kirche dazu, die geistigen und räumlichen Grenzen zu sprengen und das Wurzelland Israel, in dem die junge Kirche theologisch zu Hause war, zu verlassen, um die Heidenmission voranzutreiben.

Der Jerusalemer Kompromiss hielt nicht lange. Schon 48/49 n. Chr. brach der Konflikt zwischen den verschiedenen Gruppen in Antiochien erneut auf. Paulus konnte seine „gesetzesfreie“ Position nicht durchzusetzen. Über dem Konflikt bezüglich der Mahlgemeinschaft zerbrach nicht nur die Gemeinschaft zwischen Juden- und Heidenchristen, sondern auch die Partnerschaft zwischen Paulus und Barnabas. Paulus trennte sich von Antiochien und begann etwa 48/49 n. Chr. seine selbständige Mission unter den Heiden.

Ephesus, Korinth …

Auf seinen Missionsreisen gründete Paulus an strategisch wichtigen Orten christliche Gemeinden. Seine letzte Missionsreise wird in der Regel auf die Jahre 53 bis 58 datiert und führte den Apostel wieder nach Kleinasien – mit einem Gefängnisaufenthalt in Ephesus, dann erneut durch Mazedonien nach Korinth.

Während seines letzten Besuches in Korinth – im Winter 56 – schrieb Paulus den Römerbrief. Obwohl er darin seine baldige Ankunft in Rom ankündigte, vergingen nochmals fünf Jahre, bis er in Rom eintraf. In seinem Brief an die Römer bereitete Paulus seine Spanienmission vor – die er aber vermutlich nicht mehr realisierte. Bevor er Rom besuchen konnte, wollte er in Jerusalem die gesammelten Gelder für die Urgemeinde abliefern. Dabei wurde er nach Aufständen einer jüdischen Gruppe wohl im Jahr 57 festgenommen. Die Behörde von Cäsarea verfügte, bedingt durch sein römisches Bürgerrecht, die Überstellung nach Rom.

Schiffbruch

Wegen eines Schiffbruchs musste Paulus in Malta überwintern. Danach erreichte er Rom. In Rom konnte er in einer Art Halbgefangenschaft weitgehend ungehindert wirken und mindestens zwei Jahre lang lehren und predigen. Paulus starb vermutlich im Sommer 64 als Märtyrer während der Christenverfolgung unter Kaiser Nero, der die Stadt Rom anzündete und die Christen zu Sündenböcken machte. Einige Indizien sprechen allerdings dafür, dass Paulus später starb und nach vier Jahren in Rom nochmals eine Missionsreise (nach Spanien?) unternahm.

Jude mit neuem Fokus

In seiner persönlichen Haltung wie in seinem theologischen Denken blieb Paulus Jude. Durch sein „Damaskuserlebnis“ änderte sich aber sein Blickwinkel radikal. Nicht mehr der aus der Geschichte Gottes mit seinem Volk kommende Heilsanspruch und der Verheissungsbesitz begründen das Heil. Die Erlösung geschieht jetzt durch den Tod und die Auferstehung Jesu, das Zentrum von Gottes Heilshandeln, das alle Menschen erreichen will – Juden und „Heiden“.

Gnade – das unverdiente Geschenk Gottes – wird für Paulus zum zentralen Begriff. Mit seiner Berufung zum Apostel sieht er sich in die Reihe der Auferstehungszeugen gestellt. Daraus bezieht er seine apostolische Autorität. An seinem eigenen Erleben wird transparent, was Bekehrung – „zum Glauben kommen“ – bedeutet: Der Mensch wird geistlich neu geschaffen. Damaskus ist somit nicht nur ein biographisches Schlüsseldatum, sondern stellt den eigentlichen Schlüssel zu seiner Theologie dar.

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Datum: 06.02.2007
Autor: Felix Ruther
Quelle: Bausteine/VBG

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