StopArmut-Konferenz 2015

«Frieden ohne Versöhnung ist bloss eine Vorbereitung auf den Krieg»

Krieg und Terror ruinieren soziale, wirtschaftliche und kulturelle Strukturen. Christen, die an den Gott des Friedens glauben, nehmen hier eine besondere Rolle ein. Das Beispiel der Friedensnobelpreisträgerin Leymah Gbowee beweist, dass Glaube zur Überwindung von Konflikten beitragen kann. Die StopArmut-Konferenz am vergangenen Samstag beleuchtete das Thema aus biblischer Sicht und ermutigte zum konkreten Handeln.
Peter Seeberger und Leymah Gbowee an der StopArmut-Konferenz
Die Gellertkirche steht für eine Landeskirche, die einer Freikirche sehr nahe kommt.
Lukas Amstutz an der StopArmut-Konferenz 2015
Leymah Gbowee

«Glücklich sind, die Frieden stiften, denn Gott wird sie seine Kinder nennen.» Mit diesem Zitat aus dem Matthäus-Evangelium (Kapitel 5, Vers 9) eröffnete Graziella Rogers, Miss Earth 2009, die diesjährige StopArmut-Konferenz in der Gellertkirche in Basel. Sie moderierte gekonnt durch die Veranstaltung und bewies, dass sie ein Herz für Menschen und ihre Umwelt hat.

Daran knüpfte Peter Seeberger, der die Kampagne «StopArmut» leitet, gleich an. Er sprach über die Bedeutung von Frieden in Zusammenhang mit Entwicklung und Armut. «Frieden ist eine Voraussetzung für Entwicklung und Stabilität in einem Land.» Krieg werfe den Entwicklungsstand um Jahrzehnte zurück. Aber es brauche mehr als «nur» Frieden: «Denn Frieden ohne Versöhnung ist bloss eine Vorbereitung auf den Krieg», so Seeberger. Und schliesslich sprach er über die Rolle der Christen in Bezug auf Frieden in einer Welt voller Krieg, Ungerechtigkeit und Hass. «Christen dürfen nicht vor Gewalt und Terror kapitulieren, sondern müssen ihren Glauben entgegensetzen.» Christen seien dazu berufen, Friedensstifter zu sein und für eine friedlichere Welt einzustehen, genau wie die Bibel im Buch Jesaja (Kapitel 11, Verse 6-7) ein metaphorisches Bild davon malt. 

«Solche Konferenzen werden ihre Berechtigung behalten»

Was Friede im biblischen Kontext bedeutet, führte später Lukas Amstutz noch weiter aus. Doch zuerst referierte Manuel Sager von der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit DEZA über die Entwicklungszusammenarbeit als Beitrag zur Konfliktbewältigung. Er eröffnete den Konferenzteilnehmern einerseits einen nüchternen Blick auf Zahlen und Fakten. So würden über 400 Millionen Menschen gegenwärtig am Hungertuch nagen und ums nackte Überleben kämpfen müssen. Andererseits sprach er über die frappanten Auswirkungen von Krieg und Armut auf Einzelne. Diese Missstände würden Perspektivlosigkeit verursachen, mit der ganze Generationen konfrontiert sind. «Solche Konferenzen werden ihre Berechtigung leider vorerst behalten», fasste Sager die harte Realität in Worte.

Frieden ist mehr als die Abwesenheit von Krieg

Lukas Amstutz, der Friedenstheologie und -ethik am Theologischen Seminar Bienenberg unterrichtet, kam nun wieder auf den christlichen Wert von Frieden – oder Schalom – zu sprechen. Allerdings lässt sich das Wort «Schalom» nicht in einem Wort in die deutsche Sprache übertragen. Die hebräische Grussformel wird etwa mit Glück, Heil, Segen oder eben Frieden übersetzt und drückt ein allgemeines Wohlergehen aus. Schalom ziehe sich wie ein roter Faden durch die Bibel. «Deshalb werde ich nun in 28 Minuten die ganze Bibel vom Buch Genesis bis zur Offenbarung zusammenfassen», scherzte Amstutz. In der Schöpfungsgeschichte zeichnet Gott ein Bild des gelingenden Lebens. Im biblischen Kontext bezieht sich Frieden also nicht bloss auf die Abwesenheit von Krieg – Frieden bedeutet Einklang mit dem Schöpfer, mit sich selbst und seinen Mitmenschen. «Schalom ist keine gesellschaftliche Modeerscheinung, sondern ein zutiefst positiver Beziehungsbegriff», so Amstutz. Aber wie wir in der Bibel lesen, hat sich das Volk Israel immer wieder von Gott abgewandt und sich menschlichem Übermut und Egoismus hingegeben, infolgedessen auch Gottes «Schalomplan» auseinandergebrochen ist.

Doch Gott sandte mit Jesus Christus einen Friedensfürsten in diese Welt, dessen Antwort auf Böses schlicht und einfach Liebe ist. Er forderte seine Anhänger auf, es ihm gleichzutun, weshalb Christen auch heute noch dazu berufen sind, Frieden zu bezeugen und zu fördern. Das Schlüsselwort in diesem Zusammenhang ist Gerechtigkeit, die wir alle im Kleinen ausleben und in Nächstenliebe zu einer besseren Welt beitragen können. «Und wo es gerecht zugeht, da herrschen auch Friede, Ruhe und Sicherheit», zitierte Lukas Amstutz einen Bibelvers aus Jesaja 23.

Immer wieder schuf ein Pianist zwischen den Referaten Raum für Reflexionen. In seinen Einlagen verarbeitete er spontan das eben Gehörte und setzte seine Eindrücke musikalisch um. Zusammen mit einem afrikanischen Gesangsduo stellte er schliesslich unter Beweis, dass Musik eine internationale Sprache ist und Kulturen miteinander verbindet.

«Alle sollten gleich behandelt werden»

Als Leymah Gbowee die Bühne betrat, kristallisierte sich schnell heraus, dass ihr Referat zum Highlight des Tages werden würde. Die liberianische Friedensaktivistin, die durch ihren Aufruf zum friedlichen Protest massgeblich zur Beendigung des Bürgerkrieges in ihrem Land beitrug, wurde 2011 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Mit ihrer menschenliebenden und zugleich unzimperlichen Art hatte sie das Publikum schnell in ihren Bann gezogen. Aus ihrer Botschaft ging hervor, wie kompromisslos sie für Frieden einsteht und den Missständen in dieser Welt mit beispielhafter Zivilcourage und ihrem unerschütterlichen Glauben entgegentritt.

Noch immer herrscht allein in Afrika in 27 Ländern Krieg. Angesichts dieser Tatsache stellte sich Gbowee die Frage, wie man in diesen Ländern Optimismus säen könne. Denn solange unter den Menschen Ungerechtigkeit und Ungleichheit existiere, bleibe Frieden eine Illusion. Um diese Problematik zu illustrieren, erzählte sie eine Geschichte, die sich in einem Taxi zugetragen hatte. Als Gbowee müde ins Auto stieg, wünschte sie sich zu schlafen und sich nicht unterhalten zu müssen. Doch das erste, was der Taxifahrer zu ihr sagte, war, dass er gerne mit ihr sprechen wolle. Okay Jesus, du hast einen Sinn für Humor, dachte sich Gbowee. Daraufhin erzählte ihr der Taxifahrer, dass er Araber sei und seit 9/11 täglich diskriminiert und als potentieller Terrorist gesehen werde. «Jedes Mal, wenn irgendwo auf der Welt eine Bombe hochgeht, stirbt ein weiterer Teil in mir», soll er gesagt haben.

Auch Leymah Gbowee sei selbst häufig mit Diskriminierung konfrontiert. «Es ist traurig, wie oft ich meinen Nobelpreis erwähnen muss, um mit Respekt behandelt zu werden.» Dabei brauche es ausnahmslos jeden, um die Welt friedlicher zu machen. Gbowees Kernbotschaft war, dass es an der Zeit sei, alle in diese Mission einzuschliessen und Menschenrechte nicht länger zu ignorieren. «Alle sollten gleich behandelt werden», appellierte Gbowee energisch an das Publikum. Eine Kultur der Beteiligung sei einer Voraussetzung für eine Kultur des Friedens. Und Frieden wiederum ist eine Voraussetzung für die Eindämmung von Armut.

Die StopArmut-Konferenz 2015 lieferte Hintergründe und Zusammenhänge. Sie konfrontierte die Teilnehmer gleichermassen mit Vorbildern und Handlungsmöglichkeiten. Ich versuche an dieser Stelle, ein Fazit zu ziehen und einen Merksatz zu formulieren, der simpler nicht sein könnte: Jeder macht einen Unterschied. Soziale Gerechtigkeit und Frieden beginnt bei dir.

Datum: 02.11.2015
Autor: Aaron Aebi
Quelle: Florian Wüthrich

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