In armen Hindu-Familien wird die Geburt eines Mädchens nicht selten als Fluch empfunden. Vom Tag der Geburt an müssen minderbemittelte Eltern sparen, um ihrer Tochter einst einen Bräutigam zu finden. Die Familien der Männer fordern bei der Heirat oft Geldsummen und Geschenke, die nicht aufgebracht werden können. In der Ehe hat die Hindu-Frau ihren Gatten als Herrn zu verehren und ihm unterwürfig zu dienen. Millionen von Frauen haben ein ganz schweres Los. Konsumgelüste des Mannes und seiner Familie führen oft zu weiteren Forderungen an ihre Angehörigen. Verlassene Ehefrauen, junge Witwen und ungewollte Mädchen sehen oft keine andere Möglichkeit zu überleben als die Prostitution. Als Christin sucht Mercy Abraham solchen Frauen ein neues Selbstbewusstsein zu geben – weil Christus Frauen und Männern gleiche Würde zugesprochen hat. Es begann damit, dass sie eine 14-jährige Witwe bei sich aufnahm, die von allen verstossen worden war, auch ihrer eigenen Mutter. Im Distrikt Dharmapuri im Nordwesten des südindischen Gliedstaats Tamil Nadu leben über 2,4 Millionen Menschen. Der Anteil der Christen im rückständigen Gebiet, 140 km südlich von Bangalore, liegt bei 1,2 Prozent. Ein Grossteil der Bevölkerung besitzt kein eigenes Land und muss sich im Taglohn verdingen – für die etwa 70 Tage im Jahr, da die Grossgrundbesitzer Landarbeiter brauchen. Männer verdienen dann 50 Rupien pro Tag (weniger als zwei Franken), Frauen 30 Rupien. Kinder müssen Herden hüten. Der Distrikt ist berüchtigt für Alkoholismus und dafür, dass immer wieder Frauen ihre neugeborenen Mädchen töten. Mercy (der Name bedeutet: Barmherzigkeit) Abraham gründete 1994 das Hilfswerk Mahalir Aran Trust, um Witwen sowie misshandelten, vernachlässigten und weggeschickten Frauen und Kindern zu helfen. Sie finden Aufnahme in einem Haus. Da lernen sie lesen und schreiben, werden im Nähen unterrichtet und können auf einem Feld Reis anpflanzen. Im Jahr 2001 suchten fast 600 misshandelte oder verlassene Frauen Hilfe bei der Polizei des Distrikts Beistand. Von ihnen konnten 14 im Frauenhaus aufgenommen werden, im folgenden Jahr waren es 35. Einige junge Frauen sind mit ihrem Kind da. Schon seit Dezember 2001 läuft ein Nähunterricht. Der Unterricht soll ihnen den Start eines Nähateliers ermöglichen, wenn sie das Haus verlassen. Nun plant Mercy Abraham eine einjährige Näherinnen-Ausbildung. Sie soll auch einzelnen Frauen aus Nachbardörfern offen stehen. Hilfe angeboten hat die Engländerin Janet Rogers, eine Textildesignerin mit einem Abschluss des Londoner Royal College of Art. Das Hilfswerk ist das einzige im ganzen Distrikt, das sich um vernachlässigte Frauen kümmert. „Wir wollen ihnen Freundschaft anbieten und ihnen helfen, Hoffnung für die Zukunft zu schöpfen“, schreibt Mercy Abraham. „Wir wollen mit ihnen weinen in ihrer Not und sie stützen mit guter Unterkunft, Nahrung, Seelsorge, medizinischer Betreuung – und indem wir christliche Liebe mit ihnen teilen.“ Weitere Informationen: Christa.Vogel@tearfund.ch Von Geburt an sparen – für die Mitgift
Witwe mit 14 Jahren
Arbeiten für einen Hungerlohn
Misshandelte aufgenommen
Nähschule mit Designer-Unterstützung
Zusammen weinen – und Neues anpacken
Bilder: Tear Fund Schweiz
Datum: 09.12.2003
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch