EDU und EVP

Vertreter der evangelischen Parteien zu einem Atom-Ausstieg

Die Kraftwerk-Katastrophe in Japan hat rund um den Globus heftige Debatten über Atomkraftwerke ausgelöst. Auch in der Schweiz. Die angefragten Vertreter der beiden evangelischen Parteien sehen einen Ausstieg als Option – auch wenn sie sich nicht in allen Punkten einig sind.
Atomkraftwerk Mühleberg
Andreas Brönnimann
Roland Bialek
Hans Moser
Maja Ingold

EVP-Nationalrätin Maja Ingold bringt es auf den Punkt: «Ich glaube, dass es nicht wie vor der Katastrophe in Japan Befürworter und Gegner gibt, allen ist nun klar, dass wir auf erneuerbare Energien setzen müssen, die Frage ist: ‚wann und wie?»

Klar ist für unsere vier Interviewpartner gleichzeitig, dass der Ausstieg nicht hysterisch überhastet geschehen darf, sondern dass die Energiesicherheit bestehen bleiben muss. Wir sprachen mit dem EDU-Parteipräsidenten Hans Moser, Nationalrat Andreas Brönnimann (EDU), Nationalrätin Maja Ingold (EVP) und EVP-Energiebotschafter und Kantonsrat Roland Bialek.

Wie stehen Sie heute zur Atomkraft, wie beeinflusst Sie das Beben in Japan?

Andreas Brönnimann: Das hat sicher einen Einfluss. Nach wie vor stehe ich zur Atomkraft, aber wir müssen schauen, was wir verbessern müssen, damit so etwas in der Schweiz nicht passiert. Wir müssen daraus neue Erkenntnisse gewonnen und unsere Lehren daraus ziehen.

Roland Bialek: Die EVP hatte immer eine kritische, aber realistische Haltung. Wir haben die Kernenergie höchstens als Zwischenlösung betrachtet und dies auch nur, wenn die Rahmenbedingungen gegeben sind, also wenn die Endlagerung radioaktiver Abfälle gelöst ist, die Haftungssumme erhöht wird und der Rückbau der Anlagen sichergestellt ist. Nach dem Unfall in Japan gehe ich realistischerweise davon aus, dass ein Ersatzkernkraftwerk vor dem Volk keine Chance mehr hat; das heisst, die Schweiz muss jetzt dringend nach anderen Lösungen zur Stromversorgung suchen.

Hans Moser: Ich denke, dass man das nicht zusammenkoppeln kann. Wir haben eine ganz andere Situation, wir sind auf einer anderen Erdplatte und haben kein Meer, von dem eine solche Welle kommen könnte. Was in Japan passiert ist, ist tragisch. Aber man hat ständig vom Super-GAU gesprochen und selten wurde berichtet, dass es auch gut kommen kann. Es wurde viel polemisiert und kaum über die Menschen im Hinterland berichtet, die vom Beben und dem Tsunami heimgesucht wurden. Darüber spricht man zuwenig, zum Beispiel wie ihre Wasserversorgung ist.

Maja Ingold: Ich war immer kritisch gegenüber der Atomkraft und war stets der Meinung, dass wir sobald wie möglich aussteigen sollten, dies aber geordnet, die Versorgungssicherheit hat erste Priorität; der Ersatz durch die erneuerbare Energie muss schneller vorangetrieben werden. Innovationen alternativer Energien müssen maximal gefördert werden. Es darf keine Kompensation mit dreckiger, teurer Energie aus dem Ausland erfolgen.

Die Pro-Seite dürfte argumentieren, dass das Kraftwerk einem Beben sowie einem Tsunami standhielt und trotz ausgefallenem Strom in den Griff gekriegt wurde. Die Kontra-Seite argumentiert wohl mit einer gefährlichen Technologie, Menschen, die verstrahlt wurden und werden sowie mit Langzeitfolgen. Wie positionieren Sie sich?

Roland Bialek: Über Konsequenzen aus dem Kernkraftwerkunfall in Japan zu argumentieren ist noch zu früh, wir wissen nicht, wie das Ereignis ausgeht. Die Sicherheit der schweizerischen Kernkraftwerke ist auf jeden Fall ernsthaft zu überprüfen. Veraltete Kernkraftwerke sind abzuschalten.

Hans Moser: Grundsätzlich ist es so, dass das Kraftwerk in Fukushima einem Erdbeben und einer 15 Meter hohen Flutwelle standhielt, dies am äussersten Rand einer grösseren Katastrophe. Man darf an einem solchen Ort kein Atomkraftwerk bauen, daraus muss die ganze Welt ihre Lehren ziehen. Bei uns sind nicht Erdbeben und Flutwelle zu befürchten. Wenn ein Jumbo abstürzt, nimmt man nicht alle vom Himmel. Ich bin für einen Ausstieg, sobald Alternative und Versorgung sichergestellt sind, denn beides brauchen wir, um die Wirtschaft aufrecht zu erhalten. Gegner und Befürworter, beide haben etwas aus dieser Katastrophe herauszunehmen.

Maja Ingold: Ich bin der Meinung, dass es nicht nur schwarz und weiss gibt. Es ist eine gefährliche Energie, die man nie vollends im Griff hat, zudem ist die weltweite Uran-Reserve endlich und das Problem der Endlagerung nicht gelöst. All diese Gründe sprechen dafür, sie zu ersetzen, durch solche, die erneuerbar sind. Ich glaube, dass es nicht wie vor der Katastrophe in Japan Befürworter und Gegner gibt, allen ist nun klar, dass wir auf erneuerbare Energien setzen müssen, die Frage ist: «wann und wie?» Zudem muss die Effizienz gesteigert werden und die Ansprüche gesenkt, zum Beispiel weniger Warmwasser verwenden und Strom sparen.

Andreas Brönnimann:
Aus meiner Sicht hat das Kraftwerk nicht standgehalten. Es hat Explosionen gegeben, es ist zu einer Katastrophe gekommen, da darf nichts schöngeredet werden. Auch bei den japanischen Kraftwerken sind Korrekturen vorzunehmen, damit es in Zukunft nicht mehr soweit kommen kann.

Welche Alternative sehen Sie?

Hans Moser: Die bestehenden Werke sicherer zu machen, die Kühlsysteme auf Vordermann zu bringen und einen Kühlwasservorrat anzulegen. Einen Ausweg sehe ich noch nicht, wir haben noch keine Ersatzquelle. Gut ist, dass wir die Forschung vorantreiben, in den letzten Jahren ist die Solar-, Wind- und Wasserenergie deutlich verbessert worden, zum Beispiel mit besseren Wasserturbinen. Es geht aber nicht, dass jene, die solche Alternativen fordern, gleichzeitig höhere Staumauern und Windräder verhindern wollen – denn diese Energien sind umweltfreundlich, Atomstrom aus einem gut geführten Werk auch. Keine Lösung ist, Atomstrom aus unsicheren Werken aus dem Ausland zu holen.

Maja Ingold: Natürlich die maximale Förderung erneuerbarer Energiegewinnung und die Sanierung der Wohngebäude. Eine kostendeckende Einspeisevergütung wird unabdingbar und das Entwickeln verschiedener Heimkraftwerke die je nach Verfügbarkeit verschiedene Energien kombinieren, zum Beispiel Brennstoffzellen, Sonnenenergie, Erdwärme und Holzschnitzel. Das ersetzt auch den teuren Transport der Energie. Auch sehe ich die Schweiz als Batterie und Wasserschloss von Europa. Wenn Wind- und Sonnenergie nicht genug liefern können, kann diese Lücke durch Wasserkraft in Pumpspeicherwerken überbrückt werden.

Andreas Brönnimann:
Ein sofortiger Ausstieg ist sicher nicht möglich. Auf lange Zeit aber sehe ich es auch so, dass wir möglichst unabhängig von dieser Energie werden. Deshalb muss in diese Richtung geforscht werden.

Roland Bialek: Es sind zwei Strategien. Erstens müssen wir den Energieverbrauch verringern, sparen, verzichten und die Energie effizienter einsetzen, also mit weniger Verlusten. Und dies auch mit neuen Techniken und Innovationen. Ich wünsche mir ein Umdenken, es soll nicht mehr darum gehen, mit möglichst billiger Energie und billigen Rohstoffen möglichst viele Produkte herzustellen, die oft nicht gebraucht werden. Es soll in Zukunft vielmehr darum gehen, mit möglichst effizientem Einsatz von Energie und Rohstoffen mit fairen Preisen Produkte in einer möglichst guten Qualität zu produzieren, die wirklich benötigt werden. Und zweitens müssen wir erneuerbare Energien fördern, einerseits die Wasserkraft, andererseits aber auch die ganze Palette anderer erneurbarer Energien. Die Zukunft sehe ich eher in kleinen Kraftwerken, zum Beispiel für Solarenergie, als in der Grosstechnologie. Der Staat soll auch bei den erneuerbaren Energien seine Rolle einnehmen, ich denke da an kostendeckende Einspeisevergütungen oder eine Verteuerung der nicht erneuerbaren Energie im Rahmen einer ökologischen Steuerreform.

Sind Sie daran, politische oder andere Pläne zu schmieden und wenn «Ja», wie sehen diese aus?

Maja Ingold: Gerade am letzten Freitag reichte ich eine Motion und eine Interpellation im Nationalrat ein. Letztere fragt nach der Unabhängigkeit der Aufsicht über Betriebsbewilligungen von AKWs und ihre Verlängerung. Das Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI ist zu sehr verbandelt mit der Atombranche und sollte mit unabhängigen ausländischen Fachleuten erweitert werden. Die Motion fordert, dass AKW's – wie zum Beispiel Mühleberg – nach 40 Jahren vom Netz genommen werden und Betriebsverlängerungen nur vom Bundesrat selbst bewilligt werden dürfen; und nicht vom ENSI.

Andreas Brönnimann:
Derzeit bin ich nirgends beteiligt. Im Moment gilt es abwarten und nicht hysterische Lösungen zu suchen, sondern zu prüfen, was man verbessern kann, genau zu analysieren, eine Auslegeordnung zu machen und dann eine sorgfältige Strategie zu entwickeln.

Roland Bialek: Wir sind in verschiedenen Bereichen aktiv. Letzte Woche reichte zum Beispiel Martin Bhend, EVP-Grossrat, einen Vorstoss ein. Er verlangt eine Studie über Tiefenwärmestömung im Kanton Aargau, um mögliche Standorte für ein geothermisches Kraftwerke abzuklären und dieses dann in den Richtplan aufzunehmen.

Hans Moser:
Privat haben wir im letzten Sommer auf unserem Dach eine Solaranlage bauen lassen sowie eine Wärmepumpe. Als Partei sagen wir, neue Atomkraftwerke kommen dann in Frage, wenn die Endlagerung sicher ist. Wir müssen die Lehren von Fukushima ziehen und nach diesen Erkenntnissen bauen. Jetzt hysterisch aussteigen kommt den Endverbraucher teuer zu stehen. Wenn politische Funktionäre, die kein Programm haben, nun auf die Katastrophe aufspringen und damit politisieren, machen sie die Katastrophe noch schlimmer.

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Datum: 23.03.2011
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Jesus.ch

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